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Die Wettkampf-Apotheke: Ein mentales Mittel für jeden Notfall

05.11.2020 09:44

Kein Wettkampf verläuft krisenfrei, nur richtig gute Athleten wissen meistens, wie sie sich bei unvorhergesehenen Situationen am besten selbst verarzten. Was also tun, wenn man auf einmal eine mentale Blockade hat? Wenn einen die Angst vor dem Versagen übermannt? Oder die Beine auf einmal zu schlottern beginnen?

Bild: DSB / Claudia Verdicchio-Krause geht mit ihren Sportlern viele verschiedene Situationen durch, um mit ihnen eine Wettkampf-Apotheke aufzubauen.
Bild: DSB / Claudia Verdicchio-Krause geht mit ihren Sportlern viele verschiedene Situationen durch, um mit ihnen eine Wettkampf-Apotheke aufzubauen.

Um auf diese Situationen als Trainer und Sportler vorbereitet zu sein, ist es hilfreich, sich diese Problemsituationen bereits im Vorfeld einmal vorgestellt zu haben und bereits eine Lösung in der Schublade zu haben, die man nur noch herausziehen muss. „Für mich war das immer meine Werkzeugkiste, die sich in den 23 Jahren auch weiterentwickelt hat“, erzählt die Junioren-Bundestrainerin Pistole, Claudia Verdicchio-Krause, von ihrer aktiven Zeit als Sportlerin. „Vor allem am Anfang gilt es, einfach diese Wettkampf-Apotheke aufzufüllen. Ich habe mir alles in ein Buch aufgeschrieben und es im Wettkampf neben mich gelegt. Je öfter du das liest, desto mehr geht es in dein Gedächtnis und funktioniert. Das hilft dir, ruhiger und sicherer zu werden.“

Deshalb setzt sie auch heute noch auf situatives Training, in dem sie vor großen Wettkämpfen mit ihren Schützlingen Situationen wie Waffendefekte und Standwechsel trainiert. „Man hat immer nur dann Angst, wenn man nicht weiß, wie man auf Situationen reagieren soll. Die Aufgabe eines Trainers ist es deshalb, den Sportler daraufhin zu trimmen, dass er auch ohne einen Plan in der Wettkampfkiste eine Lösung findet. Alles, was man im Vorfeld ansprechen kann, spricht man deshalb an“, erklärt Verdicchio-Krause ihr Vorgehen. Sie selbst habe als Sportlerin am Anfang Angst gehabt, bei großen Wettkämpfen nicht das umsetzen zu können, was sie konnte und wollte vor allem Trainer, Eltern und den Verein nicht enttäuschen. Aber immer wieder habe sie sich ihrer Angst gestellt, sich auf diese Wettkampf-Apotheke bzw. ihre Wettkampfkiste zurück erinnert und „dann ist es gelaufen“.

Man hat immer nur dann Angst, wenn man nicht weiß, wie man auf Situationen reagieren soll.

Claudia Verdicchio-Krause, Junioren-Bundestrainerin Pistole

Wie baue ich mir meine Wettkampf-Apotheke?

Um seine Wettkampf-Apotheke zu füllen, bespricht man am besten in der Gruppe gemeinsam mögliche schwierige Situationen und Lösungsmöglichkeiten, so dass man sich gegenseitig inspirieren kann. Was ist, wenn an diesem Tag starker Wind geht? Wie gehe ich mit Lärm beim Wettkampf um? Was, wenn mir jemand noch einen blöden Spruch mit auf den Weg gibt? Wie verhalte ich mit bei Streit im Team? Entspannungsübungen, eine persönliche Siegformel oder ein motivierender Satz können helfen, Probleme frühzeitig aus dem Weg zu schaffen und sich wieder aufs Wesentliche zu fokussieren. Die Junioren-Trainerin weiß, warum das so wichtig ist: „Eine Situation, die man schon einmal real oder mental durchgespielt hat, ist eine Situation, die ich schon einmal erlebt habe. Dadurch, dass es bereits etwas Bekanntes ist, kommt keine Angst oder Panik auf.“

Wichtig ist, all die Strategien auf einem Blatt Papier zusammenzufassen, so dass man sie jeder Zeit griffbereit hat, wenn es nötig ist. Was sind die mental schwierigen Situationen im Wettkampf? Wie gehe ich damit um? Und wie bewerte ich nach ein wenig Training die auserwählte Strategie. Eine Übung, die nicht nur für Anfänger geeignet ist: „Ich habe diese Zettel auch schon von Olympiasiegern gesehen.“

Doch dass vor allem junge Sportler Angst vor großen Wettkämpfen bekommen, sei für sie nichts Ungewöhnliches. Für Verdicchio-Krause zählt dabei, ihnen klar zu machen: „Du hast dich hierfür qualifiziert, das zeichnet dich aus. Dafür machen wir das Ganze, weil wir die Herausforderung wollen, also müssen wir uns auch unseren Ängsten stellen. Sonst könnte es ja jeder. Das ist, was Leistungssport ausmacht.“ Am Ende komme es aber dann darauf an, wie jeder Einzelne mit seiner Angst umgehe.

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