Bundesliga

Bundesliga Luftgewehr/Luftpistole: „Es war die schwerste sportliche Entscheidung, die dieses Jahr gefallen ist!“

30.09.2020 10:55

Die Absage der Saison 2020/21 in der Bundesliga Luftgewehr/Luftpistole schlägt hohe Wellen in Schützenkreisen. Maren Prediger, Bundesligaschützin für den SV Petersaurach, Athletensprecherin der Bundesliga Luftgewehr Süd und somit stimmberechtigtes Mitglied des Ligaausschusses, erklärt im Interview, wie es zu der Entscheidung kam und wie es ihr dabei geht.

Foto: Sven Körper / Bundesligaschützin Maren Prediger stimmte im Ligaausschuss gegen die Durchführung der Bundesliga.
Foto: Sven Körper / Bundesligaschützin Maren Prediger stimmte im Ligaausschuss gegen die Durchführung der Bundesliga.

Die Entscheidung, die Bundesligasaison 2020/21 abzusagen, sorgt für viel Aufruhr in der Schützen-Szene. Hast du Verständnis dafür?
Maren Prediger: „Auf jeden Fall! Ich bin mir auch immer noch nicht sicher, ob das gut oder schlecht war, wie wir entschieden haben. In den sozialen Medien ist die Verwunderung darüber sehr hoch, weil sich natürlich in erster Linie die Leute äußern, die für eine Durchführung gewesen wären. Alle, die für eine Absage waren, sind vorerst erleichtert und melden sich nicht. Deswegen schlägt das aktuell so hohe negative Wellen. Das ist eine riesige Entscheidung, weil wir den Sportlern die Gelegenheit genommen haben, Wettkämpfe zu schießen. Ich habe selten etwas Komplexeres erlebt und ich habe Chemie studiert. Deswegen begrüße ich es auch, dass wir dieses Interview führen, um diese Entscheidung und die Hintergründe zu erklären.“

Du schießt aktuell in der 2. Bundesliga Süd für Petersaurach und sitzt auch in dem Ligaausschuss und vertrittst die Luftgewehr-Aktiven des Südens. Wie hast du gestimmt und warum?
Maren Prediger: „Ich habe für die Absage gestimmt. Ich habe eine Abfrage gemacht bei den Sportlern der Vereine, denn ich vertrete in dem Ausschuss die Meinung der Athleten und nicht meine eigene – ich hätte z.B. sehr gerne die Bundesliga geschossen. Ich habe meine Kontakte in der 1. Bundesliga angesprochen und – da ich in der 2. Bundesliga noch nicht so gut vernetzt bin – ein Video mit der Bitte auf Social Media veröffentlicht, sich bei mir zurückzumelden. Sieben Teams aus der Bundesliga und vier Mannschaften aus der 2. Bundesliga haben sich gemeldet, zudem habe ich noch mit elf weiteren Sportlern kommuniziert. Das Stimmverhalten bei meinen Athleten war sehr ausgeglichen, vielleicht 49%:51%. Der Grund, warum ich für eine Absage gestimmt habe, ist, dass ich mich mit den drei anderen Vereins- und Athletenvertretern Süd abgestimmt habe. Dort gab es das überwiegende Votum für die Absage. Wenn wir für die Durchführung gestimmt hätten, wäre uns der Süden auf den Deckel gestiegen.“

Es ging umkämpft zu, weil sich auch alle die Fragen stellten: Was tun wir der Liga und dem Sport an? Was tun wir, wenn Corona nächstes Jahr immer noch da ist?

Maren Prediger, zur Stimmung und Situation in der Ligaausschuss-Sitzung

Was waren die größten Bedenken der Sportler?
Maren Prediger: „Die persönliche Situation! Beispielsweise, dass Personen zu Hause in Gefahr gebracht werden. Es hieß eigentlich immer: ,Für den Verein würde ich das machen, obwohl ich das eigentlich nicht möchte.‘ Im Süden gab es vor allem die fehlenden Punkte der Planungssicherheit und das Thema des Arbeitgebers mit der Gefahr einer zweiwöchigen Quarantäne. Es war also so, dass die Schützen überwiegend aufgrund der privaten und beruflichen Situation nicht antreten wollten, um aber ihre Mannschaft nicht zu enttäuschen und im Stich zu lassen, es gemacht hätten. Weil die bisherige Regelung bei einer Liga-Durchführung gewesen wäre, dass eine Mannschaft, die nicht antritt, absteigt. D.h. die Leute wären gezwungen worden, sich in einer Pandemiesituation an Wettkämpfen zu beteiligen, an denen sie nicht teilnehmen möchten. Die andere Hälfte sagte, wir haben kein Problem und wir wollen schießen.“

Foto: DSB / Das Bundesligafinale 2021 wird nicht stattfinden.
Foto: DSB / Das Bundesligafinale 2021 wird nicht stattfinden.

Hat dich das Stimmungsbild bzw. die klare 10:5-Abstimmung gewundert?
Maren Prediger: „Das hat mich gewundert. Es ging umkämpft zu, weil sich auch alle die Fragen stellten: Was tun wir der Liga und dem Sport an? Was tun wir, wenn Corona nächstes Jahr immer noch da ist? Meine persönliche Meinung ist, dass so viele Ressourcen und gute Ideen vorliegen, dass nichts dagegen spricht, die geplanten Veranstaltungen an einigen Standorten durchzuführen. Nur eben nicht als Bundesliga, d.h. ohne Auf- und Absteiger und Titelträger. Letztendlich mussten wir eine Entscheidung treffen: Schwarz oder Weiß, Durchführung oder Nicht-Durchführung. Leider gab es keine anderen Szenarien.“

Gab es ein Nord-Süd-Gefälle im Ligaausschuss?
Maren Prediger: „Komplett. Das war Anfang des Jahres genau andersherum. Seit der ersten Sitzung im Mai hat sich das Bild um 180 Grad gedreht. Am Anfang waren es die Nord-Vereine, die nicht schießen wollten – von dort kamen die Anträge, die Liga abzusagen. Jetzt hat der Süden gesagt, wir schaffen das nicht. Es gibt Situationen, da darf ein Pistolenschütze nicht zum Mannschafts-Training, weil das in einem anderen Landkreis liegt, und nach einer Auswärts-Fahrt nach München dürfte er danach nicht mehr zur Arbeit kommen. Es gab Ausrichter im Süden, die von ihren Gesundheitsämtern keine Genehmigung für ihre Hygienekonzepte bekommen haben. Im Norden ist die Situation anders, dort liegen sehr gute Konzepte und Genehmigungen vor – aber die Vorschläge zu Kompromissen wurden nicht angenommen.“

Ein Kompromiss bzw. Vorschlag von Vizepräsident Gerhard Furnier lautete, Wettkämpfe als Fernwettkampf durchzuführen. Warum fand das keinen Anklang?
Maren Prediger: „Es wurde nicht angenommen, weil nach Meinung der Beteiligten die Art und Weise dieser Durchführungsart nicht funktioniert hätte.“

Befürchtest du jetzt einen Imageschaden für die Bundesliga und den Schießsport generell?
Maren Prediger: „Das ist eine sehr gute Frage. Direkt danach dachte ich, dass es keinen Imageschaden gibt, wenn sich die Vereine und Schützen hinsetzen und etwas daraus machen. Momentan denke ich, dass es für die bisherige Bundesliga einschneidend sein könnte. Es kann auch eine Chance sein, ohne Druck und mit mehr Freude wieder an die Schießlinie zu gehen. Bundesliga ist natürlich ein tolles Format, das ein hohes Ansehen international genießt. Es gibt in dieser schwierigen Zeit aber auch andere Beispiele wie das digitale Format von den Indern, die eine phänomenale Arbeit für eine internationale Liga machen. Da sieht man, wie der Sport auch in dieser Krise vorangebracht werden kann.“

Kritiker sagen, der Ligaausschuss hättet nur die Bundesliga im Blick gehabt, nicht aber die darunter liegenden Ligen...
Maren Prediger: „Wir sind der Ausschuss für die 1. und 2. Bundesliga, deshalb kann ich auch nur die Situation dieser Ligen bedenken und darüber abstimmen. Es ist faktisch nicht meine Aufgabe und die des Liga-Ausschusses, über die Situation der darunter liegenden Ligen zu entscheiden. Was sich für diese geändert hat: Es kann keinen Aufsteiger in die 2. Bundesliga geben, alles andere können die kreativen Köpfe in den Liga-Leitungen ändern und machen. Natürlich gibt es die Vorbildfunktion der Bundesliga, aber es ist faktisch nicht unsere Aufgabe.“

Du und dein Verein SV Petersaurach hattet sicherlich vor, direkt wieder aufzusteigen. D.h. die Absage trifft vor allem auch dich persönlich, oder?
Maren Prediger: „Ich habe nicht in meinem eigenen Interesse gehandelt. Es wäre meine 15. Bundesliga-Saison gewesen und ich wollte nach der Saison die Liga an den Haken hängen. Ich hätte gerne die Mannschaft noch einmal in die 1. Bundesliga gebracht – vielleicht nutzen wir unseren Heimwettkampf auch dazu, einen ligaähnlichen Wettkampf zu schießen.“

Wie fällt dein Fazit aus?
Maren Prediger: „Es war die schwerste sportliche Entscheidung, die dieses Jahr gefallen ist. Ich merke selbst, dass ich zwiegespalten bin. Ich habe großes Verständnis für beide Seiten. Viele Schützen wollen schießen, keiner will seinem Team und seinem Verein etwas Schlechtes tun. Wir müssen aber unsere Sportler schützen und dürfen sie nicht zwingen, gegen ihren eigentlichen Willen und mit einem schlechten Gefühl an den Stand zu gehen. Wir lieben alle den Schießsport und sind kreative Menschen und müssen deshalb das Beste daraus machen.“