Olympische Spiele

„Die Asse für Olympia haben gestochen“

24.06.2004 00:00

Mit dem Weltcup in Mailand für die Kugelschützen und dem Grand Prix der Nationen für die Bogenschützen sind am Wochenende große Veranstaltungen vor den Olympischen Spielen 2004 zu Ende gegangen. Zwei Monate vor dem großen sportlichen Höhepunkt in der griechischen Hauptstadt unterhielten wir uns mit DSB-Sportdirektor Heiner Gabelmann (Foto) über den aktuellen Stand der Vorbereitungen auf Athen.

 

„Herr Gabelmann, der Weltcup in Mailand ist sehr erfolgreich für die Auswahl des Deutschen Schützenbundes abgeschlossen worden. Haben die Asse des DSB für die Olympischen Spiele in Athen gestochen ?“

 

„Die Asse für Olympia haben gestochen, denn mit den drei Gold- und den zwei Bronzemedaillen sind wir natürlich für diesen vorolympischen Weltcup sehr zufrieden. In Mailand fanden dabei nur die ISSF-Disziplinen Gewehr, Pistole und Laufende Scheibe statt, die Wurfscheibenschützen werden diese Woche an den Europameisterschaften in Nikosia teilnehmen, und für den ganz großen Vergleich fehlten die Topschützen aus China, die eine andere Olympiavorbereitung wählen, den Zwischenschritt Europa weglassen und sich wahrscheinlich ausschließlich zuhause auf Athen vorbereiten. Alle anderen führenden Schießsportnationen waren jedoch in Mailand am Start.“

 

„Welches waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse nach dieser Veranstaltung ?“

 

„Die Laufende Scheibe war diesmal nicht ganz so stark, wie man es sonst gewohnt ist, aber ich denke, es ist gar nicht schlecht, wenn man einmal nicht aus der Favoritenrolle in Athen an den Start geht. Der Weltcup auf der Olympiaanlage in Athen vor mehreren Wochen war ein guter Wettkampf unserer Schützen in dieser Disziplin. Michael Jakosits, eigentlich unsere Nr. 2, war dort bester DSB-Teilnehmer, aber ich denke, dass auch Manfred Kurzer eine so große internationale Klasse aufweist, dass er in wenigen Wochen an der gleichen Stelle wieder große Form zeigen wird. Für die Laufende Scheibe kommt jetzt noch einmal ein interessanter Wettkampf in Suhl, dort wird außer China noch einmal die gesamte Weltelite antreten.

 

Die Schützen in den Gewehr- und Pistolendisziplinen werden noch an einem internationalen Wettkampf in Barcelona teilnehmen, wo sie auch unter klimatisch günstigen Bedingungen, ähnlich denen in Griechenland, einen Lehrgang abhalten werden, so dass mit Mailand und Barcelona als Zwischenstationen der Weg der Vorbereitung nach Athen planmäßig verläuft.“

 

„Beim Grand Prix der Bogenschützen in Wyhl hat sich kein weiterer Schütze für den Olympiakader qualifiziert. Wie sieht Ihre Bilanz in dieser Disziplin aus ?“

 

„Wir haben jeweils zwei Damen und Herren im Olympiakader, das heißt, dass nun Wiebke Nulle (Berlin) und Anja Hitzler (Alfdorf) sowie Alexander Fröse (Lützenhausen) und Michael Frankenberg (Hagen a.T.W.) gegeneinander antreten, um sich für den jeweils einen Startplatz bei Damen und Herren, den der DSB gewonnen hat, zu qualifizieren. Diese Entscheidung findet am ersten Wochenende im Juli in der Sportschule Kienbaum statt. Das deutsche NOK entscheidet dann bei seiner Sitzung am 19. Juli endgültig über die Teilnahme der beiden vorgeschlagenen Bogenschützen.“

 

„Wenn man einmal die Vorbereitung auf Athen mit der auf die letzten Olympischen Spiele vor vier Jahren in Sydney vergleicht, gibt es diesmal Änderungen in einzelnen Bereichen ?“

 

„Ja, es gibt gravierende Änderungen. Für die Nominierungen haben wir uns diesmal einen langen Zeitkorridor gesetzt und die Meßlatten für die erforderlichen Leistungen höher gesetzt. „Olympiakader“, verbunden mit Finalteilnahme bei Weltcups war das Eingangskriterium für die Olympiaqualifikation, das bedeutet, dass nur der in diesen Qualifikantenkreis überhaupt Aufnahme fand, der auch die vom Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland (NOK) vorgegebenen Endkampfkriterien erfüllte. Dadurch haben wir auch keine Probleme mit unseren Vorschlägen an das NOK, das ja endgültig über die Olympiatickets entscheidet. Der Kreis der Schützinnen und Schützen, die bei den nationalen Qualifikationen am Start waren, ist durch diese Maßnahme natürlich kleiner als vor Sydney. Im Maximum hatten wir insgesamt 49 Personen im Olympiakader, die Olympiamannschaft Schießen/Bogenschießen besteht aus 22 Sportlern.

 

Wir haben darüber hinaus schon im Herbst 2002 die Betreuerteams festgelegt, es fanden parallel dazu schon sehr früh intensive Gespräche mit den jeweiligen Heimtrainern der Kandidaten statt. Wir hatten ja gerade in diesem Punkt in Sydney Probleme mit Akkreditierungswünschen und haben unser Betreuungskonzept diesen Erfahrungen angepasst. In Athen werden neun Mannschaftsbetreuer vor Ort sein, dies sind alles hauptamtliche Bundestrainer plus Sportdirektor, der einzige ehrenamtliche Mitarbeiter wird unser Verbandsarzt Dr. Nolte im medizinischen Betreuerstab des NOK sein.

 

Eine weitere Erkenntnis, die wir aus Sydney mitgebracht hatten, war die Stärkung der psychologischen Betreuung der Sportler. Schon 2001 haben wir für jede einzelne Disziplin besonders geeignete Psychologen gewinnen können, die unsere Lehrgänge innerhalb der Jahresplanung regelmäßig besuchten. Hier hat der Deutsche Schützenbund vor allem am Anfang sehr viele Eigenmittel eingesetzt. Als ein Jahr später der Deutsche Sportbund sein psychologisches Betreuungskonzept mit Unterstützung von Bundesmitteln den Fachverbänden präsentierte, konnten wir die Verbandskosten etwas minimieren, doch der Deutsche Schützenbund war in dieser Funktion zunächst einmal Vorreiter, auch für andere Verbände. Unser Konzept ist ausgelegt bis zum letzten Vorbereitungslehrgang in Suhl Anfang August. Dort werden dann zum letzten Mal die Disziplinpsychologen dabei sein, danach werden sie sich zurückziehen, denn die Schützen werden vor Ort dann allein agieren können. Psychologen bei den Spielen mit zu akkreditieren ist auch allein schon aus kapazitätstechnischen Gründen gar nicht möglich.“

 

„Die Wettbewerbe der Sportschützen sind ja bekanntlich immer am Anfang der Spiele und stehen daher automatisch unter hohem Erwartungsdruck seitens der Öffentlichkeit. Wie geht die Mannschaftsleitung damit um ?“

 

„Wir können diesmal den Anreisezeitpunkt weitaus besser gestalten, als das in Sydney oder Atlanta möglich war. In der Vergangenheit mussten wir sehr früh vor Ort sein, um die Zeitverschiebung zur Mitteleuropäischen Sommerzeit – den so genannten Jetlag – auszugleichen. Dadurch waren die Sportler natürlich viel länger mit sich selbst beschäftigt und wurden auch erheblich stärker in den Rummel, der um eine solche Veranstaltung herum betrieben wird, einbezogen. Nach Athen werden wir jeweils drei Tage vorher anreisen, das inoffizielle und offizielle Training absolvieren und dann geht es auch schon in den Wettkampf.“

 

„Worauf werden Sie als Delegationsleiter in Athen besonderen Wert legen ?“

 

„Ich bitte vor allem die Medienvertreter jetzt schon um Verständnis, dass wir uns professionell ganz besonders auf die ersten Wettkämpfe vorbereiten wollen und daher unseren Schützen für diese Wettkämpfe alle Möglichkeiten zur ruhigen Vorbereitung und Konzentration geben wollen. Nach den Wettkämpfen wird ja wie üblich auch über das deutsche NOK auf die Medienvertreter zugegangen. Selbstverständlich werde ich als Delegationsleiter erster Ansprechpartner für Interviewwünsche und alle Fragen sein.“