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DSB-Themenwoche: Koordination - darum sollten Schützen ein Auge darauf haben

11.01.2021 09:38

Die Koordination von Bewegungen gehört zu den wesentlichen Grundbausteinen eines erfolgreichen Sportlers, doch speziell trainiert wird diese in Vereinen selten. Ein Baustein, indem Potential schlummert und der perfekt von zuhause trainiert werden kann.

Bild: DSB / Eine gute Bewegungsökonomie und -präzision ist ein Indikator für eine gute Koordination von Sportlern.
Bild: DSB / Eine gute Bewegungsökonomie und -präzision ist ein Indikator für eine gute Koordination von Sportlern.

Warum braucht ein Sportler eine gute Koordination?

Es ist stürmisch. Der Wind bläst durch den Schießstand, lässt die Startnummern herumtänzeln und den Körper der Schützen schwanken. Es gilt das Gleichgewicht zu halten, trotzdem seinen Kernrhythmus beizubehalten, die Windfähnchen aus dem Augenwinkel zu betrachten und sich trotzdem auf eins zu fokussieren: das Ziel.

Wer hier besteht, ist nicht nur ein hervorragender Schütze, sondern auch ein hervorragender Koordinator. Denn Spitzensportler sind wahre Meister darin, in sich hinein zu spüren, jeden Muskel separat anzusteuern und die Auswirkungen seines Handelns zu kennen. Oft erinnern sich Sportler gar nicht mehr an ihre Ergebnisse, sondern vielmehr an ihr Körpergefühl, das sie im Gedächtnis abgespeichert haben. Ein harmonisches Zusammenspiel des sensiblen und motorischen Nervensystems sowie dem Bewegungsapparat, das zu einem erfolgreichen Bewegungsmuster geführt hat. Zu einem guten Ergebnis. Vielleicht sogar zum Sieg.

Eine gute Koordination ist nicht nur eine der wesentlichen Grundlagen zur Durchführung komplexer Bewegungsmuster, sondern auch die Voraussetzung für effektive Bewegungen und damit für das Erreichen sportlicher Ziele. Das zentrale Nervensystem und die Skelettmuskulatur müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein, um eine hohe Bewegungspräzision sowie -ökonomie an den Tag zu legen, wie es im Schieß- und Bogensport erforderlich ist. Auge und Abzugsfinger müssen sich quasi blind verstehen. Der Griff muss mit Kraft gehalten werden, ohne zu verreißen, die Sehne gespannt sein, ohne die Muskulatur zu verspannen. Und bei all den Aufgaben sollten Schützen sich noch auf ihr Ziel konzentrieren und im perfekten Zielbild abziehen. Herausfordernd. Für den Kopf und die Muskulatur. Dabei unterscheidet man zwei Arten der Koordination: Die intramuskuläre Koordination, die sich auf das Zusammenwirken von Nerv und Muskel innerhalb eines Muskels bezieht, sowie die intermuskuläre Koordination, die das Zusammenwirken verschiedener Muskeln beschreibt. Beides essentiell für den Bewegungsablauf eines Sportlers von der Anschlagseinnahme bis zur Schussabgabe. Trotzdem gibt es vor allem beim Nachwuchs großen Nachholbedarf.

Welche koordinativen Fähigkeiten braucht ein guter Schütze?

"Wir haben bei unseren Talentcheck im Rahmen der Deutschen Meisterschaft Sportschießen in München festgestellt, dass unter anderem die Werte der Kinder für Gleichgewicht und Rumpfkraft sehr schlecht sind. Beides hat viel mit koordinativen Fähigkeiten zu tun“,  so der Bundestrainer Sportwissenschaft, Stefan Müller, der besorgt auf die Entwicklung der Kinder blickt. „Während wir beim Gleichgewichtstest vor allem das Zusammenspiel der Muskelgruppen testen, geht es beim Rumpfkrafttest neben der Kraft darum, spezielle Muskelgruppen anzusteuern. Und selbst an einer scheinbar einfachen Bewegungsaufgabe scheitern bereits einige der Kinder und Jugendlichen.“

Die Gleichgewichtsfähigkeit ist nur eine von mehreren koordinativen Fähigkeiten, die für Schützen wichtig ist, um ruhig und gelassen gezielte Schüsse abgeben zu können:

  • Gleichgewichtsfähigkeit: Die Fähigkeit, den Körper im Gleichgewicht zu halten oder das Gleichgewicht wiederherzustellen.
  • Orientierungsfähigkeit: Die Fähigkeit, bei gewollten und ungewollten Bewegungen die Orientierung im Raum nicht zu verlieren.
  • Reaktionsfähigkeit: Die Fähigkeit auf verschiedene Reize schnell zu reagieren.
  • Rhythmusfähigkeit: Die Fähigkeit, einen Bewegungsablauf jeweils in dem ihm eigenen Rhythmus auszuführen.
  • Differenzierungsfähigkeit: Als Differenzierungsfähigkeit bezeichnet man die Fähigkeit, einen Bewegungsablauf sicher, ökonomisch und genau durchzuführen, wobei die Dosierung des Krafteinsatzes eine wichtige Rolle spielt.
  • Wahrnehmungsfähigkeit: Die Fähigkeit, aktuelle Ereignisse bewusst wahrzunehmen (visuell, verbal, kinästhetisch, taktil)
  • Konzentrationsfähigkeit: Die Fähigkeit, sich bewusst und mit angepasster Aufmerksamkeit auf einen „Punkt“ zu konzentrieren (lässt bei Ermüdung nach). Wahrnehmungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit sind wichtige Bedingungen für die Bewegungssicherheit.

Dabei spielen meistens immer mehrere koordinative Fähigkeiten ineinander. Ein Flintenschütze muss die Flugkurven der Scheiben antizipieren (Wahrnehmungsfähigkeit) und gleichzeitig seine Bewegung anpassen, ohne an Ökonomie und Präzision einzubußen (Differenzierungsfähigkeit). Hingegen braucht ein Schnellfeuerschütze eine besonders gute Rhythmusfähigkeit, um seinen Ablauf auf die unterschiedlichen Zeitlimits anzupassen. Während Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit zu einem der wohl wichtigsten Fähigkeiten eines jeden Schützen zählt.

Das Tolle: Trainiert werden können diese Fähigkeiten immer und überall – nicht nur am Schießstand. Einbeinig den Abwasch erledigen, jonglieren oder auf einem Baumstamm balancieren sind definitiv ein Anfang und helfen nicht nur beim Sport, sondern auch im Alltag seine Koordination zu verbessern und z.B. die Sturzgefahr zu verringern. Noch mehr Tipps und Übungen und wie man seine Koordination testen kann, dazu im Laufe der Woche mehr.

Quellen:

Hollmann, W. / Hettinger, Th. (2000). Sportmedizin. Arbeits- und Trainingsgrundlagen. Stuttgart / New York.

Kent, M. (1998).  Wörterbuch Sportwissenschaft und Sportmedizin. Wiesbaden: Limpert.

Stauch, E., Schindler, B, Schierle, T. & Schmitt, P. (2007). Nachwuchsarbeit im Schießsport. Göttingen: Verlag Die Werkstatt.

 

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