International

„Die Asiaten sind deutlich stärker geworden“

09.08.2006 00:00

Die Weltmeisterschaften 2006 in Zagreb (Kroatien) sind abgeschlossen. Der Deutsche Schützenbund verzeichnete 18 Podestplätze, die sich in fünf Gold, sieben Silber- und sechs Bronzemedaillen aufteilen. Gerechnet nach den olympischen Einzeldisziplinen war es Sonja Pfeilschifter (Ismaning), die im Sportgewehr eine Bronzemedaille sicherte, weshalb DSB-Sportdirektor Heiner Gabelmann (Foto) im Gespräch ein nüchternes Fazit unter die Veranstaltung in der kroatischen Hauptstadt zieht:

 

„Für den Verband und für mich ist das Abschneiden unseres Teams mit nur einem olympischen Medaillenplatz durch Sonja Pfeilschifter natürlich enttäuschend. Die vielen Finalplatzierungen, die wir dabei nicht vergessen dürfen, sind allerdings ein positives Zeichen.

Doppelt bitter ist jedoch, dass wir in einigen Wettbewerben auf Medaillenplätzen in die Entscheidung gegangen sind, dort aber dann die Ränge eins bis drei wieder verloren haben. Das müssen wir analysieren.

Ich freue mich über unsere derzeitige Quotenplatzsituation. In Zagreb haben wir ja durch Sylvia Aumann, Karsten Bindrich und durch Marco Spangenberg noch einmal drei Olympiatickets für den Verband hinsichtlich der Spiele 2008 in Peking dazu gewonnen. Wir sehen in diesem Punkt sogar besser aus, als vor vier Jahren nach der WM in Lahti, wo wir nur zehn Quotenplätze besaßen. Jetzt sind es schon vierzehn Plätze, die wir besetzen können.

Eine Weltmeisterschaft ist auch immer eine Nabelschau bezüglich der Leistungsstärke der Nationen. Klar zu erkennen ist, dass die Konkurrenz aus Asien deutlich stärker geworden ist. Hat sich vor vier Jahren in Lahti schon die kommende Stärke Chinas abgezeichnet, müssen wir nach Zagreb feststellen, dass sich auch andere Nationen wie Korea, Indien oder Japan, über fast alle Disziplinen hinweg, stark verbessert haben. Dies gilt nicht nur für den Erwachsenenbereich, sondern auch für die Junioren, so dass in den kommenden Jahren die Spitze immer enger werden wird.

Der Schießsport hat in diesen fernöstlichen Ländern einen hohen Stellenwert bekommen. Obwohl dort teilweise eine restriktive Waffengesetzgebung herrscht, hat man sich auf die Bedingungen eingestellt und Systeme errichtet, die es den Schützen erlauben, ein hohes Trainingspensum zu absolvieren. Dazu gehört das Stipendiatensystem in Indien, natürlich auch das zentralistisch gesteuerte System in China und Korea.

Materiell und technisch sind diese Länder uns Europäern absolut ebenbürtig. Das Ergebnis dieser Leistungsstärke haben wir hier in der Medaillenausbeute dieser Nationen deutlich gesehen.“

„Angesprochen haben Sie schon die Finalsituationen, wo DSB-Schützen auf Medaillenpositionen in die Entscheidungen gegangen sind, dort aber Plätze verloren haben und nicht auf das Siegerpodest kamen. Waren hier mentale Gründe ausschlaggebend ?“

„Ich denke schon, dass hier ein psychisches Problem liegt. Es ist einfach leichter, von hinten anzugreifen, als einen Vorsprung zu verteidigen. Der Vorteil liegt immer beim Angreifer. Vor allem, wenn ein Quotenplatz im Bereich des Möglichen liegt, werden die Schützen natürlich noch etwas sensibler, als das ohnehin schon der Fall ist. In diesem Bereich müssen wir unsere Arbeit, die wir nach den Spielen in Sydney begonnen haben und die bei den Spielen in Athen 2004 so positiv zu Buche geschlagen hat, sicherlich fortführen.“

„Viele Schützinnen und Schützen haben in Zagreb über die Hitze geklagt. In zwei Jahren wird es in Peking ähnlich heiße und feuchte Witterungsbedingungen geben. Muss man sich zukünftig verstärkt darauf einstellen und solche Wettersituationen sogar speziell trainieren ?“

„Solche Witterungsbedingungen werden ja schon bei uns simuliert. Wenn ich nur an die erfolgreiche Wurfscheibenmannschaft denke, die in dieser Saison viele Quotenplätze gewonnen hat, kann man konstatieren, dass es auch an der Vorbereitung auf die Wettkampfzeit gelegen hat. Wir sind ja in Dubai im Klimatraining gewesen und dies hat Früchte in Form von Olympiatickets und guten Platzierungen bei den Weltcups gebracht.

Natürlich haben die Wurfscheibenschützen den Vorteil, dass sie im Freien schießen und sie sich mit der Kleidung auf die Witterungsbedingungen einstellen können. Bei den Gewehrwettbewerben ist dies sicherlich eine andere Situation, dort tragen die Teilnehmer feste Wettkampfkleidung, die die Körpertemperatur natürlich noch erhöht, vor allem, wenn man, wie in Zagreb, in einer heißen, stickigen Halle schießen muss.

Auf der anderen Seite hatten wir aber zuhause in Deutschland vor den Weltmeisterschaften die gleichen heißen Temperaturen, wie sie in Zagreb herrschten. Vielleicht liegt das Klagen ein wenig in unserer Natur. Die anderen Schützen mussten ebenfalls bei diesen Witterungsbedingungen schießen, daher sind wir uns im Trainerstab einig, dass wir hier keine Ausreden gelten lassen.

Atypisch vor der WM war in diesem Jahr die lange Wettkampfpause vor der Veranstaltung. Wir hatten eine fast fünfwöchige Lücke im Sportprogramm, die von der Fußball-Weltmeisterschaft verursacht wurde, weil natürlich kein Veranstalter gegen dieses Mega-Ereignis im weltweiten Sport konkurrieren wollte. Vielleicht haben wir uns ein wenig auf den Erfolgen, die wir bis zum Weltcup in Mailand hatten, ausgeruht und darauf vertraut, dass es in Zagreb so weitergehen würde.“

„Es hat in Zagreb auch Äußerungen von Schützen gegeben, dass nicht alle Mannschaftsmitglieder höchstes Anspruchsdenken an die eigene Leistung haben und teilweise schon mit Mittelfeldplatzierungen zufrieden sind.“

„Ja, diese Äußerungen sind mir bekannt. Ein Ergebnis, dass ich aus Zagreb mitgenommen habe, ist, dass wir zukünftig darüber reden müssen, ob wir bei großen internationalen Ereignissen wirklich noch in allen Disziplinen in Mannschaftsstärke auflaufen wollen. Dies war bisher sportpolitisches Anliegen unseres Verbandes, aber natürlich kann man darüber diskutieren und es ist eine Frage, die die verantwortlichen Gremien im Deutschen Schützenbund grundsätzlich klären müssen.

Wenn ich in allen Wettbewerben mit einem kompletten Team antrete, habe ich natürlich als Mannschaftsfüller auch den einen oder anderen Sportler, der noch nicht in der Lage ist, auf oberstem internationalen Niveau, das heißt mit Finalanspruch, mitzuschießen. Natürlich sind deren positive Aussagen nach einem Mittelfeldplatz im Wettkampf für sie selbst dann richtig, für unsere absoluten Spitzenschützen sind derartige Äußerungen allerdings regelrecht Gift.

Vielleicht ist es sinnvoller, wenn wir zukünftig nicht, wie nach Zagreb, mit 88 Schützinnen und Schützen anreisen, sondern nur mit fünfzig, dann aber mit solchen Teilnehmern, für die eine generelle Finalchance besteht und die auch den absoluten Willen haben, dorthin zu kommen.

Es wäre aber eine komplette Neuausrichtung in unserer verbandlichen Sportpolitik, weil wir uns dann natürlich im Klaren sein müssen, dass wir auf die eine oder andere Mannschaftsmedaille verzichten, die wir bisher immer gerne mitgenommen haben.“

„Welche zukünftigen Auswirkunken hat das mäßige Abschneiden von Zagreb auf die finanzielle Unterstützung seitens der staatlichen Institutionen ?“

„Natürlich zählen bei einer Weltmeisterschaft die Medaillenplatzierungen mehr als zum Beispiel fünfte Plätze. Dadurch besteht nach Zagreb schon eine gewisse Lücke, die durch gute Platzierungen bei den kommenden Olympischen Spielen geschlossen werden muss. Aber wenn wir uns wiederum den Wurfscheibenbereich anschauen, haben wir dort einen Vorteil zum Vergleichszeitpunkt von Lahti, weil wir hier zwei Schützen, Susanne Kiermayer und Karsten Bindrich, im Finale stehen hatten.“

„Wo liegen die Schwerpunkte in den kommenden zwei Jahren in der Vorbereitung auf Peking ?“

„Wir werden die Kaderstärken in Richtung 2008 reduzieren, dies war in der Vergangenheit schon vor Athen auch der Fall. Die intensive Förderung beschränkt sich, je näher es auf die Olympischen Spiele zugeht, auf die Schützinnen und Schützen des Top Teams. Dorthin werden die größten Zuwendungen fließen, um in Peking ein starkes Team an den Start zu bringen. Wir wollen mit unseren finanziellen Mitteln eine optimale Vorbereitung auf die Spiele garantieren.“