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Neue Strukturen in den Blick genommen

04.02.2013 11:15

Klaus Seeger (Foto), DSB-Ehrenmitglied und Rechtsanwalt, für seine Klarheit in der Analyse ebenso wie für seine feine Ironie bekannt, stellte als Mitglied der Arbeitsgruppe (AG) Strukturentwicklung die Bedeutung gleich zu Beginn heraus. „Es geht hier um einen Vertrag, der die Rechten und Pflichten einer nicht gerade kleinen Gemeinschaft regelt.“ Er hob zudem an, dass die neue Satzung, ähnlich wie schon nach der letzten Änderung 1997, eine erhebliche Außenwirkung haben werde.

 

Die Sitzung in der Wiesbadener Bundesgeschäftsstelle diente der Vorbereitung des Satzungsentwurfs für die Delegiertenversammlung während des Deutschen Schützentages Ende April in Potsdam, die die Neufassung beschließen soll. Die Arbeitsgruppe unter Vorsitz von DSB-Vizepräsident Heinz-Helmut Fischer hatte den vorliegenden Entwurf ausgearbeitet.

Der Deutsche Schützenbund soll künftig den Namenszusatz „Fachverband für Schieß- und Bogensport“ erhalten. Damit wird die klare Absicht verfolgt, die Rolle des Bogensports innerhalb des Verbandes erheblich aufzuwerten. Schließlich ist der Deutsche Schützenbund Mitglied in zwei internationalen Olympischen Fachverbänden, nämlich der International Shooting Sport Federation (ISSF) und der World Archery Federation (WA). Folglich soll auch in der neuen Struktur die Sportart Bogen einen eigenen Bundesausschuss, mit entsprechenden Experten besetzt, bekommen, der direkt dem zuständigen Vizepräsidenten unterstellt ist und Präsidium wie Gesamtvorstand unmittelbar zuarbeitet.

Einig waren sich die Gremiumsmitglieder, dass mindestens eine Frau im neuen Präsidium sitzen sollte. Weitgehend ablehnend standen sie jedoch der Möglichkeit gegenüber, eine Vizepräsidentin allein für Frauenfragen in die Satzung zu integrieren. „Wir brauchen keine eigene Frauennische, eine Frau soll eines der Fachthemen als Vizepräsidentin besetzen“, war der einhellige Tenor.

Nach einem Vorschlag von Bayerns 1. Landesschützenmeister Wolfgang Kink sollte der Themenkomplex „Ethik, Toleranz und Wertevermittlung“ eigenständig mit einer Person im Präsidium vertreten sein. Über die enorme Bedeutung waren sich die Vertreter einig. Gerade die immer stärker in den Blick rückenden „Good Governance“-Fragen ebenso wie die Diskriminierungsprävention und Anti-Korruptionsmaßnahmen sollen von diesem Vizepräsidenten zum Wohle des DSB bearbeitet werden. Die weiteren Vizepräsidenten sollen für die Gebiete Recht, Finanzen, Sport, Bildung und Verbandsorganisation, Schützentradtion und Brauchtum sowie Jugend stehen. Neu soll es wieder – wie es bereits in der Vergangenheit schon einmal der Fall war – einen ersten Stellvertreter des Präsidenten geben. Dieser erste Vizepräsident soll im Rahmen der Delegiertenversammlung wie der Präsident direkt von den Landesverbands-Vertretern schriftlich gewählt werden. Damit besteht das künftige Präsidium aus einem Präsidenten und acht Vizepräsidenten.

Der Satzungsentwurf sah ferner eine Trennung des Sportbereichs in die Komplexe Sportorganisation und Spitzensport oder Sportentwicklung vor. Beide Bereiche sollten durch jeweils einen Vizepräsidenten im Präsidium vertreten sein. Die Begründung aus dem Kreis der AG-Mitglieder: „Beide werden sich nicht ins Gehege kommen. Der eine kümmert sich um die Durchführung von Sportereignissen und um die Sportordnung, der andere hat sich Fragen wie der Struktur der Bundesstützpunkte, Nominierungen für Wettkämpfe oder des Trainerwesens vor allem konzeptionell zu widmen.“ Aus der Versammlung wurden Befürchtungen zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen beiden Vizepräsidenten laut. Das Meinungsbild im Kreis des Gesamtvorstandes ergab folglich eine klare Mehrheit für nur einen Vizepräsidenten Sport, der in seinem Aufgabengebiet dem des heutigen Bundessportleiters entspräche.

Die großen Landesverbände, und da gilt vor allem das bayerische Wort aufgrund der Repräsentation von etwa einem Drittel der unter dem Dach des Deutschen Schützenbundes und seiner Landesverbände organisierten Mitglieder, haben den kleineren Landesverbänden für Abstimmungen ein Zugeständnis gemacht. Bisher galt in der Delegiertenversammlung allein die Anzahl der repräsentierten Mitglieder. Drei Landesverbände, so sie sich einig waren, konnten danach allein für Mehrheiten sorgen. „Ich verstehe, dass sich kleinere Landesverbände, auch vor dem Hintergrund des Verlaufs des Travemünder Delegiertentages 2009, damit überfahren fühlen können“, konstatierte Axel Rott aus Niedersachsen.

In Zukunft soll weiter das Stimmverhältnis wie bisher gelten, eine Mehrheit kommt jedoch nur zustande, wenn mindestens ein Drittel der Landesverbände, also sieben, dem Beschluss folgt. Durch das so genannte „Quorum“ sollen Entscheidungen auf eine breitere Basis der Landesverbände gestellt werden. Wenn bei Wahlen nach zwei Wahlgängen aufgrund unterschiedlicher Ergebnisse durch Stimmenmehrheit und Quorum keine Entscheidung zustande kommen sollte – was nach den gemachten Erfahrungen als äußerst unwahrscheinlich einzustufen ist –, entscheidet, so das Meinungsbild, im dritten Wahlgang ausschließlich die Mehrheit der Stimmen. Das genannte Quorum soll im Übrigen für alle Sach- und Wahlentscheidungen gelten. Um eine einheitliche Regelung umsetzen zu können, wurde die Quorums-Vorgabe auch für den Gesamtvorstand übernommen.

Besondere Aufmerksamkeit schenkten die GV-Vertreter dem Thema der zukünftigen Sportstruktur im DSB – die Tendenz hin zu einem Vizepräsidenten Sport hatte sich ja bereits abgezeichnet. Ferner wurde der Vorschlag der AG Strukturentwicklung grundsätzlich mitgetragen, den Sport im Verband inhaltlich und thematisch auf mehrere Säulen zu verteilen. Statt der ursprünglich entworfenen drei Bundesausschüsse (Spitzensport, Sportschießen, Bogensport) favorisierten die Landesverbands-Vertreter jedoch vier Säulen: Neben einem Ressort Spitzensport sollen die Arbeitsbereiche Sportschießen, Bogen sowie Breiten-/Behindertensport als Ausschüsse geschaffen werden. Unter Verweis auf die aktuelle Diskussion um die vorläufige, erzwungene Aufnahme des Sportschützenverbandes Rheinland-Pfalz als 21. DSB-Landesverband wurde zudem eine Aufnahmeordnung als Teil der DSB-Satzung in Aussicht gestellt.

Bei diesen Beratungen um die zukünftige Struktur des Bundesverbandes erwies sich die weitere tragfähige finanzielle Absicherung des Deutschen Schützenbundes als geradezu unausweichlich. Auf Wunsch des Gesamtvorstandes hatte das Präsidium daher im Nachgang der Herbstsitzung 2012 die Geschäftsführung beauftragt, eine Übersicht zur finanziellen Zukunftssicherung zu erstellen. Heinz-Helmut Fischer präsentierte diese Zusammenstellung im Anschluss an die Strukturberatungen. Dabei legte er Zahlen und Zusammenhänge vor, um rechtzeitig auf eine Entwicklung hinzuweisen, die gegenwärtig zwar noch nicht dramatisch ist, für den Gesamtverband zukünftig aber eine finanzielle Gefahr darstellen kann.

Auf drei wesentliche Bereiche ging er ein: Zum einen beleuchtete er die Mitgliederentwicklung der zurückliegenden zehn Jahre sowie die damit verbundene Entwicklung der Beitragseinnahmen. 182.000 weniger Mitglieder seit 2002 bedeuteten – so der Vizepräsident – 516.000 Euro Beitragsmindereinnahmen. Pointiert stellte er fest: „Bei der Höhe der jährlichen Beitragseinnahmen bewegen wir uns kontinuierlich auf das Jahr 2002 zurück, gleichzeitig sind wir aber mit den erheblich gestiegenen Kosten des Jahres 2013 konfrontiert!“

Zum anderen führte er auch die Kostenentwicklung anhand des allgemeinen Preisindexes des Statistischen Bundesamtes als wichtigen Faktor an. Seit 2002 müsse – so Fischer – von einer Kostensteigerung in Deutschland um etwa 17 Prozent gesprochen werden. Dank erheblicher Sparbemühungen und besonders kosteneffizientem Wirtschaften ist es dem Deutschen Schützenbund jedoch gelungen, diese Entwicklung um immerhin 11 Prozent zu kompensieren. „Das Sparpotenzial des DSB ist inzwischen aber ausgereizt“, schränkte der Vizepräsident ein. Zugleich wies er darauf hin, dass in den vergangenen Jahren Rücklagen geschaffen werden konnten, um zusätzliche Projekte und Maßnahmen (wie beispielsweise die beiden Heim-WMs im Sport- und Bogenschießen 2007 und 2010, die Finanzierung von wissenschaftlichen Studien zur objektiven Fundierung des Schießsports in der Gesellschaft, das große Verbandsjubiläum 2011, das Mitgliederprojekt „Ziel im Visier“, die Errichtung und Ausstattung des Deutschen Schützenmuseums sowie die Umsetzung des umfangreichen DOSB-Bildungskonzept) durchführen zu können. „Diese Aktivitäten haben dem DSB und allen Mitgliedern in der Außenwahrnehmung sehr geholfen“, unterstrich Fischer und fügte an: „Auch in der Zukunft zeichnen sich wichtige finanzielle Herausforderungen und unumgängliche Investitionen ab, seien es die zusätzlichen Ausgaben für den olympischen und nichtolympischen Sportbetrieb oder die Forcierung von Zukunftsprojekten zur verstärkten Interessensvertretung der Schützen in Deutschland.

Es ist ein Trugschluss, anzunehmen, hierfür nach Abschluss der BLZ-Baumaßnahmen den vermeintlich dann ‚freiwerdenden‘ 50-Cent-Beitrag gegenrechnen zu können!“ Fischer spielte in diesem Zusammenhang auf den erstmals in Göttingen 2005 beschlossenen BLZ-Beitrag an, der sich gegenwärtig auf 692.000 Euro pro Jahr beläuft und gemäß Beschlusslage in voller Höhe und einschließlich der anfallenden Zinsen der Rücklage zur Modernisierung des Bundesleistungszentrums Klarenthal zugeführt wird. Zieht man davon allein die sich aus Mitgliederrückgängen ergebenden Beitragsmindereinnahmen in Höhe von über einer halben Million Euro ab, verbleiben operativ nur mehr 176.000 Euro – ohne Berücksichtigung der in den nächsten Jahren zu erwartenden Kostensteigerungen und der bereits dargestellten Zukunftsprojekte.

Im Namen des Präsidiums und unter Bezugnahme auf die Empfehlung des DSB-Finanzausschusses sowie der Rechnungsprüfer schlug er daher eine Erhöhung des Bundesbeitrags um 50 Cent pro Einzelmitglied vor, da sonst zu erwarten sei, dass die Aufwendungen für den Verbandsbetrieb die Erlöse bereits in den nächsten Jahren übersteigen könnten. Zur Diskussion dieses Themas in den Landesverbänden stellte er den GV-Mitgliedern ein ausführliches Positionspapier zur Verfügung. Sowohl über die Beitragsthematik wie auch die Struktur des DSB muss die Delegiertenversammlung in Potsdam abschließend entscheiden.

Beitrag: Harald Strier/DSZ