International

„Die Schnellfeuerpistole wird selektiver als früher sein“

13.04.2005 00:00

Die 12. Internationale Schnellfeuerwoche in Wiesbaden war der erste Wettkampf, auf dem die neuen Regelungen in dieser olympischen Disziplin, die der Internationale Schießsport Verband (ISSF) seit diesem Jahr vorschreibt, erstmals auf höchster internationaler Ebene durchgeführt worden sind.

 

Der Aktivensprecher für die Pistolenschützen, Marcel Goelden (Warburg/Foto), der schon seit dem vergangenen Jahr unter den neuen Bedingungen trainiert, war in der hessischen Landeshauptstadt mit einem sechsten Rang zum Auftakt der Schnellfeuerwoche und einem siebten Rang am zweiten Tag einer der besten deutschen Schützen.

Er gehört neben dem dreimaligen Olympiasieger Ralf Schumann (Stockheim) und Martin Behrendt (Wittenberge) auch zum Team des Deutschen Schützenbundes, das am morgigen Donnerstag versuchen wird, beim Weltcup in Changwon (Südkorea) vielleicht schon einen der ersten Quotenplätze für den DSB im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking zu gewinnen.

Mit ihm führten wir das folgende Gespräch über seine Erfahrungen mit der neuen Waffe und den anderen Änderungen.

„Marcel Goelden, was wird sich für Sie als Schütze in der Zukunft beim Schießen mit der Schnellfeuerpistole ändern ?“

„Ich denke, die neue Disziplin wird selektiver sein als die vergangenen Wettbewerbe, weil eine einzige schlechte Serie ausreicht, um nicht ins Finale zu kommen. Man kann elf gute Serien haben und eine, bei der man richtig daneben greift. Und diese eine Serie wird häufiger vorkommen, wie der Wettkampf in Wiesbaden gezeigt hat.“

„Aber wo liegen jetzt exakt die Unterschiede? Ich habe die Acht- und Sechs-Sekunden-Serien, da sagen alle Experten, die hohen Ringzahlen von früher seien wieder zu erreichen und dann sollen es allein diese zwei Sekunden auf den Vier-Sekunden-Rhythmus sein, die so schwierig sind ?“

„Bei den Vier-Sekunden-Serien gehst Du an die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit. Die vier Sekunden kann man nur in ganz kleiner Variationsbreite so gestalten, dass alle fünf Schuss kontrolliert auf den fünf Scheiben liegen. Er erste Schuss wird im Durchschnitt bei etwa 1,5 Sekunden liegen. Die einen schießen in 1,3, die anderen in 1,7 Sekunden.“

„Das heißt, es vergehen schon einmal 1,5 Sekunden, bevor der erste Schuss abgegeben wird ?“

„Genau so ist es. Ganz grob kann man folgende Rechnung für diese Zeit aufstellen: die Scheiben drehen sich bzw. das Licht schaltet von rot auf grün um und bis man überhaupt reagiert hat, vergehen etwa 0,2 Sekunden. Danach kommt der lange Weg aus der „Fertighaltung“ in die 10. Auf diesem Weg musst Du koordinieren, dass das Korn am Ende der Aufwärtsbewegung exakt in der Mitte der Kimme steht. Und beides zusammen natürlich in der Scheibenmitte. Ein alter Spruch unter OSP-Schützen lautet: ‚Am Ende des Weges fällt der Schuss’, dies soll heißen, dass unmittelbar nachdem Du oben angekommen bist, der Schuss fällt. Dies alles dauert nun einmal seine Zeit. Um das Ganze in 1,5 Sekunden oder etwas schneller durchzuziehen, bedarf sehr, sehr viel Training.“

„In welchen Zeitabständen fallen dann die weiteren Schüsse ?“

„Von der Vier-Sekunden-Serie schon einmal 1,5 Sekunden abgezogen, bleiben noch 2,5 Sekunden für vier weitere Schüsse, also wird ein 0,55-060 Sekunden Rhythmus benötigt. Da die neue Waffe deutlich mehr springt als die alte OSP, geht ein Teil der Zeit drauf, um die Pistole wieder ‚einzufangen’. Schätzungsweise ist dies etwa ein Zehntel, doch eher ein bisschen mehr. Es bleiben also noch gut 0,4 Sekunden übrig, um von der einen Zehn in die nächste zu kommen. Der Weg dauert ca. 0,3 Sekunden. Also habe ich als Schütze unterm Strich etwa 0,1 Sekunden, die ich wirklich zum Zielen auf der Scheibe verwenden kann. Bedenkt man, dass ich hier minimale Abweichungen erkennen muss, um die Mitte der Scheibe zu treffen, sieht man, dass es an die Grenzen des Machbaren geht. Ein minimaler Zielfehler oder ein unsauberes Abziehen führt schnell zu einer 8 oder einem noch schlechteren Schuss.“

„Das heißt, in der Vier-Sekunden-Serie werden Ringzahlen von Sieben oder gar Sechs durchaus zur Normalität gehören ?“

„Nun gut, es kann natürlich passieren, dass selbst ein international erfahrener Schütze nicht einmal die Scheibe trifft. Das ist ja in Wiesbaden auch vorgekommen, aber die Normalität wird das nicht sein. In der Regel wird man Serien von 48 plusminus zwei Ringe treffen. Nur wenn es mal richtig schlecht läuft und man beispielsweise beim ersten Schuss nicht schnell genug mit der Pistole hochkommt oder nicht richtig festhält, kommt es zu katastrophalen Ergebnissen. Mit der alten Waffe konnte man noch einiges korrigieren, weil das Wiedereinfangen danach praktisch nicht vorhanden war. Jetzt wird es so sein, dass sich die Topschützen bei 48 bzw. 49 Ringen einpendeln und wenn man einmal daneben liegt, hat man eben beispielsweise nur 44. Man sollte aber jetzt nicht fordern, wie ich es schon gehört habe, die Serien auf 10, 8 und 6-Sekunden zu verlängern. Wir sollten schon bei 8, 6 und 4 Sekunden bleiben, weil diese Rhythmen durch das Training beherrschbar wird. Meiner Meinung nach, machen gerade die 4-Sekunden den Reiz meiner Disziplin aus. “

„Im Grunde heißt es aber, dass es in Zukunft größere Differenzierungen geben wird ?“

„Mit Sicherheit. Es wird so kommen, dass sich jeder bei einem schlechten Tag nicht mehr auf der ersten Seite der Ergebnisliste finden wird. Dabei wird die eigene Streuung des jeweiligen Sportlers viel höher sein als bei der alten Disziplin.“

„Welches sind, noch einmal kurz zusammengefasst, für Sie als Schützen die wichtigsten Änderungen an der Pistole ?“

„Uns fehlt der Bügelgriff, bei dem man viel mehr Kontrolle über die Pistole hatte, da er die Hand fest umschlossen hat und kein Spielraum zum Verrutschen vorhanden war. Wir haben 1000 Gramm Abzugsgewicht, vorher hatten die meisten nur rund 100 Gramm. Wir haben jetzt keine Kompensatoren und keine Laufbohrung mehr. Wenn früher der Griff richtig gepasst hat, sprang die Pistole nicht aus der 10 nach der Schussabgabe.

Jetzt habe ich mit einem erstklassigen Griff, einer ausgezeichneten Pistole inklusive einem sehr ausgeklügeltem Rückstoßdämpfungssystem an der Waffe und einer extra für das OSP-Schießen laborierten Munition trotzdem noch eine Amplitude bis zur 8 hoch.

Es wird in Zukunft noch weiter an der Waffentechnik gefeilt, was dazu führt, dass die Waffe weniger springen wird. Momentan bin ich mit meiner Pistole von Tesro und meiner Munition von Lapua/Schönebeck sehr zufrieden. Auf diesem Weg möchte ich mich im Namen der kompletten Nationalmannschaft einmal für die hervorragende Unterstützung durch die gesamte Industrie bedanken.“

„Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung in der laufenden Saison ein?“

„Für viele internationale Topschützen war es bis zum Wettkampf in Wiesbaden einfach ein Abwarten und Schauen, was die Deutschen machen. Für sie war es bis hierhin nur ein Herantasten, ein Neugierigsein und erst ab diesem Wochenende wird nun auch die internationale Konkurrenz gezielt anfangen und sich das jeweilige beste Material heraussuchen. Eine Ausnahme bilden hier lediglich die Profis aus Nationen wie Russland.

Ich denke, dass bei den meisten Sportlern ein solider Grundstein gelegt ist und im Laufe der Zeit die Ergebnisse über denen von Wiesbaden liegen werden.“