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Ein Leben für das Schützenwesen

09.12.2010 08:14

In der Wiesbadener Bundesgeschäftstelle befragte die Deutsche SchützenZeitung den Präsidenten des Deutschen Schützenbundes Josef Ambacher (Foto) zu seinem 70. Geburtstag zu vergangenen und aktuellen Themen. Seit über 50 Jahren ist er auf Vereins-, Landes-, Bundes- und internationaler Ebene ehrenamtlich aktiv.

 

„Herr Präsident, sie werden jetzt 70 Jahre alt und stehen nach wie vor wie ein Fels in der Brandung an der Spitze des Deutschen Schützenbundes. Wie machen Sie das?“

„Ich habe so alle zehn Jahre kleine Zettelchen gezeigt bekommen. Darauf steht dann mal Krebs, dieses und jenes. Es bleibt dann nur, das Ganze positiv zu sehen. Alle, die in ihrem Leben was geschafft haben und älter geworden sind, sind wie Stehaufmännchen. Da hilft diese positive Grundeinstellung, dazu die Familie, der christliche Glaube. Wobei man nicht alles glauben muss, was von der Amtskirche kommt, doch ich kann das inzwischen unterscheiden.“

„Sie sprechen ihr ehrenamtliches Engagement für die Kirche an. Was machen Sie da exakt?“

„Ich bin seit 23 Jahren Kirchenpfleger, im Bereich Starnberg zuständig für drei Kirchen, zwei Friedhöfe, Pfarrzentrum, Kindergarten, Pfarrhaus sowie eine Wohnanlage mit 26 Wohnungen. Ich kümmere mich um die Sanierung der Kirchen, stelle Zuschussanträge und sammele Spenden. Da trete ich häufig genug als Bettler, als Bittsteller auf, doch das stört mich nicht.“

„Diese doppelte ehrenamtliche Tätigkeit für Schützen und Kirche, nimmt Ihnen das Kraft oder gibt es Ihnen sogar Kraft?“

„Nein, das nimmt mir keine Kraft. Logisch schwächelt man mal zwischendurch und du denkst mal: ‚Warum machst du denn das eigentlich?’ Dann erwische ich mich dabei zu sagen: ‚Das darfst du dich gar nicht fragen!’ Mach einfach weiter und schöpfe daraus für dein eigenes Ich.“

„Diese Frage ist aber eine gute Frage: Warum machen Sie das?“

„Es gibt mir schon eine gewisse Befriedigung, wenn man für die Allgemeinheit etwas tun kann. Und zwar, ohne dass am Ende Euro stehen. Wenn ich diese ganze ehrenamtliche Arbeit nach meinem beruflichen Ausscheiden in klingende Münze umgewandelt hätte, hätte ich heut’ wahrscheinlich einen Haufen Geld. Dies im Ehrenamt zu tun, befriedigt mich. Wenn ich für den Rat, den ich dem einen oder anderen gebe, Geld nehmen würde, würde ich mich genieren.“

„Ihre Familie, Ihre Tochter, ihre beiden Enkel, der 17-jährige Sebastian und die 12-jährige Lisa, müssen das Engagement mit tragen. Denn der Mann, Papa und Opa ist häufig nicht da.“

„Früher, als ich noch im Beruf stand, war das ja noch schlimmer. Da war ich die ganze Woche unterwegs und zusätzlich am Abend auf Veranstaltungen von Kunden. Aber jetzt sind es für den Deutschen Schützenbund viele Sitzungen und Tagungen in ganz Deutschland, das wissen Sie selbst, und Deutschland ist groß. Vor diesem Hintergrund bin ich froh, dass ich meine internationalen Ämter beim Kongress vor der WM in München abgeben konnte. Zuletzt hat mich das schon sehr gefordert: Ich bin für drei Tage irgendwohin in die Welt geflogen, habe praktisch nur Sitzungen gehabt, von der Stadt nichts gesehen, wenn es gut lief, nur den Swimmingpool vom Hotel, um dann wieder zurückzufliegen. Und wie gesagt: Es bleiben für den nationalen Verband ja noch genug große Fahrtstrecken.“

„Herr Ambacher, Sie sind leidenschaftlicher Jäger. Sie schießen noch selbst oder beobachten nur?“

„Na freilich schieße ich noch. (Er holt aus seiner Jacketttasche zwei Fotos von einem erlegten Hirsch heraus und sagt nur:) Letzte Woche!“

„Okay, keine weiteren Fragen. Die Jagd ist Ihr Hobby?“

„Ja, das ist mein seelischer Ausgleich, draußen in der Natur.“

„Und mit dem Hund auf diesem Foto?“

„Das ist aber nicht meiner. Der hat sich mir angeschlossen, als ich den Hirsch erlegte, der ist mir gar nicht mehr von der Seite gegangen. Er hat nur geknurrt, wenn ich gesagt habe, jetzt geh wieder.“

„Wenn dies nicht ihr Hund ist, haben Sie als Jäger einen Hund?“

„Ich habe die letzten Jahre immer einen Leihhund gehabt. Weil ich viel unterwegs war – was wollen Sie dann daheim mit einem Hund? Dem geht die Jagd ab, dem geht der Herr ab, ihn nur daheim zu halten und die Frau muss sich drum kümmern – das hätte sie mir wahrscheinlich nicht abgenommen, da hätte sie mich gesteinigt. Ein Hund, dann bleib da, hätte sie gesagt. Ich hatte ja den Leihhund, einen Labrador von meiner Anwältin, das war ein brauner, der aber aufgrund seines hohen Alters inzwischen in die ewigen Jagdgründe heimgegangen ist. Ein sehr lieber und braver Hund, ein Mädchen, das ich überall hin mitnehmen konnte und das im Revier keine Leine brauchte. Sie lief neben mir, ob da ein Reh war oder keins, ob sie etwas gerochen hat, sie hat keinen Muckser gemacht und ist mit mir gegangen. So ist der Hund brav gewesen, so liebevoll, wir haben uns sehr gut verstanden, leider lebt sie nicht mehr, aber die ist mir schon schwer abgegangen. Das war ein enges Verhältnis.“

„Wechseln wir ins Positive: Sie haben eben von Ihrer Frau Brigitte gesprochen, die am 11. Dezember, zwei Tage nach Ihnen, Geburtstag feiert. Sie bringt viel Verständnis für Ihre Ehrenämter wie Ihr Hobby auf, aber wenn es ihr zuviel wird, sagt sie es auch …“

„Ja. Sie trägt das seit 47 Jahren mit, so lange sind wir verheiratet, und vorher kannten wir uns ja auch schon. Sie leistet Gewaltiges und ich wüsste nicht, was ich in vielen Situationen ohne sie gemacht hätte.“

„Sie sind 1954 in ihren ersten Schützenverein eingetreten. Die Affinität zu Waffen war zu Hause groß, ihr Großvater war Jäger und nahm sie häufig mit. Doch wie sind Sie eigentlich zum Schießsport gekommen?“

„Mein Vater kam 1948 aus der russischen Kriegsgefangenschaft. Er war vorher schon bei den einzelnen Vereinen, und nachdem diese Anfang der 1950er-Jahre wieder ihren Betrieb aufgenommen hatten, ging auch mein Vater wieder hin. Als ich so das Alter hatte, durfte ich mitgehen. Und da war es passiert. Ich war schon 14, das war im Vergleich zu vielen heutigen Anfängern spät. Viele Jugendliche gab es damals in den Vereinen nicht, und ich habe halt mitmachen dürfen. Am Anfang habe ich wenig getroffen, bin dafür geschimpft worden, weil ich wahrscheinlich so unkonzentriert war, weil ich gewackelt hab, aber das hat sich alles gegeben. Und 1959 habe ich dann meine erste Aufgabe als Sportleiter des Schützengaues Starnberg übernommen. Ich bin jetzt also für den Schießsport seit über 50 Jahren auf Landes- und Bundesebene in verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten aktiv.“

„Was treibt sie an, wenn Sie das so lange machen, so beständig und so aufopferungsvoll?“

„Das kann ich gar nicht genau sagen. Ich gehöre halt nicht zu denen, die nach Ausreden suchen. Ich bemühe mich, in den Vereinen, in denen ich Mitglied bin, so häufig wie möglich bei Vereinsabenden dabei zu sein, und in meinem Trachtenverein mache ich teilweise den Festzug oder bin Weihnachten dabei, um zu diesem Fest ein paar Geschichten aus dem Jahr zu lesen. Es gibt also immer wieder ein paar Highlights.“

„Wenn Sie Ihre gesamte Funktionärstätigkeit Revue passieren lassen, vor allem natürlich die 16 Jahre bisher als Präsident des Deutschen Schützenbundes: Können Sie kurz und spontan sagen: Das war meine interessanteste, schönste, schwierigste und wichtigste Angelegenheit?“

„Es war für mich eine große Freude und eine innere Befriedigung, das Deutsche Schützenmuseum erfolgreich auf den Weg gebracht zu haben, und das war auch die schwierigste Angelegenheit. Dazu war die Wiederinstallierung eines Protektors ein wichtiger Meilenstein, um so wieder an die Zeit des Schützenwesens vor 150 Jahren anzuknüpfen. Die 50. ISSF-Weltmeisterschaft in München in dieser Form auszurichten, das passiert wenigen. Reizvoll war die WM der Bogenschützen in Leipzig, für mich eine einzigartige Veranstaltung. Die WM Sommerbiathlon im letzten Jahr in Oberhof war etwas ganz Neues, Besonderes. Ich hatte in den letzten drei Jahren drei Weltmeisterschaften auf deutschem Boden, das langt, da sagst Du Dir auch: Jetzt ist genug! Der Kauf der Olympiaschießanlage als Erster Landesschützenmeister in Bayern, aber mit enormer Bedeutung für das Sportschießen bundesweit, zu einem Zeitpunkt, als das gerade so ging, war sicherlich ein Erfolg, der seinesgleichen sucht. Und ich freue mich sehr, dass wir zur Gründung des Schützenmuseums auch die Stiftung Deutscher Schützenbund zuwege gebracht haben, die ich mir durchaus zuschreibe, gerade deren finanzielle Ausstattung gemeinsam mit der Gothaer Versicherung und den vielen engagierten Einzelstiftern aus den Vereinen unter dem Dach des Deutschen Schützenbundes. Da habe ich mich sehr als Einzelkämpfer gefühlt, aber ich hoffe schon, dass diejenigen, die nach mir kommen, mich doch noch ein bisschen in Erinnerung behalten.“

„Es ist doch eigentlich nicht zu befürchten, dass dies nicht geschieht …“

„Nun ja, man wundert sich schon, was einem so alles widerfährt. Erst neulich ist mir schmerzhaft aufgefallen, wie schnell man in Vergessenheit geraten kann. Für meine Arbeit als Präsident habe ich mir jedenfalls fest vorgenommen, die „Alten“ in Ehren zu halten. Ein schönes Beispiel ist unser Ehrenpräsident Alfred Michaelis, der noch immer zu allen Veranstaltungen des Deutschen Schützenbundes eingeladen wird, aus gesundheitlichen Gründen aber leider nicht mehr teilnehmen kann. Aber ein Anruf hin und wieder und ein Packerl zu seinem Geburtstag – er wurde kürzlich 95 Jahre –, zu Ostern und Weihnachten von mir sollen ihm diese wichtige Wertschätzung des gesamten Verbandes für seine Leistungen und Verdienste zeigen. Dies gilt natürlich auch für alle unsere Ehrenmitglieder.“

„Mich wundert ein wenig: Die schwierigsten Momente waren nicht der Abbruch des Schützentages in Suhl nach dem Amoklauf von Erfurt oder die Folgen von Winnenden und Wendlingen?“

„Suhl, Erfurt, das war schon sehr tragisch. In Erfurt hat das Ordnungsamt nicht richtig gehandelt. Der Bursch’ hätte keine Waffe haben dürfen, er war kein Mitglied eines Schützenvereins. Der Vater des Täters von Winnenden hat einen massiven Fehler gemacht. Es ist erschreckend, dass der Zustand des eigenen Sohnes in der Familie scheinbar nicht aufgefallen ist. Und es war eine verheerende Schlamperei, dass da eine Waffe und 250 Schuss im Nachtkasten aufbewahrt wurden.“

„Sie haben die Gründung des Schützenmuseums hervorgehoben. Die Rolle der Tradition und Traditionspflege genießt in Ihrer Amtsführung eine hohe Priorität. Warum ist Ihnen das so wichtig?“

„Wenn wir nicht wissen, wo wir herkommen, werden wir auch nicht wissen, wo wir hinwollen. Das Schützenwesen in seiner Gesamtheit, die vielen alten Vereine, die 600, 700, 1.000 Jahre und älter sind, da sticht ins Auge: Die Art des Schießens miteinander war doch immer faszinierend. Ich habe das gesehen, als ich zuletzt in Südtirol war. Da schießen sie noch vom Schützenhaus hinauf in den Hang hinein. Es ist schon eine Freud’, wenn man da auf 100 Meter hinaufschießt! Das ist doch was, jeder hat eine Hut auf und eine ‚Joppn’ an, das ist es, was mir viel, viel gibt. Man ist weg von dieser neuzeitlichen schießsportlichen Kleidung. Dazu sind es die Ehrenscheiben, die ja so viel Sprache und Erzählung in sich bergen. Wenn du nach den Hintergründen des Gemalten fragst, hast du ein aufgeschlagenes Geschichtsbuch. Ich vergleiche das immer mit den alten Kirchen und Kirchenmalern. Die Leute konnten früher nicht lesen, also hat man ihnen in der Bildersprache das Christliche beigebracht. Per Bild wird den Menschen überliefert, was sich in einer dörflichen Gemeinschaft zugetragen hat. Ich mache in einem Dorf häufig eines: Ich schaue die Schützenscheiben an und präge mir die Namen ein. Dann gehe ich in die Kirche und dann auf den Friedhof. Da findest du einen Großteil der Namen von den Scheiben auf den Grabsteinen wieder. Das ist unsere Geschichte, das ist das, was ich von meinem Vater übernommen habe. Das ist ein Lehrbuch. Und so lange es mich gibt, werde ich in dieser Beziehung nicht zurückweichen. Die älteren Menschen in den Vereinen, die 70 Jahre wie ich erlebt haben, die können den Jugendlichen die Geschichte des Vereins, des Schützenwesen, des Dorfes erzählen, auch aus dem, was ihnen selbst die früheren Generationen erzählt haben. Wenn Sie heute in der Schule fragen, was dort über die Heimatkunde vermittelt wird, ist das sehr wenig. Die Schützenvereine können das leisten.“

„Eine Pflichtfrage zum Abschluss: Was haben Sie sich für die kommenden Jahre als Präsident des Deutschen Schützenbundes noch vorgenommen?“

„Natürlich gehört der Neubau des Bundesleistungszentrums hier in Wiesbaden-Klarenthal dazu. Für mich ist es besonders wichtig, die Integration Behinderter in den Schießsport voran zu treiben. Außerdem möchte ich die Mitgliederentwicklung positiv beeinflussen. Da geht es nicht nur darum, neue Mitglieder zu werben und bestehende Mitglieder an die Schützenvereine zu binden. Mir liegt auch am Herzen, Mitglieder, die nicht mehr im Verein aktiv sind, neu für diese Sache zu begeistern. Und es ist mir sehr wichtig, ein sportlich erfolgreicher Verband zu sein und zu bleiben. In diesem Bereich liegt leider einiges im Argen, wobei ich die Situation vieler junger Schützen in dem Zwiespalt zwischen beruflichen und familiären Anforderungen einerseits und den Ansprüchen des Leistungssports andererseits durchaus sehe.“

Das Gespräch führte Harald Strier