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DSB-Themenwoche: Freunde fürs Leben - Wie uns das Vereinsleben zusammenschweißt

10.09.2020 13:20

Ein Wirtshaus im oberbayerischen 1200-Seelen-Dorf Niederbergkirchen ist gleichzeitig der Treffpunkt für rund 185 Schützen des Schützenvereins Gemütlichkeit Niederbergkirchen. Ein Ort, an dem gemeinsam gefeiert, gelacht und geschossen wird – und an dem Freundschaften fürs Leben entstehen, wie Vorstand Martin Kagerer im Interview erzählt.

Bild: Lisa Haensch / Nicht nur am Schießstand eine Einheit, sondern auch in Vereinstracht: Der SV Gemütlichkeit Niederbergkirchen.
Bild: Lisa Haensch / Nicht nur am Schießstand eine Einheit, sondern auch in Vereinstracht: Der SV Gemütlichkeit Niederbergkirchen.

Was war zuerst, die Freunde, die dann zum Verein dazukamen oder die Vereinskollegen, die zu Freunden wurden?
Kagerer: „Beides. Bei uns geht im Schüleralter jeder zu irgendeinem Verein und meistens geht man da hin, wo die Freunde auch hingehen. Bei mir war es das Schießen. Aber dort triffst du andere Leute, die irgendwann wiederum zu Freunden werden. Vereinsabende, Ausflüge, die Gesellschaft – das trägt alles dazu bei.“

Niederbergkirchen ist ein kleines bayerisches Dorf, in dem jeder jeden kennt und der Verein der Treffpunkt für viele ist. Ist das auch heute noch der Treffpunkt für deine Freunde?
Kagerer: „Auf alle Fälle. Das hat sich nicht verändert. Wenn jeder Familie bekommt und ein Haus baut, ändert sich das vielleicht einmal für eine Zeit, weil man dann oft nicht mehr so viel Zeit für den Verein hat, aber dem Verein bleiben trotzdem die meisten treu. Und auch nach einer kleinen Auszeit wird man dann genauso wieder aufgenommen wie zuvor. Das macht das Ganze aus. Es ist und bleibt eine Anlaufstelle für alle – ganz generationsunabhängig. Da machen auch 20 bis 30 Jahre Altersunterschied nichts zwischen der Freundschaft aus.“

Es ist und bleibt eine Anlaufstelle für alle – ganz generationsunabhängig.

Martin Kagerer, 1. Vorstand des SV Gemütlichkeit Niederbergkirchen

Sind diese Generationen übergreifende Freundschaften auch das besondere an den Freundschaften im Verein?
Kagerer: „Das ist mit Sicherheit bereichernd und das macht einen Verein auch aus. Wo hat man das sonst noch, dass man mehrere Genrationen an einen Tisch bekommt? Sportlich gesehen können ebenfalls Schützen miteinander schießen, die unterschiedlichen Alters sind und trotzdem miteinander befreundet sind. So habe ich dadurch Freunde kennengelernt, mit denen ich anders wohl nie zusammengekommen wäre.“

Bild: Lisa Haensch / Vorstand Martin Kagerer hat durch den Verein viele Freunde fürs Leben gefunden.
Bild: Lisa Haensch / Vorstand Martin Kagerer hat durch den Verein viele Freunde fürs Leben gefunden.

Auch in euren Rundenwettkampfmannschaften sind alle gut untereinander befreundet. Ist das die größte Motivationsspritze?
Kagerer: „Mit Sicherheit! Wir stacheln uns gegenseitig an, wer an dem Abend wohl das beste Ergebnis schießen wird, aber genauso wird zusammengehalten, wenn jemand nicht sein gewünschtes Ergebnis erbracht hat und ein anderer das vielleicht für ihn ausgebügelt hat. Es wird keiner an den Pranger gestellt, sondern es ist vielmehr schön, die Gemeinschaft zu sehen und gemeinsam eine Gaudi zu haben. “

Sind viele eurer Vereinsmitglieder auch außerhalb des Sports befreundet?
Kagerer: „Wir leben in einem Dorf – da ist das sicher noch einmal anders als in der Stadt – und in unserem Verein sind die Mitglieder vor allem auch aus Niederbergkirchen. Da ist es natürlich so, dass auch privat viel zusammen unternommen wird.“

Inwieweit tragen die Vereine aber trotzdem dazu bei, dass diese Freundschaften fürs Leben entstehen können?
Kagerer: „Gleiche Interessen, die Neugier, aber auch Neubaugebiete mit neuen Einwohnern ziehen Menschen an. Der Verein bringt dadurch Menschen zusammen, die sonst vielleicht nie zusammengefunden hätten.“

Ein hervorragendes Mittel zur Integration also…
Kagerer: „Der Verein ist ein Ort, an dem sich neue Leute in der Gesellschaft integrieren können, ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt wird, man mit Spaß am Vereinsleben teilnimmt und neue Freunde findet – auch außerhalb des Vereins. Wir haben ein schönes Beispiel, denn vor zwei Jahren kam ein kleiner Junge mit chinesischen Wurzeln zu uns in den Verein, der erst mit seinen Eltern in die Nähe gezogen ist, durch das Internet auf uns aufmerksam wurde und bei uns das Schießen anfangen wollte. Es hat keine zwei Schießabende gedauert, da hatte er sich bereits mit unseren Schülern angefreundet, obwohl sie sich noch nie vorher gesehen hatten.“

In eurem Verein finden viele Aktivitäten statt, die Freunde miteinander unternehmen können: Vom Schießabend über die italienische Nacht bis hin zum Schützenball. Wie wichtig sind diese Vereinsaktivitäten, um Freundschaften entstehen zu lassen und zu fördern?
Kagerer: „Sehr wichtig! Dort sieht man, was jeder kann, welche Begabungen jeder Einzelne hat und man lernt voneinander. Gerade während COVID-19 merkt man, dass dieser große Baustein abgeht. Die Gesellschaft, die Freundschaft leidet darunter sehr. Das ist vielen vielleicht noch gar nicht so bewusst. Man redet immer viel über die Arbeit, die an den Festen dran hängt, aber nun, wo sie in Moment nicht mehr stattfinden können, merkt man, dass es fehlt. Vielleicht ist es auch nicht schlecht, um besser zu begreifen, was das alles wert ist. Das ist mir auch selbst in dieser Zeit bewusst geworden. Jeder hat einen vollen Terminkalender und trotzdem freut man sich auf das Treffen mit den Freunden am Abend im Verein. Das alles fehlt im Moment. Die Freunde fehlen.“

Im Verein braucht es viele Hände, wenn es darum geht Feste auszurichten, den Verein am Laufen zu halten. Ist Freundschaft dafür die wichtigste Basis?
Kagerer: „Wenn Freundschaft nicht die Grundlage des Ganzen wäre, dann wäre eine Zusammenarbeit nicht möglich. Bei unserer italienischen Nacht müssen 64 Personen zusammen arbeiten, wenn da einer den anderen nicht mögen würde, dann könnte man ein solches Fest nicht ausrichten. Klar ist nicht jeder mit jedem befreundet, aber jeder hilft jedem. Es ist schade, wenn ein Verein kein Fest hat, denn diese sind unglaublich wichtig für den Teamgeist.“

Was ist das Besondere an den Freundschaften in einem Verein, die man durch den Sport kennenlernt?
Kagerer: „In einem Schützenverein wie bei uns ist man meist sein Leben lang. Junge Gesichter kommen, andere gehen, aber eigentlich lernt man ständig neue Freunde kennen.“

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