Jugend

Jugend: Wie man Talente erkennt & fördert

25.10.2018 09:17

Mut machen, gemeinsam Visionen entwickeln und Wege aufzeigen – das ist der Job von Nachwuchslandestrainer Marco Müller. Er ist gemeinsam mit Mario Gonsierowski für die Gewehr-Talenteschmiede in Bayern zuständig und sucht nach den Olympiasiegern von Morgen. Talente, wie beispielsweise Maxi Dallinger, haben es nicht zuletzt durch ihre Talentförderung bis in die Weltspitze geschafft. Aber was zeichnet ein Talent im Schießsport aus? Wie entdeckt man es? Wie fördert man es?

 

Ein Talent bezeichnet jemanden, der durch seine Fähigkeiten zu überdurchschnittlichen Leistungen fähig ist. Dazu gehört jedoch nicht nur, hohe Ergebnisse zu schießen. „Wenn jemand Talent hat, fällt es ihm leicht, die Fertigkeiten, die man im Schießsport braucht, umzusetzen“, erklärt Marco Müller. „Sowohl motorische Fertigkeiten, wie Wiederholungsgenauigkeit und Körpergefühl, als auch kognitive Fähigkeiten, wie Biss, Willensstärke und Durchhaltevermögen, sind dabei wichtig.“ Es gilt, das Potenzial der jungen Sportlerinnen und Sportler zu erkennen – und das am besten so früh wie möglich.

Vereine als erste Talente-Station

Deshalb sind bereits die Vereine gefragt, denn sie haben den ersten Berührungspunkt mit den Talenten. Sie sind dafür verantwortlich, talentierte Schützinnen und Schützen zu erkennen und sie zu einer Gau- bzw. Bezirkskadersichtung zu schicken. In Bayern beginnt damit eine Reihe von Qualifikationswettkämpfen, die in einer Rangliste enden, durch die man sich für den Landeskader qualifizieren kann. Aber auch hier zählt nicht nur das Endergebnis, wie der Nachwuchstrainer erklärt: „Mit den Bezirks- und Landestrainern setzen wir uns zusammen und reden auch darüber, was für ein Typ Mensch die Schützin oder der Schütze ist. Passen sie dort rein? Sind sie ehrgeizig? Wollen sie überhaupt Leistungssport betreiben? Und macht es Sinn, sie zu fördern? Und auch der Jahrgang entscheidet letzten Endes.“ Es kommt eben auf noch vieles mehr an, als auf das Endergebnis auf dem Bildschirm. Zwar entscheidet dieses über Sieg oder Niederlage, doch brauchte auch Gewehrschützin Barbara Engleder einige Anläufe, ehe sie mit der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Rio nach Hause kehrte.

Die „Steh-auf-Männchen-Mentalität“

Was sie auszeichnet, ist ihre „Steh-auf-Männchen-Mentalität“, wie es Müller so treffend beschreibt. „Sie war oft enttäuscht, wenn es nicht geklappt hat, aber sie hat nie aufgegeben.“ Engleder ist einer der Menschen, der, wenn sie hingefallen ist, sich kurz schüttelt und wieder weiter macht. Einem Talent wie Barbara Engleder sei sicher einiges in die Wiege gelegt worden, aber um an die Spitze zu kommen, reiche Talent nur bis zu einem gewissen Maße, so Müller, dann brauche man „Ehrgeiz, Willensstärke und Biss“. Auch das Umfeld ist ein ausschlaggebender Punkt, ob ein Talent seine Fähigkeiten entfalten kann. Nach schmerzhaften Neiderlagen brauche man ein Team, was einen auffange und zu einem sage: „Hey, auf geht’s. Pack’mas wieder.“ Das Elternhaus, der Verein und das Team drumherum ist essentiell, um den Spaß und den Ehrgeiz am Schießsport zu erhalten. Es gilt für den Nachwuchstrainer daher ständig neue Trainingsreize zu setzen, neue Ziele zu definieren und langfristig zu denken. 

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Talente kommen mit Mehrwert zu den Wurzeln zurück

Manfred Scherz hat damals das Potential der jungen Barbara Engleder in ihrem Heimatverein im niederbayerischen Triftern entdeckt und sie Schritt für Schritt an den Leistungssport herangeführt. In vielen Vereinen sind diese Talente Leistungsträger in Mannschaften, und so spielt immer die Angst mit, wenn ein Talent zu einem anderen Verein wechselt, z.B. um dort in einer höherklassigen Liga zu schießen, dass der Rest des Teams auseinanderbricht. Doch um sein Potenzial voll ausschöpfen zu können, ist es wichtig, sich eine Trainingsgruppe zu suchen und nicht allein zu trainieren. Denn ist man immer der/die Beste, weil keine Konkurrenz da ist, verliert man schnell die Lust. Viel wichtiger sei es, so Müller, sich eine Gruppe zu suchen, egal ob Gau- oder Leistungsverein, in der man sich gegenseitig anspornt, sich aneinander hochzieht und orientiert. „Wenn ich immer der Beste bin, werde ich nicht voran kommen“, ist sich der bayerische Nachwuchstrainer sicher. Auch wenn Talente zu anderen Vereinen wechseln, um sportlich einen Schritt weiter zu kommen, so werden die meisten von ihnen irgendwann zu ihren Wurzeln zurückkehren und einen riesigen Mehrwert mitbringen. Barbara Engleder macht heute Jugendtraining in ihrem Heimatverein und gibt so vieles wieder an den Nachwuchs zurück, was sie damals selbst vom Verein bekommen hat.

Empathie ist das Wichtigste

Eines ist wesentlich für die Talentförderung im Schießsport: Man braucht jemanden im Gau oder im Bezirk, der Alles für die Kinder gibt. „Denn egal, wo man hinsieht, die Kinder merken, wenn es jemanden gibt, zu dem man immer kommen kann“, erzählt Marco Müller. „Derjenige muss zunächst einfach nur als Person da sein. Und wenn sie wissen, dass diese Person alles für sie tut, dann scharen sich die Kleinen um diesen Menschen.“ Es sind oft die kleinen Gesten, wie den Schießstand aufzusperren, Kinder zu Wettkämpfen zu fahren und ein offenes Ohr zu haben, die den Unterschied ausmachen. Und so fasst der Nachwuchstrainer zusammen: „Empathie zum Schießsport, zu den Menschen und zu den Kindern – das ist das Wesentliche.“ Im nächsten Schritt sollte diese Person durch eine Trainerausbildung auch fachlich in der Lage sein, das Interesse der Kinder über die Anfängerzeit hinaus zu betreuen. Am Ende können Eltern, Verein und Trainer die Türen öffnen, hindurch gehen, müssen die Talente selbst.