Allgemeines

Doreen Vennekamp: „Ich bin ein absoluter Wettkampftyp“

13.06.2018 14:00

Pistolenschützin Doreen Vennekamp, 23, aus Ronneburg musste Geduld beweisen, bis sie bei der Militär-WM mit 590 Ringen endlich eine neue Schallmauer durchbrach. Nur ein weiterer Schritt zu ihrem großen Traum von den Olympischen Spielen in Tokio 2020.

Doreen, mit 590 Ringen in der Disziplin Sportpistole bist du nun einer der „Auserwählten“, wie dein Bundestrainer Jan-Erik Aeply so schön gesagt hat. Was hat an diesem Tag  besonders gut funktioniert?

Vennekamp: „Ich habe damit gerechnet, dass ich meine Bestleistung bei einem besonderen Wettkampf verbessere. Der Tag zuvor lief noch nicht optimal, obwohl meine Abläufe gut waren, aber das Ausschlaggebende war, dass wir ein super Team vor Ort hatten. Die Mannschaft – Sandra Reitz, Michelle Skeries und ich – unterstützen uns gegenseitig sehr stark. Gerade deshalb war die Stimmung super. Nach der Mannschaftmedaille am Vortag ist dann der Knoten geplatzt.“

War deine Bestleistung eine logische Konsequenz deiner aufsteigenden Form?

Vennekamp: „Die Saison lief für mich bisher gigantisch. Aber man muss auch sagen, dass ich bereits Jahre hatte, in denen ich Mitte 580 geschossen habe – und dieses Jahr noch gar nicht. Mit meinem Trainer hatte ich abgesprochen, dass ich damit zufrieden sein soll, denn ich schieße lieber eine hohe Konstante als diese Ausreißer nach oben und unten, die man oft als Jungschütze hat. Ich habe mich darauf eingelassen und ihm Recht gegeben. Es lief super, aber im Hinterkopf will man doch wieder einmal ein richtig hohes Ergebnis schießen, als Bestätigung dafür, dass man dort oben locker mitspielen kann. Nachdem ich den Druck rausgenommen habe – ganz nach dem Motto ‚Lass die Saison einfach laufen‘ – habe ich nicht mehr mit so einem hohen Ergebnis gerechnet. Die 590 Ringe waren jetzt natürlich erst einmal ein Brett.“

Mit zwei Weltcup-Finalteilnahmen in der Sportpistole, drei Medaillen, zwei Rekorden und einer neuen Bestleistung bei der Militär-WM, fährst du einen Erfolg nach dem anderen in dieser Saison ein. Ist dir dein Erfolg selbst manchmal ein bisschen unheimlich?

Vennekamp: „Es ist noch nicht ganz real. Anfang des Monats kommt immer die neue Weltrangliste raus – in den letzten zwei Monaten war ich bereits auf Platz fünf, dann auf Platz sieben und jetzt bin ich auf Platz vier. Am Anfang will man das noch nicht zu hoch bewerten, aber nachdem jetzt alle Weltcups um sind, fühlt sich das schon sehr gut an, wenn man Richtung WM schaut. Aber auch da wird die Qualifikation nicht ohne, denn wir haben eine starke Frauengruppe, wo jede das Talent hat, zur WM zu fahren.“

Du hast den Sprung von den Juniorinnen in die Damen-Nationalmannschaft problemlos geschafft und dich dort etabliert. Wie hast du das gemacht und hast du einen Tipp für alle, die dort hin wollen?

Vennekamp: „Da fällt mir immer der Spruch von Christian Reitz ein, der sagt: ‚Wenn ich wüsste, wie ich das gemacht habe, würde ich es teuer verkaufen.‘ (lacht). Ich weiß es nicht genau, aber was mir geholfen hat, war das freiwillige Wehrdienstjahr bei der Bundeswehr. Dort habe ich elf Monate Zeit, um zu sehen, ob ich in der obersten Liga mitspielen kann. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich nicht in die Nationalmannschaft gehen werde, um dort Ersatzmann zu sein und zu bleiben. Zu wissen, jeder Zeit aussteigen zu können, hat mir den Druck genommen. Ich habe gewusst, dass ich mich ausprobieren kann, aber nicht gleich erwarten muss, ganz oben mitzuspielen und dennoch brauchte ich den Ansatz zu sagen: ‚Ich bleib dabei.“ 

Ist das diese gewisse Lockerheit, die man braucht, um Weltklasse-Ergebnisse zu schießen?

Vennekamp: „Ich glaube schon, denn wenn man zu sehr rechnet, was man brauchen würde, um vorne anzukommen, macht das wenig Sinn. Man ist immer nur dafür verantwortlich, was man selbst schießt – das Ergebnis – aber auf welchem Platz man am Ende landet, hängt von den Anderen ab.“

Ist deine innere Einstellung auch der Punkt, wo du in der letzten Zeit die größten Fortschritte gemacht hast?

Vennekamp: „Ja, definitiv. Locker bin ich nie, denn ich will immer mein Bestes geben, aber ich sehe jetzt Alles ein bisschen anders. Früher habe ich mich geärgert, wenn ein Wettkampf nicht lief, heute versuche ich alles mitzunehmen, was ich aus diesen Wettkämpfen lernen kann. Mein Lernspruch ist daher: Man verliert nie. Entweder man gewinnt oder man lernt. Der hat mich sehr viel weiter gebracht. Wenn man an dem Punkt ist, wo man aus allem etwas ziehen kann, dann wird man besser.“

Du strahlst sehr viel Ruhe am Schießstand aus. Wie würdest du dich selbst als Schützin beschreiben?

Vennekamp: „Ich bin ein absoluter Wettkampftyp. Ich liebe Wettkämpfe und würde am liebsten das ganze Jahr nur auf Wettkämpfe fahren und kein Training absolvieren. Ich blühe dort richtig auf. Besonders das Finale ist für mich eine Belohnung und das absolute Highlight. Ich gehe dort sofort in meinen eigenen Tunnel rein. Auch mein Bundestrainer Jan sagt immer: ‚Wenn einer ein Wettkampftyp ist, dann du.‘“

Du weißt, dass du bei Wettkämpfen über dich hinaus wachsen kannst. Welche Rolle spielt der Glaube an sich selbst auf dem Weg in die Weltspitze?

Vennekamp: „Eins ist klar: Wenn man nicht an sich selbst glaubt, kann es nichts werden. Man sollte nicht immer die Fehler bei sich suchen, sondern an sein eigenes Talent und Können glauben. Wenn man sich auf die Sachen konzentriert, die man gut kann und daran weiter arbeitet, kann man sich am Ende einen Vorteil erarbeiten – am Ende kommt der oben an, der am wenigsten Fehler gemacht hat. Trotzdem glaube ich, dass man sich nicht zu viel vergleichen sollte, denn alle kochen nur mit Wasser, wie man so schön sagt. Ein tolles Erlebnis war zum Beispiel für mich, als ich beim Grand Prix in Pilsen Anna Korakaki im Finale auf Platz vier verwiesen habe – in dem Jahr als sie Olympiasiegerin wurde. Und erst da wird einem einmal richtig bewusst, wie nah man dran ist an der Weltspitze.“

Was spornt dich an, den Schießsport als Leistungssport zu betreiben und dich immer wieder durch die Hochs und Tiefs des Sports zu kämpfen?

Vennekamp: „Es macht mir unglaublich viel Spaß. Natürlich ist es schön, zu gewinnen, aber für mich ist jeder einzelne Schuss toll, denn das Schöne an unserer Sportart ist, dass man nach jedem kleinen Teil seiner Arbeit sofort Feedback bekommt. Das macht mir Freude.“

Jetzt hast du schon oft angesprochen, dass vor allem der interne Zusammenhalt in eurer Damenmannschaft verantwortlich ist für euren Erfolg im Pistolenteam – trotzdem seid ihr Konkurrentinnen, vor allem wenn es um die Plätze bei Großveranstaltungen geht. Wie geht ihr damit um? Wo unterstützt ihr euch und kommt es auch manchmal zu Reibereien?

Vennekamp: „Zwar sind wir manchmal in kleine Gruppen aufgeteilt, aber das kennt wahrscheinlich jeder aus der Arbeit und letztendlich sind das hier im Nationalkader auch meine Kolleginnen. Aber vor allem wenn Sandra, Michelle und ich als Wettkampfteam unterwegs sind, harmonieren wir super, weil wir auf einer Wellenlänge sind – auch wenn man sich ab und zu auf den Keks geht, aber das ist normal. Da Schießen aber trotz Mannschaftswertung vor allem eine Einzelsportart ist, kämpft immer jeder für sich und jeder ist im Wettkampf auf sich fokussiert. Aber freuen tut sich am Ende jeder für jeden. Als ich beispielweise meinen Wettkampf in Thun mit 590 Ringen beendet hatte, hatte mir bereits die halbe Nationalmannschaft geschrieben und mir zu meinem Ergebnis gratuliert. Wir sind alle auf einem wirklich hohen Niveau und wenn am Ende jemand anders besser ist, dann ist das eben so.“

Wie du bereits gesagt hast, ist euer Niveau weltklasse. Was könnt ihr dabei voneinander lernen?

Vennekamp: „Alle probieren immer sehr viel aus – außer ich, denn ich habe furchtbar Angst davor, etwas zu verändern, was funktioniert. Ich schieße schon immer mit der gleichen Waffe, schieße mit dem Originalgriff, nicht wie andere, die jeden Tag daran sitzen und feilen. Sandra ist beispielsweise eine Schützin, die extrem viel ausprobiert, oft Sachen, auf die ich nie gekommen wäre. Aber dein Körper verändert sich und daher ist es oft nicht schlecht, Dinge auszuprobieren. Da kann ich von den Älteren viel lernen. Und sie motivieren einen auch, wenn etwas am Ende nicht funktioniert, denn man hat es probiert und lernt trotzdem daraus. Es bewirkt, dass man auch sein altes ‚Zeug‘ in einem neuen Blickwinkel betrachtet und dadurch weiter kommt.“

Jetzt hast du bereits die erfahrenen Schützinnen wie Monika Karsch und Olympiasiegerin Anna Korakaki angesprochen. Sind sie für dich ein Vorbild?

Vennekamp: „Nein, nicht direkt, denn ich versuche eben nicht, mich an anderen zu orientieren und ihnen nachzueifern, sondern mein eigenes Ding zu drehen. Ich will selbst irgendwann ein Vorbild sein. Jeder hat seine eigenen Qualitäten und wenn er diese ausbaut, ist er für mich ein Vorbild – und das macht jeder von uns. Keiner sollte jemand anders sein wollen, der er nicht ist.“

Durch deine Finalteilnahmen in Mexiko und in den USA hast du bereits den TTT-Status sicher, aber am Ende zählen die Quotenplätze – und da liegen natürlich auch die Hoffnungen jetzt auf dir. Wie sehr lässt du den Druck von außen an dich ran und wie viel Druck machst du dir selbst?

Vennekamp: „Ich habe mir darüber noch keinen großen Kopf gemacht. Aber ich versuche, mir keinen Druck zu machen in dem Sinne, dass ich einen Quotenplatz holen muss, sondern dass es eine Belohnung wäre für das, was ich geschafft habe. Ich habe in diesem Jahr versucht, bei jedem Weltcup so nahe ans Finale heranzukommen,wie es nur geht. Das hat öfter gut geklappt und das werde ich im nächsten Jahr genauso angehen. Viele machen sich beim Wort ‚Quotenplatz‘ verrückt und es gab bereits Diskussionen, ob wir dieses Wort aus unserem Wortschatz streichen sollten, weil es so viel Druck aufbaut. Am Ende ist das wie mit einer Medaille, die man holen könnte:  Ja, kann man – aber könnte auch jeder andere.“

Um Medaillen geht es auch bei der WM in Changwon im September…

Vennekamp: „Ich gehe nicht mit dem Gedanken hin, dass ich durch meine guten Leistungen automatisch gesetzt bin – dafür wird die Ausscheidung zu hart. Wir sind fünf Mädels, die alle gleich gut schießen können und manchmal entscheiden am Ende nur zwei Innenzehner.“

Die WM ist sicher dein Ziel, aber gibt es noch einen kleinen Traum, den du dir verwirklichen willst?

Vennekamp: „Als ich neu in den Nationalkader kam, wollte ich, dass einmal für mich die Nationalhymne gespielt wird. Aber ich glaube, jeder der in diesem Kader ist, will einmal zu Olympia, einmal Teil des ganz Großen sein – diesen Traum hat jeder von uns. Es ist unser Antrieb.“