Bundesliga

Bundesliga: Vereine zwischen Tradition und Spitzensport

07.11.2018 12:23

Die SG Eichenlaub Saltendorf musste sich zuerst die richtige Basis schaffen, um am Ende als zweimaliger Deutscher Vizemeister im Luftgewehr zu den besten Vereinen Deutschlands zu gehören. Schützenmeister Robert Senft und Nationalkaderschützin Julia Simon erzählen, wie sie die richtige Balance zwischen Tradition und Spitzensport in ihrem Verein finden.

9,9! Ein Raunen geht durch die Menge. Isabella Straubs letzter Schuss eröffnet die Chance für Julia Simon. Noch fünf Zehner müssen her, um ins Stechen zu kommen. Ein Stechen, das in der Bundesliga für Saltendorf über Sieg oder Niederlage entscheidet.

Schritt für Schritt an die Spitze

Seit sie 14 Jahre alt ist, schießt die heute 27-jährige Julia Simon in Saltendorf und wagte sich mit diesem Verein Schritt für Schritt an den Spitzensport heran. Sie selbst gab den Anstoß dazu, es einfach einmal zu probieren. „Ich wollte unbedingt mit meinem damaligen Freund einmal Bundesliga schießen“, erzählt Simon ihre eigene Geschichte, „dann sind wir zu Robert gegangen und er hat gesagt: ‚Schaut euch das an‘“. Ein Mut, der sich über zehn Jahre später durch den deutschen Vizemeistertitel im vergangenen Jahr ausgezahlt hat.

Tradition trifft auf Spitzensport

Die Basis für all diesen Erfolg liefert aber etwas anderes, wie Robert Senft, Schützenmeister der SG Eichenlaub Saltendorf, erklärt: „Die Tradition ist unsere Basis. Der Sport ist aus der guten Jugendarbeit gewachsen. Wir sind immer wieder aufgestiegen, bis wir so gut waren, dass wir uns sogar einen Ausländer geholt haben. Ab dann wurden wir richtig stark.“ Was sich leicht anhört, braucht jedoch Zeit. „Das ist nicht alles auf einmal gegangen, sondern langsam gewachsen“, beteuert Senft. Heute trifft sich das Team mindestens einmal die Woche zum Training im Vereinsheim, denn sich dort regelmäßig sehen zu lassen, ist ihnen besonders wichtig. Trainer Senft sieht den Vorteil: „Wenn unsere jungen Schützen Julia oder Claudia (Brunner, Anm. d. Red.) im Stand trainieren sehen, dann beflügelt sie das, denn die beiden haben eine echte Vorbildfunktion.“ Aber wer denkt, man treffe Juli Simon nur am Schießstand hat falsch gedacht: „Es ist uns wichtig, dass wir keine komplett fremde Mannschaft sind, die ihr Ding macht, sondern, dass wir Leute sind, die auf Festen mithelfen, die am Vereinsleben teilnehmen und die mit dazu gehören.“ Und so trifft man die Spitzenschützin, die in diesem Jahr erstmals international antrat und an WM, EM und Weltcups teilnahm, ebenso auf denen vom Verein veranstalteten traditionellen Schützenumzügen, Trachtenbällen oder gemeinsamen Essen oder einfach hinter der Schanktheke, wo sie mitanpackt, um sonntags die Kartenspieler zu bewirten. „Das will unser Verein sehen, dass Julia bei uns einmal bedienen muss“, erzählt Senft und fügt hinzu: „Und wenn das nicht wäre, würde ganz schnell eine Spaltung entstehen. Bei uns gibt es keine Starschützen oder ein einfaches Mitglied. Jeder ist gleich.“

Die Team-Philosophie

Diese Philosophie helfe vor allem Barrieren abzubauen. Um die Verbindung zwischen Tradition und Spitzensport noch weiter zu stärken, hat sich der Verein auf die Fahne geschrieben, mindestens drei der fünf Positionen des Liga-Teams aus langjährigen Vereinsschützen zu besetzen. „Wenn wir das nicht mehr schaffen, dann steigen wir lieber ab“, lautet die Devise von Senft. Diese starke Gemeinschaft im Verein, die dadurch entsteht, lobt auch Schützin Julia Simon: „Wenn man sieht, dass der ganze Verein hinter einem steht, ist das ein Wahnsinnsgefühl.“ Selbst wenn nicht immer alle Fans mit vor Ort sein können, wisse sie ganz genau, dass zu Hause vor dem Liveticker die Daumen gedrückt werden und es „für sie zum Zuschauen mindestens so schlimm ist, wie selbst zu schießen“. Und auch beim Auf- und Abbau des Heimkampfes zeigt sich der Zusammenhalt des Verein, wenn mindestens 50 Helfer mit anpacken.  Für die jungen Schützen ist der Bundesligaheimkampf  wiederum nicht nur „das Highlight“, sondern auch ein Anreiz, betont die Nummer Eins des Saltendorfer Teams, Julia Simon: „Sie feuern uns an und wollen selbst einmal dorthin.“

Finanzen: „Eine Win-Win-Situation für alle“

Inzwischen hat sich der Verein aus Saltendorf zum Aushängeschild der Stadt Teublitz gemausert. Das helfe vor allem bei der Finanzierung der Liga, so Senft. Während der Verein die Startgebühr und Kaution bezahlt, fließen wiederum die Einnahmen des Bundesliga-Heimkampfes in die Vereinskasse. Die restlichen Kosten versucht die Bundesliga-Mannschaft durch Sponsoren abzudecken. Das Ganze ist vom Schützenmeister gut durchdacht: „Anders hätte man im Verein kein Verständnis, wenn man für eine Mannschaft auf einmal 10.000 Euro erwirtschaften müsste.“ Er betrachte dies als „Win-Win-Situation“ für alle und „ wenn wir eine so starke Mannschaft haben, ist der ganze Verein stolz darauf“.

Weniger Neid, mehr Miteinander

Um auch künftig auf eine starke Mannschaft bauen zu können, ist es wichtig, immer wieder neue Talente zu fördern. Während früher Vereine oft angefeindet wurden und in der Kritik standen, sobald Talente zu einem anderen Verein wechselten, sieht Senft aus Trainersicht in den letzten Jahren eine Veränderung: „Früher war der Neid sehr hoch, wenn ein Schütze gewechselt ist – anders als bei Fußballvereinen, wo das gang und gäbe ist. Aber ich muss sagen, das hat sich gebessert. Man sieht, dass der Leistungssport mehr ins Schützenwesen einzieht.“ Auch Julia Simon hat durch ihre frühen Kontakte zu langjährigen Nationalkaderschützen, wie beispielsweise Yvonne Jäkel, profitiert und bezieht zu diesem Thema klar Stellung: „Nur, wenn du einmal andere Vereine ansiehst, mit anderen Spitzenschützen zusammenkommst, dir von ihnen Tipps holst und dir etwas abschauen kannst, wirst du weiter kommen. Nur durch diese neuen Kontakte, hat man die Chance, sich weiter zu entwickeln.“ Deshalb versuche der Verein vor allem, langfristig Schützen aufzubauen, im Verein zu integrieren und ihnen den letzten Schliff zu geben, um eines Tages wie Julia Simon, um den Sieg in der Bundesliga zu kämpfen.

Dort leuchtet es gerade rot auf dem Bildschirm von Simon auf – eine sichere Zehn. Sie hat es durchgezogen und sich mit 397:397 Ringen ins Stechen um den Sieg gekämpft. Ein schmaler Grat herrscht nun in den nächsten 50 Sekunden zwischen Held und Loser. Straub gibt als Erste ihren Schuss ab – eine Neun. Kurz darauf schießt auch Simon – es leuchtet wieder rot auf. Der Jubel ihrer Mannschaft und der Fans tönt durch die Halle, denn dieses Mal ist es nicht nur eine Zehn von vielen – es ist der Treffer zum Sieg.