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DSB-Themenwoche: Negative Glaubenssätze erkennen und auflösen

24.02.2021 08:35

Sie sind tief verwurzelt, prägen das Unterbewusstsein und können über Sieg oder Niederlage entscheiden: Glaubenssätze. Denn nur wer als Sportler auch Kontrolle über seinen Geist hat, hat diese auch über seinen Körper.

Bild: DSB / Bereits im Kindesalter können sich negative Glaubenssätze wie "Ich kann das nicht" oder "Ich bin nicht gut genug" manifestieren.
Bild: DSB / Bereits im Kindesalter können sich negative Glaubenssätze wie "Ich kann das nicht" oder "Ich bin nicht gut genug" manifestieren.

Wenn der Körper müde ist und sagt „Es geht nicht mehr“, verlangt der Geist „Mach weiter“. Eine Willenskraft, die Sportler immer wieder benötigen, um Spitzenleistungen hervorzurufen. Positives Denken hat auch bei Triathlet Jan Frodeno den Schalter umgelegt. Gerade, wenn er in einem Wettkampf einen Hänger hatte, ihn die Automatismen verließen, griff er auf eine Superkraft zurück: Die Kraft der positiven Gedanken. Der Weltklasseathlet griff sich seine „Sahnestückchen“, wie er es in seiner Biografie nennt, heraus und erinnerte sich an die besten Szenen im Training und in seinen Wettkämpfen. Immer mit der Vorstellung: Was hat mich dort nach vorne gebracht? Er speichert diese Bilder und Emotionen in seinem Gedächtnis ab und holt sie hervor, wenn die negativen Gedanken, die nur Gedankenkraft kosten und aufregen, scheinen Überhand zu nehmen. Dieses Memory-Training hat ihm schon über das ein oder andere Tief gebracht: „Die Szenen, die du dir so oft wie möglich vor Augen führst, werden in deinem Kopf wahr. Es sind die positiven Glaubenssätze, die an die Stelle von Ängsten treten.“ Mit seiner Mentaltrainerin nimmt er vor den Olympischen Spielen in Peking 2008 deshalb ein Tape auf – eine Mischung aus autogenem Training und Hypnose – mit der Botschaft: „Ich will es! Ich kann es! Ich schaffe es!“ Jeden Tag hört er es sich nun vor dem Schlafengehen an. Und zwei Wochen vor den Spielen passiert etwas Erstaunliches: „Auf einmal – ich konnte es gar nicht fassen – habe ich das Rennen in meinem Unterbewusstsein gewonnen, musste in meiner Vorstellung erstmals auf der Zielgeraden niemanden mehr an mir vorbeiziehen lassen.“ Die neuen Glaubenssätze hatten ihn umprogrammiert. Es war der Grundstein zu seiner Goldmedaille, die er erst im Kopf und zwei Wochen später auf der Strecke gewann.

Glaubenssätze sind tief verankerte Überzeugungen, die etwas über den Selbstwert und die Beziehung zu anderen Menschen aussagen. Im Gegensatz zu „Ich werde geliebt“ oder „Ich bin es wert“, stehen oft Sätze wie „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich habe Angst zu Versagen“. Oftmals entstehen diese Glaubenssätze bereits in der Kindheit und verankern sich tief im Unterbewusstsein. Wenn ein Trainer sagt: „Du wirst es nie bis ganz nach oben schaffen“, kann dies tiefe Wunden beim Sportler und dessen Selbstwert verursachen und noch Jahre später Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit haben. Diese Glaubenssätze haben einen erheblichen Einfluss darauf, was man wahrnimmt, fühlt und wie man handelt. Man spricht dabei auch vom Sonnenkind (positive Glaubenssätze) und Schattenkind (negative Glaubenssätze).

Doch wie lassen sich nun diese negativen Glaubenssätze identifizieren? Und wie kann man sogar noch Energie daraus schöpfen? Folgende Übung soll dabei helfen:

  1. Man stelle sich Situationen mit seinen beiden engsten Bezugspersonen im Kindesalter vor (z.B. Mutter und Vater), die man als sehr negativ empfunden hat, in der man sich vernachlässigt, missverstanden oder gedemütigt empfand. Aufgeschrieben werden nun alle Eigenschaften, die man in dieser negativen Situation mit den beiden Bezugspersonen empfunden hat (z.B. kalt, desinteressiert, schwach).
  2. Nun gilt es zu identifizieren, welche Rolle man selbst in der Familie gespielt hat. Musste man jemanden stolz machen? Es geht darum, sich in eine Rolle hineinzufühlen, die man einnahm, in der man sich aber unwohl fühlte. Zudem werden typische Sprüche notiert, die einem dazu einfallen, wie „Du wirst nie so gut wie xy“, „Schau mal, wie fleißig xy trainiert“ oder „Aus dir wird nie etwas.“
  3. Aufgabe ist es nun, hineinzuspüren, was dieses Verhalten der Vertrauenspersonen in einem ausgelöst hat, die negativen Glaubenssätze zu ermitteln. Was wurden dadurch für innere Überzeugungen hervorgerufen? Bsp. für negative Glaubenssätze können sein: „Ich kann nichts“, „Ich bin ein Versager“, „Ich muss der Beste sein“, „Ich muss deine Erwartungen erfüllen“, „Das geht sowieso schief“.
  4. Alle Glaubenssätze werden nun aufgeschrieben, denn sie sind wie ein kleiner Virus auf dem Computer, also das Störprogramm.
  5. Jetzt sollte sich jeder noch einmal laut seine eigenen Sätze vorlesen. Man wird selbst bemerken, dass einen einige Sätze stärker berühren als andere. Diese gilt es zu identifizieren, denn sie sind die Kernglaubenssätze. Es sind vor allem die Glaubenssätze, die einen in Situationen schnell ausflippen lassen, bei denen man sich gekränkt fühlt oder für die man sich sehr schämt. Aber sie lassen einem am Ende besser verstehen, warum man wie in Situationen reagiert.

Diese negativen Glaubenssätze sind nun die Grundlage für das genaue Gegenteil. Ziel ist es, diese umzukehren. Das gelingt nicht, in dem man einfach ein „nicht“ zum Satz hinzufügt, denn das Gehirn kann dies schwieriger verarbeiten. Aufgabe ist es, die Übung von oben noch einmal durchzuführen, sich aber nun auf die positiven Situationen und Gefühle zu fokussieren. „Ich bin gut genug“, „Alles, was ich brauche, steckt bereits in mir“, „Ich bin nicht perfekt und das ist gut so“ oder „Ich kann das“ können Beispiele für positive Glaubenssätze sein.

Nun ist es noch wichtig, sich seiner Stärken und Werte bewusst zu werden, denn sie sind die Kraftquellen, um die Glaubenssätze auch wirklich zu verinnerlichen. Fairness und Hilfsbereitschaft sind Werte, die auch im Sport eine große Rolle spielen, genauso wie Wissenshunger, Disziplin und soziale Kompetenz.

Diese Bausteine gilt es, sich nun zu verinnerlichen, sich selbst immer wieder vor Augen zu führen, bis sie in unser Unterbewusstsein eindringen und sich dort verankern. Man stelle sich gedanklich Situationen vor, in denen diese Glaubenssätze wahr werden, z.B. bei einer neuen persönlichen Bestleistung oder beim gemeinsamen Training mit Freunden, und man sich seine Ressourcen hinzuholt und sie Kraft spenden. Wie fühlt man sich nun?

Wer seine Glaubenssätze identifiziert hat, kann sie nun auch als Sportler für sich nutzen. Egal, ob das wie bei Jan Frodeno mit einem aufgenommenen Tape erfolgt, einer kleinen Notiz auf dem Stativ zur Erinnerung oder einem großen Plakat am Trainingsstand. Spitzensportler zeigen: Wer den Fokus auf das Positive lenkt, der wird Positives anziehen.

Quellen:

Frodeno, J. (2018). Eine Frage der Leidenschaft. Mit Mut und Motivation zum Erfolg. München: Ariston.

Stahl, S. (2015). Das Kind in dir muss Heimat finden. Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme. München: Kailash Verlag.

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