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Themenwoche: Mut tut gut - drei Profis erklären warum!

07.07.2020 08:13

„Ohne Risiko geht man nicht erfolgreich vom Stand“, äußerte sich Maximilian Dallinger, die große Nachwuchshoffnung im Gewehrkader, zuletzt im DSB-Podcast Volltreffer. Es geht darum, das Risiko in Kauf zu nehmen, Mut zu beweisen. Es ist ein Ritt auf des Messers Schneide – egal von welcher Blickrichtung man es beachtet. Bogen-Bundestrainer Oliver Haidn, Weltcup-Schützin Doreen Vennekamp und DSB-Psychologe Henning Thrien erzählen, inwiefern Mut im Wettkampf gut tut.

Bild: DSB/ Für Spitzenschützin Doreen Vennekamp ist Mut eine wichtige Charakterstärke, um Höchsleistungen bringen zu können.
Bild: DSB/ Für Spitzenschützin Doreen Vennekamp ist Mut eine wichtige Charakterstärke, um Höchsleistungen bringen zu können.

Warum ist es wichtig als Sportler mutig zu sein?

Haidn: „An der Schießlinie ist der Sportler allein. Dabei befindet er sich im Wettkampf stets in einem Spannungsfeld aus Risikobereitschafft und Kontrolle der Situation: z.B. Anhalten oder nicht. Genau Zielen oder guter Fluss. Wir können aber im Bogenschießen nur dann gewinnen, wenn wir uns mehr auf der Risikoseite bewegen und fähig sind zu handeln.“

Selbstbewusstsein und Mut sind für einen Athleten also unverzichtbar.

Doreen Vennekamp, Top-Team Tokio

Vennekamp: „Ein Sprichwort sagt, der Erfolg trifft die, die darauf vorbereitet sind. Wer mit Ängsten in den Wettkampf geht, ist so mit diesen beschäftigt, dass er die Chance zum Erfolg wahrscheinlich verpasst.“

Bild: DSB / Bundestrainer Oliver Haidn trainiert mit seinen Sportlern bewusst Situationen, in denen sie mutig sein müssen.
Bild: DSB / Bundestrainer Oliver Haidn trainiert mit seinen Sportlern bewusst Situationen, in denen sie mutig sein müssen.

Thrien: „Als Sportler befindet man sich regelmäßig in einer unbekannten Sphäre. Einem Raum zwischen Sieg und Niederlage, Erfolg und Misserfolg, Scheitern oder Triumph. Egal, wie viel man trainiert, egal, wie professionell Vorbereitung und Analyse betrieben wird; an irgendeinem Punkt gibt es diese Situationen, die nicht präventiv planbar sind und gewisse Unsicherheiten mit sich bringen. Mutige Sportler „leben“ für diese Momente. Sie begeben sich mit vollem Bewusstsein in Situationen, die mit Unsicherheiten verbunden sind (z.B. bzgl. eines Resultats im Wettkampf) und meiden diese nicht. Mut hilft in diesem Kontext enorm, da es die Bereitschaft, sich solchen Situationen hinzugeben, erhöht und die offene Auseinandersetzung mit Unsicherheiten nicht scheut. Sportler mit Mut können Wettkampfsituationen genießen und wachsen eher über sich hinaus in Momenten, die weniger mutigen Sportlern große Sorge bereiten kann.“

Welchen Einfluss hat Mut im Wettkampf?

Haidn: „Nur mutige Sportler können gewinnen, weil nur sie ihr Handeln, also ihren Bewegungsablauf, kontrollieren können.“

Vennekamp: „Ängste bleiben immer im Hinterkopf und blockieren dadurch die positive Sichtweise. So kann die volle Leistungsfähigkeit nicht ausgeschöpft werden. Selbstbewusstsein und Mut sind für einen Athleten also unverzichtbar.“

Thrien: „Mut im Wettkampf ist ein toller Begleiter, um Drucksituationen genießen zu können und Risikomomente lieben zu lernen. Mut im Wettkampf schließt jederzeit mit ein, mit dem, was ich tue, zu scheitern. Mutige Sportler befassen sich ggf. nicht mit diesen „Negativ-Szenarien“, bzw. auch wenn sie das tun, hindert es sie nicht daran, Risiko einzugehen. Mut im Wettkampf bedeutet, die eigene Komfortzone zu verlassen und dahin zu wandern wo „the magic happens“.“

In welcher Phase eines Wettkampfes tut Mut gut?

Haidn: „In jeder Phase, denn jeder Schuss zählt.“

Vennekamp: „Ein einzelner schlechter Schuss macht den Wettkampf nicht schlecht. Wenn nun aber die Angst, den Fehler zu wiederholen, den Fokus einnimmt, fehlt die Konzentration bei den wichtigen Abläufen. Ohne Mut rutsch man nun schnell in einen Teufelskreis.“

Thrien: „Mut lässt sich nicht auf Wettkampfphasen aufteilen. Konstrukte wie Übermut und Risikowahn tut in keiner Phase gut. Mutig, selbstbewusst und mit Lust zu agieren, ist im Vergleich jederzeit ein sinnvoller Ansatz. Trainer nutzen gerne den Begriff des „Risikomanagements“. Diese Definition beschreibt den Gedanken, dass das gegangene Risiko zur Situationsanforderung passen muss. Führe ich hoch im Wettkampf, muss ich nicht ganz so viel riskieren, wie in einer Situation, in der ich unbedingt aufholen muss, um dranzubleiben. In dem Moment sprechen wir aber bewusst von „Risiko“ und nicht von Mut.“

Kann man Mut trainieren und wenn ja, wie?

Haidn: „Mut kann man nicht von einem Tag auf den anderen trainieren. So wie die Automatisierung des Bewegungsablaufs ist auch das "mutige Handeln" ein Prozess über viele Trainingsjahre und viele Wettkämpfe. Wichtig ist als Trainer, den Sportlern ihre Stärken immer wieder zu vergegenwärtigen, aber auch Situationen schaffen, in denen ein Überwinden gefordert ist. So haben wir vor ein paar Jahren beispielsweise Lisa Unruh ein Match vor der Polizeischule in Kienbaum (ca. 30 Teilnehmer ihrer Dienststelle) absolvieren lassen. Das war eine schwere Aufgabe. Die Vorbereitung – gerade im Kopf – für eine solche Situation hat lange davor stattgefunden. Hier hat sich Lisa schon einige Tools angeeignet. Der richtige Zeitpunkt des "Abforderns" war gerade soweit, dass es eben schwierig war. Ich habe gehofft, dass Sie das schafft. Und sie hat es gemacht. Lisa hat mit einer Zehn im Stechen das Match zu ihren Gunsten entschieden. Das Selbstbewusstsein hat einen Schub bekommen. Das war wichtig, aber natürlich auch riskant.“

Vennekamp: „Ich denke schon. Wenn man sich seiner Stärken bewusst macht und sein Selbstbewusstsein stärkt, hilft das in jedem Fall auch beim Sport und verbessert die Leistungsfähigkeit.“

Thrien: „Du kannst trainieren, wie es sich anfühlt Situationen zu erleben, die sich aufregend, unkontrolliert und auf ihre Weise überwältigend anfühlen. Passende Fragen sind dann: Wie verhalte ich mich dann? Was fühlt sich neu und ggf. unsicher an? Wie gelingt es mir, mit mehr Mut zu agieren. Im Nachgang lässt sich dann analysieren, was für Emotionen und Verhaltensweisen sich in dem Moment zeigen und wie sich diese regulieren lassen.“

Wie überwinden mutige Sportler ihre Ängste?

Haidn: „Durch das wiederholte erfolgreiche Absolvieren von herausfordernden Situationen.“

Vennekamp: „Vielen Sportlern hilft hier die Sportpsychologie. Mit verschiedenen Übungen, verschiedenen Sichtweisen und Denkanstößen lernt man dann die Situation von anderen Seiten zu betrachten.“

Thrien: „Generell betrachtend kann man sagen: Sie besitzen andere Bewertungsmuster. Ein Beispiel: Nervosität wird möglicherweise eher als hilfreicher Freund betrachtet, anstatt als gefährlicher Feind. Große Momente pushen diese Sportler, da sie einen so enormen inneren Antrieb besitzen unbedingt erfolgreich sein zu wollen. Sie „erlauben“ sich nicht, in den entscheidenden Momenten zu versagen.“

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