Tradition
Das Schützenwesen - Entwicklung über Jahrhunderte, erhalten bis heute
Das Schützenwesen ist eine der wenigen kultur- und sozialgeschichtlichen Erscheinungen, die sich über viele Jahrhunderte hinweg kontinuierlich entwickelt und bis heute erhalten haben. Es ist ein wichtiger, historisch gewachsener und lebendiger Teil der regionalen bzw. lokalen Identität. Das Schützenwesen umfasst eine große Anzahl von Bräuchen und Traditionen, die in ganz Deutschland in zahlreichen unterschiedlichen Erscheinungsformen verbreitet sind. Es handelt sich um ein bürgerliches Brauchtum, das im Rahmen einer Vereinszugehörigkeit von Menschen jeden Alters und Geschlechts unabhängig von religiösem Bekenntnis, sexueller Orientierung, Herkunft, sonstiger individueller Ausrichtung oder körperlicher Behinderung ausgeübt wird.
Ein großer Teil des Schützenbrauchtums bezieht sich auf die Verhaltensweisen, Rituale und Gewohnheiten der Schützen in den mittelalterlichen deutschen Städten, aus denen die Schützengesellschaften hervorgegangen sind. Im Mittelpunkt stehen die Schießübungen bzw. Wettbewerbe, allen voran das Vogel- und Königschießen, das im Rahmen des Schützenfestes durchgeführt wird. Traditionelle Module, in die das Königschießen eingebettet ist, sind u.a. das Abholen des (alten) Schützenkönigs, der Festzug durch die Stadt/Gemeinde mit allen beteiligten Vereinen und das abschließende Königsmahl. Die Schützen eines Vereins treten in einheitlicher Schützentracht auf, tragen Vereinsabzeichen und verfügen über eine Fahne, um die sich wiederum diverse Bräuche gruppieren.
Weitere Schützenbräuche haben sich im Lauf der Zeit in den einzelnen Schützengesellschaften selbständig entwickelt. Sie spiegeln regionale Eigenheiten und Mentalitäten und sind von einem unerschöpflichen Facettenreichtum.
Schützenbräuche und Traditionen werden in erster Linie von den Landesverbänden und den Vereinen, Gesellschaften, Gilden und Bruderschaften gepflegt. Der Deutsche Schützenbund leistet Hilfestellung bei grundsätzlichen Fragen zu Geschichte und Kulturgeschichte, Tradition und Bräuchen, bei der Erstellung von Chroniken, Verbands-, Kreis- und Vereinsfestschriften.
Die Verzierungen der alten Waffen, die Kunst der Scheiben- und Porträtmalerei, der Fahnenstickerei und Trachtenhersteller sowie die Kreativität der Juweliere und Goldschmiede haben seit dem Mittelalter die bürgerliche Kunst und die Volkskunst in Deutschland in vielfältigen Formen bereichert. Die Schützengesellschaften erbringen einen enormen materiellen und ideellen Einsatz, um die Zeugnisse der Vergangenheit zu bewahren und der Gemeinschaft zugänglich zu machen. In der Weitergabe von Überlieferung, in der Pflege von Tradition und Brauchtum in Stadt und Land sehen die Schützengesellschaften und Bruderschaften einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Erbes und zur Verbindung zwischen den Generationen.
Hinzu kommt als gleichsam ideelle Tradition das besondere Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft, das in der lebenswichtigen Dienstleistung der Schützen für die kommunale Einheit wurzelt und heute noch Selbstanspruch der Schützenvereine ist.
Der Deutsche Schützenbund verfügt in seiner Bundesgeschäftsstelle über ein umfangreiches Archiv und eine große Bibliothek zum Schützenwesen, auf die die Mitglieder nach Absprache jederzeit zugreifen können. Auf Schloss Callenberg bei Coburg präsentiert er seit 2004 seine facettenreiche Geschichte im Deutschen Schützenmuseum.
Im Zentrum des Schützenbrauchtums steht das Schützenfest mit dem Königschießen, dem Festzug und der Königsfeier bzw. dem Schützenball. Abläufe, einzelne Rituale und Utensilien können dabei regional stark unterschiedlich sein, gehen aber oft auf jeweils altüberlieferte Festlegungen zurück.
Eine sehr alte, noch heute in ganz Deutschland verbreitete Form zur Ermittlung des Schützenkönigs ist das Vogelschießen: Ein aufwändig gestalteter, auf einer 20 bis 30 Meter hohen Stange befestigter Holzvogel wird von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit Hilfe einer Armbrust und abgeflachten Bolzen Stück für Stück heruntergeschossen. Die klassische Wertung bestimmt denjenigen Schützen zum Sieger, der das letzte Stück herunterholt, egal wie groß es ist. Die Redewendung „Er/Sie hat den Vogel abgeschossen“ als Metapher für eine herausragende Leistung, geht auf dieses Ritual zurück.
In vielen Vereinen wird das Königschießen heute aus praktischen und Sicherheitsgründen horizontal auf eine Zielscheibe ausgetragen, auch mit Kleinkaliber- und Luftdruckwaffen. In jedem Fall aber erhält der Schützenkönig/die Schützenkönigin die Königskette, die ein Jahr bis zum nächsten Königsschießen in seinem Besitz bleibt und zu der er/sie ein weiteres Glied in Form einer Münze oder Medaille hinzuzufügen hat. Die teilweise sehr umfangreichen Schützenketten älterer Vereine sind ebenso wie die zum „Königstrunk“ gereichten Becher und Pokale oft Meisterwerke der ansässigen Gold- und Silberschmiede, von hohem materiellem und kunsthistorischem Wert und werden zwischen den Schützenfesten in Banktresoren oder in kommunalen Museen aufbewahrt und – idealerweise – dort auch ausgestellt.
Auch der seit dem Mittelalter belegte Umzug ist ein obligatorischer Bestandteil des Schützenfestes. Besonders im Rheinland wird dabei auch die Tradition des Fahnenschwenkens ausgeübt.
Das Königschießen ist Anlass zur künstlerischen Gestaltung hölzerner Zielscheiben, die der Schützenkönig in Auftrag zu geben hat und die die Räumlichkeiten der Schützenhäuser verzieren.
Feste Bestandteile des Schützenbrauchtums, Identität- und Gemeinschaft stiftende Elemente sind Schützentracht und Vereinsfahne. Bei offiziellen und feierlichen Anlässen, besonders bei den Festzügen getragen, sind der Fantasie bei ihrer Gestaltung keine Grenzen gesetzt, sodass die Schützenfahnen und Schützentrachten einen einzigartigen Bilder- und Symbolreichtum zeigen.
Die Öffentlichkeit kennt „das Schützenfest“ meist als einwöchige Kombination von Rummelplatz und Bierzelt. Das klassische Schützenfest als altes Kernritual der Schützen folgt einem festgelegten Ablauf, dient als Einladungsveranstaltung dem geselligen Austausch mit Schützinnen und Schützen aus anderen Städten und Orten, zu dem die Bevölkerung der ausrichtenden Stadt und sonstige Gäste Zugang haben.
Weitere Schützenbräuche sind u.a.:
Unter der Regie des Deutschen Schützenbundes fanden bzw. finden folgende traditionelle, Brauchtum praktizierende Veranstaltungen statt:
Zahlreiche Vereine (auch Landesverbände und ihre Unterorganisationen) im Deutschen Schützenbund pflegen traditionelle Schießsportarten mit traditionellen oder modernen Waffen.
Dazu gehören unter anderem:
Da diese Schießwettbewerbe auf zum Teil mündlich überlieferten, jahrhundertealten und regional höchst unterschiedlichen Bräuchen beruhen, gibt es für sie kein einheitliches Regelwerk. Die Ausschreibung eines traditionellen Schießens ist deshalb zwar dem Veranstalter überlassen, sie enthält jedoch eine ebenso detaillierte und verbindliche Schießordnung, wie sie bei allen anderen sportlichen Wettkämpfen vorgeschrieben ist.
Der Deutsche Schützenbund führt das Bundeskönigsschießen durch. Es findet im jährlichen Wechsel beim Deutschen Schützentag oder bei einer besonderen Veranstaltung in einem der Landesverbände statt. Teilnehmer sind die Schützenkönige und Schützenköniginnen der Landesverbände. Auf die gleiche Weise wird der Bundesjugendschützenkönig bzw. die Bundesjugendschützenkönigin ermittelt.
Im Rahmen des Münchener Oktoberfestes finden die Deutschen Meisterschaften im traditionellen Armbrustschießen nach nationalen Bedingungen statt. Es wird horizontal auf die Scheibe und vertikal auf den Stern geschossen. Es gibt eine Kombinations- und eine Mannschaftswertung.
Die Sportordnung des Deutschen Schützenbundes regelt die Durchführung der Deutschen Meisterschaften im traditionellen Bereich. Sie gibt ebenfalls allgemeine technische und sportliche Richtlinien für das Adler- und Königsschießen für Vereine und Verbände, die traditionelles Schießen in ihr Veranstaltungsprogramm aufnehmen wollen.