International

Mongolei live

17.11.2006 00:00

Mongolei die „Zweite“. Wer aufmerksam die Informationen des Deutschen Schützenbundes verfolgt, konnte schon einmal einen Beitrag von Trainer Uwe Knapp über ein Projekt in der Mongolei lesen. Die zweite Auflage einer Trainerfortbildung in Ulaanbaatar, der mongolischen Hauptstadt, ist soeben zu Ende gegangen. Hier der interessante Reisebericht:

 

Nicht ganz ohne Stolz kann ich sagen, dass der mongolische Verband bereits über drei Quotenplätze für die Olympischen Spiele 2008 in Peking verfügt, die eigentlich nicht eingeplant waren. Speziell der bei den Frauen mit dem Luftgewehr nicht. Bereits vor den diesjährigen Deutschen Meisterschaften erreichte mich folgende Mail: „Lieber Herr Knapp, vielen Dank für die Unterstützung bei der Ausbildung unserer Trainer und der hervorragenden Arbeit mit unseren Schützen. Ich möchte Sie informieren, dass wir durch Ihre Arbeit erstmals einen Quotenplatz im Bereich Luftgewehr durch Batkhuyag Zorigt bei den Frauen gewinnen konnten“, so der Präsident des Nationalen Olympischen Komitee der Mongolei. Ging runter wie Öl.

Meine Vorbereitungen hinsichtlich des neuerlichen Trainerkurses in der Mongolei beschränkten sich auf wenige Ausarbeitungen, Telefonate und Kontakte zu Kapazitäten der Sportwissenschaften. Wichtiger waren mir die Wünsche der mongolischen Trainer und Offiziellen. Eine Fortbildung, also Weiterbildung, sollte für die Trainer im Vordergrund meiner Arbeit in Ulaanbaatar stehen.

Dabei stellte sich für mich die Frage: „Darf ich als deutscher Trainer die Trainer eines fremden Landes soweit fortbilden, dass sie aus meinem Wissen und dem eigenen Erfahrungsschatz einen Mix bilden, so dass am Ende absolute Spitzenschützen produziert werden? Das mit dem Produzieren ist ernst gemeint. Der mongolische Verband verfügt inzwischen über eine Handvoll absoluter Spitzenathleten, die durchaus in der Lage sind, Medaillen bei den Olympischen Spielen 2008 von Beijing zu gewinnen.

Als endgültig feststand, dass ich wieder in die Mongolei reisen darf, hat sich die Vorfreude von Tag zu Tag gesteigert. Nach einem Telefonat mit Munkhbayar Dorjsuren, deren Herkunftsstaat nun mal die Mongolei ist, dort immer noch als Volksheldin gefeiert wird, habe ich vernommen, dass ich zu Freunden reisen würde. Aufgeregt war ich nicht, jedenfalls nicht als ich in Frankfurt in den Flieger eingestiegen bin. Ich war ziemlich gelassen, obwohl ich mich nicht als alten Hasen in diesem Geschäft bezeichnen möchte.

Über Peking ging es dann nach Ulaanbaatar und mit Erreichen der Landesgrenze stieg auch mein Blutdruck. Eigentlich komisch, man fliegt ja nur in die Mongolei und nicht an das Ende der Welt. Ich wusste nicht, wer mich von Flugplatz „Chinggis Chan“ abholen würde, hatte aber so eine Vermutung. Ich lag mit meiner Einschätzung total daneben, der Präsident des Schützenverbandes höchstpersönlich war gekommen, natürlich in Begleitung von seinem Adlatus. Ich hatte eher an die Trainer oder einige der jungen Schützen gedacht.

Nach meiner Ankunft war ich wirklich froh, dass ich schon am Samstag angereist bin, der Jetlag hat mir doch zuschaffen gemacht. Kaum in Hotel angekommen, war ich schon verplant und es hat geregnet. Für uns nichts Ungewöhnliches wenn es donnert und ergiebig regnet, für die Mongolei aber ein Segen. Vom Präsidenten des Mongolischen Schützenbund kam daher in diesem Augenblick der Ausspruch: „Nice weather, really nice weather“.

Ich habe mir meinen Kommentar lieber verkniffen, kenne ich die Mongolei ja nur bei strahlend blauen Himmel und Temperaturen jenseits der -10 Grad. Schmuddelwetter gibt es also auch hier. Das Willkommensessen war wieder typisch mongolisch, übrigens eine sehr nahrhafte Form sich zu ernähren, nur der Wodka hätte an diesem Tag nicht unbedingt sein müssen. Aber man darf ja nicht unhöfflich sein.

Die offizielle Begrüßung fand am Montag beim Nationalen Olympischen Komitee der Mongolei statt, an der auch der NOK-Präsident teilgenommen hat, was die guten Beziehungen zwischen Deutschland und der Mongolei unterstreicht. Von deutscher Seite aus werden solche Fortbildungen unterstützt, zum Teil aus dem Topf des Auswärtigen Amtes getragen. Die organisatorische Federführung liegt beim DOSB in Verbindung mit dem NOK der Mongolei, das mich als Trainer angefordert hatte.

Ich war schon ein bisschen gespannt, ob sich im vergangenen Jahr etwas verändert, verbessert hat. Ob sich an der Situation der oft defekten Anlagen etwas getan hatte.

Da ich bereits in Wiesbaden beim Deutschen Schützenbund einige Bilder aus der jüngeren Vergangenheit gesehen hatte, konnte ich schon erahnen, was mich erwarten würde. Ja, die Trainingsbedingungen sind immer noch nicht besser geworden, eher schlechter. Wenn man diese Situation mit unseren in Deutschland vergleicht, dann muss ich sagen, bei uns wird eher alles besser. Es entstehen immer mehr Schießstände mit elektronischer Ausstattung und die Ausrüstungen für die Schützen werden immer raffinierter, ausgefeilter.

Aber wird wirklich alles besser bei uns? Wie kann es sein, dass die Mongolen mit ihren geringen Mittel und teilweise schlechten Voraussetzungen eine solche Anzahl von Spitzenschützen hervorbringen? Insgesamt gibt es inzwischen vier Topschützen, sowohl bei Pistole, als auch im Gewehrbereich. Dominant ist natürlich der Frauenbereich Pistole, dem einst auch Munhkbayar Dorisuren angehört hatte. Selbst mit dem Gewehr hat sich eine junge Frau in den Vordergrund geschoben. Der früh gewonnene Quotenplatz dieses Jahres sagt eigentlich schon alles. Ebenso greift ein junger Pistolenschütze mit der Luft- und Freien Pistole nach den Sternen.

Die Namen sind für uns fast nicht auszusprechen, einprägen sollte man sie sich aber allemal, da sie spätestens 2008 in aller Munde sein werden. Wenn unsere Athleten beim DSB mit solchen Bedingungen wie hier in der Mongolei zu Recht kommen müssten, dann würden sich die Nachfragen nach besseren Hotels oder verpassten Anschlussflügen sicherlich in Wohlgefallen auflösen.

Der Trainerkurs hatte wieder einen großen theoretischen Anteil, die praktische Arbeit am Schützen sollte auf Wunsch der Mongolen aber im Vordergrund stehen. So wurden Wochentrainingspläne erstellt, die eine prozentuale Gleichbehandlung der Gewehr- und Pistolenausbildung zu Folge haben sollten. Da ich über den Gewehrbereich zum Pistolenschützen, später zum Pistolentrainer und dann zum Diplomtrainer gekommen bin, also die Pistole ein bisschen bevorzuge, haben sich diese Anteile schnell zugunsten der Pistolenschützen verändert.

Was mich schon ein bisschen verwundert hat, war die Tatsache, dass eine Trainerin wie Altantzsetseg mir ihre Schützlinge anvertraut, stehen doch die Asian Games im Dezember diesen Jahres unmittelbar vor der Tür. Und diese Schützen sind nicht irgendwer. Das Aushängeschild des mongolischen Verbandes ist immer noch Gundegmaa Otryad, die auf internationaler Bühne bereits unter Beweis gestellt hat, was mongolische Schießkunst bedeutet. Der neue Stern am Himmel ist aber ohne Zweifel Munkhzul Tsogbadrakh (Foto rechts). Durch ihren hervorragenden vierten Platz bei der diesjährigen Weltmeisterschaft in Zagreb hat sie schon mal gezeigt, was in ihr steckt. Nach den ersten Trainingseinheiten, die wir zusammen verbringen konnten, muss ich sagen, dass hier das Ende des Leistungsvermögens noch nicht ausgeschöpft ist.

Das gleiche gilt für die beste Gewehrschützin der Mongolei, Batkhuyag Zorigt, schießt sie doch erst seit wenigen Jahren. Sie wird von ihrem Ehemann trainiert und verfügt über ein unglaubliches Leistungspotential. Ein weiterer Pistolenschütze ist der junge Zolboo Samdandovjid, der schon einige Zeit in Deutschland gelebt hat und bei der HSG München bestens bekannt sein dürfte. Dort hat er während seines Aufenthaltes trainiert.

Da während meines Aufenthaltes in der Mongolei zeitgleich das World Cup Final in Granada abgehalten wurde, stand ich auf einmal alleine da. Altan war unterwegs Richtung Spanien und ich in der Mongolei mit ihrem Kader. So hatte ich neben der Trainerausbildung die vertrauensvolle Aufgabe übertragen bekommen, mit den Nachwuchsschützen zu arbeiten. Hat richtig Spaß gemacht, was mir auch das Engagement der „Kleinen“ gezeigt hat. Es war sicherlich ein etwas anderer Trainingsalltag für die jungen Schützen, mit dem sie nun konfrontiert wurden. Wenn man dann als Dankeschön für die Trainingsarbeit eine Postkarte bekommt, auf der steht, Thank you very much, 2006.10.06, Germany teacher-m, dann macht das schon ein bisschen stolz.

Den Jetlag hatte ich irgendwann auch überwunden, die erste Erkältung war verflogen und die Mongolei schien mir immer vertrauter. Mein Dolmetscher Amarsanaa Dagaa, der viele Jahre in Deutschland gelebt hat, tat seinen Teil dazu. Er wollte mich verkuppeln, hat geschwärmt von einer mongolischen Schönheit aus seiner Familie. „ Du bleibst eh in der Mongolei, du bist schon vermongolisiert“, so sein Ausspruch.

Das Training der ersten Tage zeigte Wirkung, es waren eher Auswirkungen. Zunächst waren nur wenige Nachwuchsschützen zum Training erschienen, zum Ende meines Aufenthaltes musste ich sogar eine Stunde früher vom Hotel abgeholt werden als geplant. Der Schießstand, ob nun auf 10m oder 50m, nahezu alle Plätze waren jetzt belegt. Immer neue Gesichter kamen dazu, selbst ehemalige Schützen haben wieder mit dem Training begonnen, haben mich um Rat gefragt oder wollten mir nur zeigen, was sie noch drauf haben. Selbst die anderen mongolischen Trainer waren etwas verwundert, dass der Zuspruch und Trainingseifer derart zugenommen hatte.

Das freundliche Lächeln auf dem Bild mit der Geburtstagstorte (Foto) gehört einer jungen Nachwuchsathletin, der ich bei Training zugeschaut habe. Während ihres Trainingstag hat sie ungefähr 1 ½ Stunden Trockentraining mit der Sportpistole gemacht. Auf meine Frage hin, wie viele Trockenanschläge sie pro Tag durchführt, antwortete sie mir: „500“. Ich muss wohl etwas ungläubig geschaut haben und sie korrigierte „1000“. Ich habe nachgefragt, ob sich das auf eine Woche oder einen Monat verteilt, aber sie erwiderte ziemlich energisch, „No, I do 500 dryfiring exercises during a day, every day.“ Ich muss sagen, dass hat mich nun doch ein wenig in Erstaunen versetzt.

Als Gastgeschenk hatte ich unter anderem einige Dosen Diabolos dabei. Welche Wirkung diese kleinen Kügelchen haben würden, wusste ich aber nicht. Mir war bekannt, dass nur wenig Munition zum Training zur Verfügung stehen würde, dass es jedoch einen solchen Engpass gibt, das hatte ich nicht geahnt. Das Leuchten in den Augen einer jungen Nachswuchsschützin, die eine Dose mit 500 Kugeln von mir geschenkt bekam und dazu der erstaunte Ausspruch, „For me?“, sagt mehr als viele Worte.

Zu einer solchen Aus- und Weiterbildung gehört aber nicht nur das Arbeiten mit den Schützen, sondern auch ein Besichtungsprogramm, das vom Veranstalter vorgegeben wird. Die Museen in Ulaanbaatar laden förmlich zu einem Besuch ein, eine Fahrt bis in die Wüste Gobi und etliche offizielle Einladungen standen auch diesmal wieder auf dem Programm, so dass keine Langeweile aufkommen konnte. Manchmal hätte mir sogar ein Terminplaner gut getan, um keinen Termin zu verpassen.

Das letzte Frühstück im Peace Bridge Hotel, noch eine Tasse Tee, aber was ist das. Der Frühstücksraum füllt sich mit Menschen, keine Hotelgäste, eine organisierte Verabschiedung für mich, eine tolle Idee. Zu diesem Zeitpunkt brachte mein Koffer ca. 22 kg auf die Waage, jetzt aber wurde die Marke von 30 kg locker überschritten. Gastgeschenke groß und klein, teuer und von Herzen kommend, alles war dabei. Ich muss sagen, bei einer solchen Herzlichkeit und vor allem Dankbarkeit, fällt es schwer, den Heimweg anzutreten. Zum Abschied hat mein Dolmetscher Amarsanaa, der inzwischen zu einem guten Freund geworden ist, zu mir gesagt: „He, Mongole, wir sehen uns wieder.“ Ich glaube er wird Recht behalten.

Der Abschied fiel mir wieder genau so schwer wie im letzten Jahr. Die positiven Eindrücke und die Leistungsbereitschaft, die die Sportschützen mir vermittelt haben, sowie ein unbeschreiblich schönes Land machen es nicht leicht, wieder nach Hause zu fliegen. Der Aufenthalt in der Mongolei hätte ruhig noch länger andauern dürfen, ist mir hier doch inzwischen alles so vertraut. So kann meine Devise für die Zukunft nur lauten, nach einem Abschied gibt es auch ein Wiedersehen.

 

Bedingt durch eine weitere Aufgabe, die in Beijing auf mich wartete, war meine Abreise aber nicht ganz so schlimm wie im vergangenen Jahr. Schöne Grüße an meine Freunde in der Mongolei und ein Dankeschön für den tollen Aufenthalt.

Bericht und Fotos: Uwe Knapp