Allgemeines

DSB-Themenwoche: Erfolgreich im Sport: So kommt man an sein Ziel

21.09.2020 08:48

Als Sportler wird man immer wieder gefragt: Was ist dein Ziel? Was willst du erreichen? Aber nur die wenigsten können es auch wirklich konkret benennen – so ganz ohne Floskeln. Wie definiere ich ein Ziel richtig? Warum brauchen Sportler Ziele? Und warum sollte man seine Ziele tagtäglich visualisieren?

Bild: ISSF / Für Top-Schützen wie Christian Reitz zählt eine Teilnahme oder Medaille bei den Olympischen Spielen zu den größten Zielen.
Bild: ISSF / Für Top-Schützen wie Christian Reitz zählt eine Teilnahme oder Medaille bei den Olympischen Spielen zu den größten Zielen.

Wenn man sich mit seinen persönlichen Zielen beschäftigt, wird man auch immer wieder mit einem anderen Wort konfrontiert: Motivation. Denn wer seine Ziele gut kennt, der kann sich durch entsprechende Bilder, Metaphern oder Sätze zu Höchstleistungen motivieren. „Der Weltklasse-Tennisspieler Roger Federer sollte als 15-Jähriger im Tennisinternat seine sportlichen Ziele aufschreiben. Während seine Mitschüler Sätze formulierten wie „Berufsspieler werden“ oder „unter die ersten 100 der Weltrangliste vorstoßen“, schrieb Roger Federer: „In die Top Ten kommen und dann die Nummer Eins werden“ (Weltwoche, 2007). Ein ganz schön hohes Ziel, aber offensichtlich ein sehr motivierendes. Knapp zehn Jahre später, im Jahr 2005, steht der Schweizer auf Platz eins und sagt dazu im Interview: „Das zeigt mir, dass ich mich richtig organisiert habe als Profi, dass ich mein Potenzial ausspiele“ (Berliner Morgenpost, 2006). Fragt man hingegen Olympiasiegerin Barbara Engleder, ob es ihr Ziel war, Olympiasiegerin zu werden, wird man erstaunt sein über ihre Antwort: „Ich bin in Rio mit einer ganz anderen Einstellung rangegangen. In Peking und London musste es hundertprozentig etwas werden, in Rio habe ich gesagt: Schauen wir einmal, was passiert.“ Es wurde der Sieg. Beide Sportler haben unterschiedliche Ansätze und dennoch Erfolg, weil sie ihre individuellen Ziele frühzeitig gesetzt hatten, nach ihnen tagtäglich strebten, sie erreichten oder auch mal verfehlten. Wichtig ist, seine Zielsetzung zu strukturieren. Ziele gehören zu allererst definiert („Was möchte ich konkret erreichen“), bevor man ihnen eine Wichtigkeit zuordnet („Was will ich vorrangig erreichen“) und sie letztlich in eine Abfolgeordnung („Was soll wann, wovor, wonach, bzw. gleichzeitig erreicht werden?“) bringt.

Welche Zielarten gibt es?
Manche dieser Sportler-Ziele sind dabei hoch gesteckt, manche niedrig, manche in ferner Zukunft, manche vielleicht schnell zu realisieren. So stellen Realziele Leit- oder Richtziele dar, bei denen man sich bewusst ist, dass man sich ihnen meist nur annähern kann, aber sie vielleicht niemals erreichen wird. Unterscheiden kann man zudem auch zwischen offenen und geschlossenen Zielen. „Ich will mehr Treffer als mein Gegner erzielen“, ist dabei ein Beispiel für ein offenes Ziel, dass damit auch gewissermaßen eine Erfolgsschwelle definiert. Alles, was über einem gewissen Kriterium liegt, zählt damit zu Erfolg. Geschlossene Ziele („Ich will mit mindestens fünf Ringen Vorsprung gewinnen“)  hingegen definieren eine Misserfolgsschwelle.

"In Peking und London musste es hundertprozentig etwas werden, in Rio habe ich gesagt: Schauen wir einmal, was passiert."

Barbara Engleder, Olympiasiegerin KK 3x40

Ergebnisziele beinhalten immer auch einen Vergleich zu anderen Sportlern („Mich für das Finale qualifizieren“ oder „eine Medaille gewinnen“). Der Vorteil: So kann man die Motivation lange aufrecht halten und gleichzeitig gibt es einem Orientierung. Wer allerdings zu Angst vor Misserfolg neigt, für den können Ergebnisziele schnell zu Druck und Angst vor dem Versagen führen, so dass die Konzentration von der eigentlichen Handlung abgelenkt wird. Für Ziele innerhalb eines Wettkampfes sollten deshalb besser Handlungsziele formuliert werden. Außerdem kann man dieses Ziel nicht voll und ganz eigenverantwortlich erreichen, denn man ist abhängig davon, wie gut die Gegner sind. Sie haben also einen Anteil an Fremdeinwirkung, die man selbst nicht beeinflussen kann.

Bidl: ISSF / Barbara Engleder auf dem Weg zu Olympia-Gold in Rio de Janeiro 2016.
Bidl: ISSF / Barbara Engleder auf dem Weg zu Olympia-Gold in Rio de Janeiro 2016.

„Dieses Jahr will ich meinen Wettkampfschnitt um zwei Ringe steigern!“ Solche Leistungsziele definieren ein angestrebtes Ziel auf die eigenen Leistung. Sie verdeutlichen gut den eigenen Fortschritt und somit die eigene Leistungsentwicklung. Daher eignen sie sich auch hervorragend als Zwischenziele in der Trainingssteuerung. Individuelle Ziele sind dabei im Allgemeinen effektiver als Mannschaftsziele.

Handlungs- oder Prozessziele konzentrieren sich ebenfalls auf die eigene Handlung. Genauer, wie Fertigkeiten und Strategien in einer konkreten Situation realisiert werden sollten (z.B. „Was will ich beim Zielen anders machen?“). Es geht um das „Wie“. Die Konzentration des Sportlers richtet sich dabei auf das Hier und Jetzt und seine konkrete Aufgabe. Besonders geeignet sind diese Ziele für Sportler, die zu starker Nervosität oder Wettkampfangst neigen und die immer wieder von negativen Gedanken abgelenkt werden. Weniger geeignet sind sie hingegen für langfristige Ziele, da die Visionen und Träume der Sportler hier keinen Platz finden. Handlungsziele sind anweisungs-, leistungs- und verhaltensorientiert. Sie sind von Fremdverhalten unabhängig.

Doch ein Sportler wird sich in seiner Laufbahn nicht nur ein Ziel setzen, sondern unzählige. Manches sind dabei Zwischenziele („Ich qualifiziere mich für das Finale“), manches Endziele („Ich werde Olympiasieger“).  Wer seine Ziele öffentlich bekannt gibt, muss sich auch bewusst sein, dass er daran gemessen wird. Die eigenen Ziele liefern dem Gegenüber einen gewissen Eindruck, aber führen auch eine Selbstverpflichtung mit sich. Vorsichtige Zielformulierungen können Kritik an der eigenen Leistung vorbeugen („Ich wollte gar nicht mehr erreichen“), oder auch mäßige Leistungen aufwerten („Ich habe mehr erreicht, als ich gedacht habe“).  Wer sein Ziel gegenüber Eltern, Trainern oder Kollegen äußert, erhöht derweil den Druck, denn sollte man sein Ziel verfehlen oder gar aufgeben, muss man dies nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor anderen rechtfertigen.

Auf Stolpersteine vorbereitet sein
Apropos Scheitern: „Gute Schützen sind perfekte Krisenmanager“, bläut Bundesstützpunkttrainer Mario Gonsierowski seinen Schützen immer wieder ein. Was er damit sagen will? Stolpersteine lauern überall. Sie sind oftmals auch mit der besten Planung nicht wegzuräumen. Es gilt sie viel mehr mit geschickten Lösungsideen zu umschiffen. So kann man sich bereits im Vorfeld überlegen, welche Stolpersteine auf dem Weg zum Ziel lauern könnten und welche kreativen Lösungsansätze man dafür findet. Wie vereinbart man Schule und Training? Was ist, wenn keine Zeit mehr für Aktivitäten mit Freunden bleibt? Wie findet man die perfekte Trainingsgruppe? Fragen, die man bereits im Vorfeld erörtern kann und somit den Weg zum Ziel ebnet.

Aus Misserfolgen lernen
Seine Ziele zu erreichen ist wunderschön, aber es gibt natürlich auch die andere Seite der Medaille, nämlich sein Ziel zu verfehlen. Olympia beispielsweise: Es ist der Traum vieler Sportler, aber nur die wenigsten erreichen es. Misserfolge sind für alle schwierig - für einen selbst genauso, wie für Trainer, Eltern oder Teamkollegen. Wer konstruktiv damit umgehen will, der muss zuerst einmal auch seinen Emotionen Raum geben. Egal, ob Wut, Enttäuschung oder Missgunst, ein Sportler darf sich natürlich auch einmal ärgern, soweit es natürlich im Rahmen bleibt. Aber sobald diese Emotionen verflogen sind, sollte kritisch analysiert werden. Was lief gut? Was muss verbessert werden? Und dann sollte das Ganze abgehakt werden, um sich wieder voll und ganz auf sein nächstes Ziel zu konzentrieren.

Ziele visualisieren
Wie fühlt es sich an, wenn die Hymne für einen gespielt wird? Was hört man? Was riecht man? Um sein Ziel zu visualisieren hilft es, so zu tun, als ob man es schon längst erreicht hätte. Und das jeden Tag. Weltklassesportler wie Fußball-Weltmeister Philipp Lahm und Triathlet Jan Frodeno haben sich zuvor jeden Tag im Kopfkino vorgestellt, wie es ist, ihr Ziel zu erreichen. Frodeno saß mit sieben Jahren so fasziniert vor der Olympiaübertragung vorm TV, dass er beschloss: Da will ich mal hin, das will ich auch erleben. Und gewinnen!“ Und auch wenn ein Siebenjähriger wohl kaum bewusste Ziele oder konkrete Pläne macht, hatte er es doch im Hinterkopf verankert. Wie wichtig es ist, diese Ziele zu visualisieren, erklärt er in seiner Biografie. Immer wieder habe er Rennen im abschließenden Sprint verloren – auch im Kopf. „Eine Negativspirale, aus der ich nicht herauskam – in der Realität wie in meinem Unterbewusstsein“, so Frodeno, „ich hatte regelrecht Angst vor dem Zielprint“. Mit einer Sportpsychologin arbeitete er daraufhin mit Blick auf die Olympischen Spiele in Peking 2008  mit Visualisierungstraining. Zweimal am Tag hörte er sich ein Tape an mit der Kernaussage: „Ich will es! Ich kann es! Ich schaffe es!“ Zwei Wochen vor den Olympischen Spielen passierte es dann: Er hörte das Tape am Abend, stellte sich das Olympia-Rennen vor, und auf einmal gewann er es in seinem Unterbewusstsein, er musste niemanden mehr auf der Ziellinie passieren lassen. Es war der Durchbruch und der Grundstein zur Olympia-Goldmedaille, die er zwei Wochen später um den Hals gehängt bekam. Auch Schießsport-Olympiasieger Matt Emmons rät: „Führe dir vor Augen, was passieren soll. Stelle dir ein kleines Video vor deinem inneren Auge mit dem „perfekten Schuss“ vor und spiele es immer wieder in deinem Kopf ab. Halte es kurz und einfach.“ Und? Nach welchen Zielen streben Sie?

 

Quellen:

Engbert, K., Droste, A., Werts, T. und Zier, E. (2011). Mentales Training im Leistungssport. Ein Übungsbuch für den Schüler- und Jugendbereich. Stuttgart: Neuer Sportverlag.

Frodeno, J, (2018). Eine Frage der Leidenschaft. Mit Mut und Motivation zu Erfolg. München: Random House.

Gabler, H., Nitsch, J.R. & Singer, R. (1986). Einführung in die Sportpsychologie, Teil 1: Grundthemen. (Hrsg.: Ommo Gruppe), Sport und Sportunterreicht, Band 2,  Schorndorf: Karl Hofmann .

Heimsoeth, A. (2018). Sportmentaltraining. Stuttgart: pietsch.

Kent, M. (Hrsg.) (1998), Wörterbuch Sportwissenschaft und Sportmedizin. Wiesbaden: Limpert.

Emmons, M. (2015). Concentration – staying focused in stressful competition situations. Zuletzt aufgerufen am 16.09.2020 unter shooting.by/im/results/Sports_Shooting_Psychology.pdf

Weiterführende Links