Bundesliga

„Als Trainer sieht man immer das ganze Drama“

11.10.2018 11:00

Detlef Glenz ist nicht nur Schnellfeuer-Bundestrainer, sondern führte auch die Luftpistolen-Mannschaft des SV Kriftel im letzten Jahr zum Deutschen Meistertitel. Im Interview verrät er, auf was er wert legt, warum Christian Reitz eine wichtige Rolle für die Mannschaft spielt und was einen guten Trainer in der Liga ausmacht.

Die letzte Saison habt ihr als Deutscher Meister beendet. Neue Saison, neue Ziele?

Glenz: „Man braucht unbedingt ein Ziel, denn ohne Ziel, weiß man nicht, wie der Weg gehen soll – so wie beim Navigationsgerät. Unser Ziel ist immer das Finale und dort wollen wir möglichst dreimal schießen, denn dann bist du sicher unter den besten Vieren."

Bleibt das altbewährte Team vom letzten Jahr?

Glenz: „Wir haben mit Maximilian Schenk, einem B-Kader Schnellfeuerschützen, neuen Zuwachs bekommen. Ansonsten bleibt alles gleich.“

Habt ihr euch gemeinsam auf die Saison vorbereitet?

Glenz: „Nein. Wir wohnen zu weit voneinander entfernt. Außerdem kam Christian Reitz erst gestern von seiner Urlaubsreise nach der WM wieder und ich habe sogar noch seine Pistolen von der Weltmeisterschaft, die ich ihm erst am Wochenende mit zur Liga bringen werde.“

Ein Kaltstart sozusagen…

Glenz: „Bei uns dient die Bundesliga als Mittel zum Zweck. Für die Schnellfeuerschützen wie Christian Reitz, Matthias Putzmann und Aaron Sauter ist die Liga ein gutes Training für die kommende Schnellfeuersaison. Wer im Herbst nicht die Grundlagen mit der Luftpistole trainiert, der hat es im Frühjahr schwer. Das Gehirn wird so auf diese Präzision trainiert. Und sowohl mit der Luft- als auch mit der Schnellfeuerpistole gilt es, die Mitte zu treffen. Mit der Luftpistole wird jeder kleine Fehler sofort mit einer Neun bestraft. Die Präzision, die du brauchst um hohe Luftpistolen-Ergebnisse zu schießen, hilft vor allem für die langsamen Serien in der Schnellfeuer-Disziplin.“

Die großen internationalen Stars kommen, um sich in der Bundesliga das Selbstbewusstsein zu holen. Wo siehst du noch die Vorteile des Bundesligaschießens?

Glenz: „Die Sportler holen sich eine gewisse Abgeklärtheit. Ich bin kein Freund von Junioren in der Bundesliga, denn diese werden dort oft verheizt. Sie sollen sich im Herbst eher auf ihre Technik konzentrieren und sich auf die Europameisterschaften etc. vorbereiten. In der Bundesliga verlangen die Mannschaften, dass sie etwas treffen und da bleibt das Techniktraining oftmals auf der Strecke. Die erfahrenen Schützen sehen das entspannter.“

Weil sie auch schon selbst sehr viel erreicht haben?

Glenz: „Wir müssen nicht gewinnen. Wenn wir es trotzdem tun, dann freuen wir uns – vor allem, weil wir nicht unbedingt die Favoriten sind und zudem keine Spezialisten. Selbst Christian, der zu den weltbesten Luftpistolenschützen gehört, ist eigentlich kein Spezialist.“

Ist das auch eure geheime Stärke, dass ihr euch selbst wenig Druck macht?

Glenz: „Diese Lockerheit ist auf alle Fälle unsere Stärke. Es ist unser Spaß. Selbst im letzten Jahr im Finale haben wir durch mehrere Ausfälle nicht damit gerechnet, dass wir eine Chance haben.“

Du bist ein Trainer, der bei jedem Schuss extrem mitfiebert. Wie ist das für dich, zusehen zu müssen und nur bedingt etwas unternehmen zu können?

Glenz: „Das ist das Schlimmste. Als Trainer ist es immer schlimmer als selbst vorne an der Schießlinie zu stehen. Als Trainer siehst du schon das Unheil kommen, bevor es passiert. Man sieht das ganze Drama. Während der Schütze sich meist um sich selbst kümmert, siehst du als Trainer alle Dramen, die sich abspielen.“

Wie viel kann man denn als Trainer von außen überhaupt noch bewirken, vor allem bei so erfahrenen Schützen wie Christian Reitz?

Glenz: „Der Christian braucht nicht viel. In jungen Jahren war er noch sehr stürmisch, mittlerweile kann er sich steuern. Wenn es bei anderen Schützen Probleme gibt, hole ich sie vom Stand und man muss eigentlich nur wie bei einer Schallplatte versuchen, die Nadel wieder in die Rille zu setzen.“

Man könnte also auch über das Wetter reden?

Glenz: „Wenn ich zu manchen Schützen sagen würde ‚Dreh dich dreimal im Kreis und geh wieder nach vorne, dann wirst du Zehner schießen‘, dann funktioniert das. Es ist egal was man sagt, man muss dabei nur überzeugend sein und klare Handlungsanweisungen geben. Man sag ihnen nicht, was sie falsch machen, sondern was sie machen sollen.“

Da sieht man wieder, wie sehr der Kopf ausschlaggebend für die Leistung im Sportschießen ist.

Glenz: „Das ist nur Kopfsache. Schießen können sie alle mehr oder weniger gut. Als Trainer versucht man nur, dass sie eine Sache fokussieren, um sich darauf zu konzentrieren und andere Dinge auszublenden. Die Aufgabe des Trainers ist es, den Schützen so vorzubereiten, dass sie an der Schießlinie selbstständig sind. Ein Coach – dessen Wortherkunft vom Wort ‚Kutsche‘ stammt – transportiert den Schützen bis zur Feuerlinie, dort muss er dann selbst laufen. Man kann als Trainer nur das, was im Schützen schlummert, herauslocken.“

Wenn ein Name wie Christian Reitz vorne im Team steht, flößt das dem Gegner schon einmal ordentlich Respekt ein. Das ist sicher auch für den Rest der Mannschaft von Vorteil, oder?

Glenz: „Christian hat schon fast den Ruf des Unbesiegbaren. Selbst ein Weltklasse-Schütze wie Oleg Omelchuk hat Respekt vor ihm, denn er weiß, dass das eine harte Nuss wird. Das Team weiß, dass sie sich auf ihn dort vorne verlassen können. Er ist der Fels in der Brandung – die Galionsfigur.“

Auf was legst du bei der Mannschaftszusammenstellung noch wert?

Glenz: „Das es passt. Selbst wenn jemand bei mir ankommt und 395 Ringe im Schnitt schießt, er aber nicht in die Mannschaft passt, wird er nicht für uns schießen. Unsere Leute kennen sich. Selbst unsere Ausländerin schießt schon seit Jahren bei uns – sie gehört zu uns.“

Warum ist dieser Teamfaktor in der Bundesliga so unheimlich wichtig?

Glenz: „Im Gewehrbereich findet man eine höhere Fluktuation als bei uns, hier bleiben die Schützen über mehrere Jahre zusammen. Deshalb ist der Teamgeist enorm wichtig. Wir sind alle gut befreundet.“

Kämpft man dadurch noch ein Stückchen mehr für den Anderen?

Glenz: „Auf alle Fälle. Mein Ziel ist es auch, Christian dort vorne gute Leute an die Seite zu stellen, damit er nicht denkt, er sei der Einzige dort vorne, der es reißen muss. Schützen wie Matthias Putzmann, wollen ihren Teamkollegen auch ein bisschen ärgern und zeigen, dass auch sie da sind.

Es ist ein gesunder Konkurrenzkampf.

Glenz: „Sie müssen sich verstehen, denn es nützt mir nichts, wenn ich fünf individuell gute Schützen habe. Die Leistung spielt bei mir nicht primär eine Rolle.“

Aber jetzt heißt es erst einmal nach vorne zu blicken auf das erste Bundesliga-Wochenende…

Glenz: „Wir freuen uns, dass es jetzt losgeht und werden uns dort zum ersten Mal seit langem wieder sehen. Jetzt geht’s aufwärts!“

Vielen Dank für das Interview und Gut Schuss fürs Wochenende!