International

„Bei vier Sekunden mutiert es zum Glücksspiel“

13.11.2003 00:00

Ab dem 01. Januar 2005 sollen die Schnellfeuerwettbewerbe mit herkömmlichen Sport- oder Standardpistolen ausgetragen werden. Dies liegt dem Internationalen Schießsport Verband (ISSF) zur Beschlussfassung bei der Generalversammlung im April 2004 vor, um in dieser Disziplin die Teilnehmerzahlen zu erhöhen und damit den olympischen Fortbestand zu sichern. Den deutschen Spitzenschützen um Bundestrainer Peter Kraneis (Foto) stehen damit gravierende technische Änderungen bevor.

 

Mit dem Bundestrainer sprachen wir über die neuen Regularien:

„Herr Kraneis, was halten Sie ganz allgemein von den Beschlüssen der ISSF, die ja massive Umstellungen in der Schnellfeuerpistole bedeuten ?“

„Ich hätte mir zunächst gewünscht, dass man die erfahrenen Trainer, die auf internationaler Ebene diese Disziplin schon lange betreuen, und auch die Topschützen mit in diesen Entscheidungsprozess eingebunden hätte. Die Beschlüsse wurden sicherlich in der Pistolen- bzw. auch in der Technischen Kommission getroffen und im Vordergrund stand einzig und allein, wie man die Teilnehmerzahlen in dieser Sportart vermehren kann. Mehr Schützen also bei Weltcups, bei Welt- und Europameisterschaften, das wäre mit der Spezialwaffe und der kurzen Munition der Schnellfeuerschützen auf die Dauer nicht möglich gewesen, daher musste im materiellen und technischen Bereich etwas verändert werden. Daher wird nun die Spezialwaffe sowie die kurze Munition abgeschafft und es wird zur Sportpistole übergegangen, die fast jeder Pistolenschütze besitzt. Die ISSF glaubt nun, ohne dass es bisher einen schlüssigen Beweis dafür gibt, dass damit die Anzahl der Schnellfeuerschützen weltweit steigen wird.“

„Hätten Sie Alternativen zu den jetzigen Entscheidungen gehabt ?“

„Uns hätte zum Beispiel – und da haben wir intensiv auch mit den Schützen diskutiert – eine Umstellung der Munition vom Kaliber 22 kurz auf Kaliber 22 lang genügt. Wir hätten unsere bisherigen Waffen beibehalten können, da der Aufwand dazu relativ gering gewesen wäre.“

„Wie kann sich ein Schnellfeuerschütze, der ja bisher eine Waffe gewohnt war, die so gut wie keinen Rückstoß hat, nun auf ein Sportgerät mit weitaus stärkerem Rückstoß umstellen ?“

„Das wird sicherlich ein Problem, so ganz genau wissen wir das auch noch nicht. Im nächsten Jahr wird es daher viele Testreihen geben und wir werden versuchen, aus den Möglichkeiten, die die Regeln der Sportpistole hergeben, die Waffen zu modifizieren. Wir müssen sie dem Schnellfeuerschießen anpassen. Ich denke schon, dass man aus den jetzigen Sportpistolen von der technischen Seite noch einiges herausholen kann. Selbstverständlich werden wir die Sportpistolen aber nie so ruhig einstellen können, wie die bisherigen Spezialwaffen, dies muss man ganz deutlich sehen. Wir werden versuchen, den Rückstoß, so weit es geht, zu minimieren. Wie sich das auf die Technik der Schützen auswirkt, müssen wir noch ausprobieren. Wir werden unsere Leistungsdiagnostik fortführen, auch mit den neuen Sportgeräten, und dann sehen, ob wir in der Rhythmus- und Seriengestaltung sowie den Bewegungsabläufen von Scheibe zu Scheibe Veränderungen herbeiführen müssen.

Auf der anderen Seite sehen unsere Schützen diese Neuerungen als absolute Herausforderung. Es gibt keine Negativdiskussionen mehr, das wäre kontraproduktiv. Wir sind nun einmal die führende Nation in der Schnellfeuerpistole, das wollen wir auch zukünftig bleiben und da müssen wir überlegen, wir wir unsere Spitzenposition in der Welt halten und festigen.“

„Werden in Deutschland durch die Änderungen neue Schützen zum Beispiel aus dem Bereich Sportpistole zum Kreis der Schnellfeuerschützen stoßen ?“

„Ich denke schon, dass so mancher Schütze aus dem bisherigen Umfeld der Sportpistole sich einmal beim Schnellfeuerschießen ausprobieren wird. Die notwendige Waffe dafür hat er dann ja und wenn er merkt, dass er mit dem Schnellfeuerschießen zurecht kommt, könnte ich mir schon vorstellen, dass wir in dieser Disziplin auf Dauer Zuwächse bekommen. Es ist allerdings auch ein größerer Aufwand, schon allein deshalb, weil man erheblich viel mehr Munition zum Schnellfeuerschießen benötigt. Grundsätzlich glaube ich, dass gerade in Deutschland kurzfristig erst einmal der bisherige Stamm der Schnellfeuerschützen erhalten bleibt, denn es wird einige Zeit dauern, bis die neuen Entwicklungen sich über unsere Landesverbände auf die einzelnen Schützen niederschlagen.“

„Werden sich die neuen Regularien stark auf die Ergebnisse auswirken oder wird der Unterschied eher gering sein ?“

„Wir haben schon Tests in dieser Hinsicht veranstaltet. Bei einem Rhythmus von acht Sekunden wird es für die Schützen kaum einen Unterschied geben, bei den sechs Sekunden müssen wir Abstriche vornehmen und bei einem Takt von vier Sekunden wird es wirklich problematisch. Die Resultate werden sich verändern, denn die Streubreite, gerade bei den Serien über vier Sekunden, wird wesentlich größer sein. Die Schützen schaffen zwar auch mit der Sportpistole Serien von optimalen 50 Ringen, aber genau so gut erzielen sie bei der nächsten Serie dann 40 Ringe, das sagt doch schon alles. Die Spannbreite ist riesengroß und ich befürchte, dass es ein wenig zum Glücksspiel mutiert, gerade bei den Vier-Sekunden-Durchgängen. Die Spitzenergebnisse liegen zur Zeit über 590 Ringen und wenn es demnächst Resultate um die 580 gibt, können wir froh sein.“

„Wie wird die Vorbereitung der Schützen im kommenden Jahr aussehen ?“

„Wir werden im März 2004 unsere Olympiaqualifikation abgeschlossen haben. Drei Schützen bereiten sich dann konsequent auf die Spiele in Athen vor, die zwei, die sich qualifiziert haben plus ein Ersatzmann. Der komplette Rest der Nationalmannschaft wird unter meinem Assistenztrainer Rene Osthold darauf hinarbeiten, dass der Umstieg möglichst schnell geschafft wird. Das wird auch über eine Kooperation mit den beteiligten Unternehmen der Industrie gehen, es muss viel getestet werden, mit dem Ziel, bis Herbst 2004 eine brauchbare Pistole zur Verfügung zu haben. Wir wollen uns einen Vorlauf für das Jahr 2005 erarbeiten, wobei die Zeit bei solchen Entwicklungen und Umstellungen natürlich relativ kurz ist. Aber wir wollen es schaffen, mit den neuen Sportpistolen und einer soliden Strategie unsere äußerst erfolgreiche Bilanz in der Disziplin Schnellfeuerpistole fortzusetzen.“