Infothek Waffenrecht

„Angst vor Dschihadisten aus dem Schützenverein“

20.01.2015 10:14

Mit dieser ebenso reißerischen wie dümmlichen Schlagzeile erschien am 9. Januar 2015 die im Axel Springer Verlag herausgegebene Zeitung DIE WELT. Als Aufmacher zu dem aktuellen Thema des islamistischen Terrors diente sodann die Geschichte des Werkzeugmacher-Azubis Max P., der zum (erfolgreichen) Erwerb des Jagdscheins auf dem Schießstand des Sächsischen Jagd- und Schützenvereins Großdobritz trainierte. Und dort – so steht es im Text – „feuerte er mit Schrotflinten und Repetiergewehren“.

Im September 2014 verschwand der zum Islam konvertierte Max P. in die Türkei. Inzwischen soll Max, „der ausgebildete Schütze und frischgebackene Jäger“, in Syrien im "Heiligen Krieg" sein.

Auch der „Deutsch-Türke Koray D.“ aus Wülfrath muss für die Schlagzeile herhalten. Auch er war Mitglied in einem Schützenverein. (So wird im Text behauptet, was die Frage aufwirft: In welchem Verein war eigentlich Max P.? – aber so genau muss man es wohl nicht nehmen, jedenfalls nicht bei der WELT). Den Umgang mit Waffen hatte Korey D. bei der Bundeswehr erlernt (ach so, nicht im Schützenverein?!). Er soll zu einer islamistischen Terrorzelle gehören und steht nun in Düsseldorf vor Gericht.

Und dann zeigen die Redakteure ihr umfassendes Wissen: "Was Dschihadisten mit Waffenschein (oder jedenfalls Waffenausbildung) anrichten können, das zeigt das Attentat … in Paris."

Nun haben wir aus dieser bürgerlich-konservativen überregionalen Tageszeitung gelernt, dass man im Schützenverein so ohne weiteres an Waffen jeder Art kommt und daran für den „Heiligen Krieg“ ausgebildet wird. Ja, man erhält sogar einen Waffenschein, also ein Papier, das einem erlaubt, eine Waffe überall mit sich herumzutragen – sozusagen die Lizenz zum Töten.

Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen – aber sicher zu mühsam, weil es nicht in das vorgefertigte Vorurteil hineinpasst – einen Blick ins Waffenrecht zu werfen oder jemanden zu fragen, der Ahnung von der Materie hat. Dann hätten die Schreiber vielleicht bemerkt, dass man weder mit Jagdwaffen noch mit Sportwaffen einen „Heiligen Krieg“ gewinnen kann, weil diese Waffen nämlich nur Einzellader oder Repetierwaffen sind – jedoch keine vollautomatischen Kalaschnikows, mit denen die Dschihadisten am liebsten Menschen, vorzugsweise Ungläubige, umbringen.

Will man eine Waffe erwerben, so kontrolliert die zuständige Waffenbehörde die Voraussetzungen wie Bedürfnis, Zuverlässigkeit (Abfrage im Strafregister), persönliche Eignung. Und sodann wird der Waffenerwerb in das neu geschaffene Nationale Waffenregister eingetragen. Hierauf haben alle Sicherheitsbehörden Zugriff, so dass natürlich auch Polizei und Verfassungsschutz informiert sind über den Waffenbesitz der deutschen Dschihadisten.

Daraus ziehen die Schreiber die Schlussfolgerung, dass Polizei und Verfassungsschutz sehr genau beobachten, wer versucht, an Pistolen oder Gewehre „etwa über Schützenvereine“ zu gelangen. Na so was! Der Schützenverein als Umschlagplatz für Kriegsgerät! Und dennoch wissen Polizei und Verfassungsschutz immer noch nicht, wer die Kalschnikows hat? Ach ja, das sind ja Kriegswaffen, deren Besitz in Deutschland verboten ist – wie der Besitz illegaler Waffen überhaupt. Aber offensichtlich haben die Autoren andere Erkenntnisse, wenn sie unterschwellig suggerieren, dass derartiges Kriegsgerät in unseren Schützenvereinen nur so herumliegt.

Nach diesen einleitenden Bemerkungen zum Schützenverein geht der Bericht auf das eigentliche Thema, die derzeitige Gefahrenlage durch den islamistischen Terror ein. Warum allerdings hierfür 260 Worte von den 1050 Worten des gesamten Textes zur Verunglimpfung der Schützenvereine herhalten muss, erschließt sich nicht.

Dieser Einstieg in ein ernstes Thema enthält nicht nur eine völlig unqualifizierte Hetze sondern ist zudem auch journalistisch völlig überflüssig und ohne jeden Erkenntnisgewinn oder „News-Wert“. Eine derartige Hetze gegenüber Schützen und Schützenvereinen, die allein auf der Verdrehung der Wahrheit zu einer billigen Stimmungsmache dient, ist durch keinerlei Sachargument gerechtfertigt. Von einer seriösen Zeitung hätte man eigentlich eine fachlich und sachlich korrekte Recherche und Darstellung erwarten dürfen.

Aber: Auch für DIE WELT gilt die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz, auch wenn mir diese Meinung nicht gefällt.

Beitrag: Jürgen Kohlheim