Waffenrecht

Neues Waffenrecht in Kraft

02.04.2008 00:00

Das neue Waffenrecht ist rechtzeitig zum 1. April 2008 in Kraft getreten. Die Neuerungen und Änderungen kommentiert der Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes und Waffenrechtsexperte Jürgen Kohlheim aktuell aus Sicht des DSB:

 

Zur Erinnerung: Bereits im August des vergangenen Jahres hatte das Bundesinnenministerium einen Entwurf zur Änderung des seit 1. April 2003 geltenden Waffengesetzes vorgelegt. Dieser wurde nach mehreren Änderungen dann im Januar als Kabinettsentwurf in den Bundestag eingebracht.

Der Bundesrat, der im Gesetzgebungsverfahren aufgrund der Föderalismusreform anzuhören war, hatte daraufhin eine Vielzahl von Änderungsvorschlägen eingebracht. In dem zuständigen Innenausschuss des Bundestages wurden dann nochmals Änderungen am Entwurf vorgenommen, über den dann der Bundestag abschließend beraten hatte. Der Gesetzentwurf wurde am 14. März sodann im Bundesrat abschließend beraten (www.bundesrat.de, Drucksache 129/08); er fasste den Beschluss, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen, so dass das Gesetz damit in der Fassung der Beschlüsse des Innenausschusses „durch“ war und im Bundesgesetzblatt veröffentlich werden konnte.

Der Bundesrat hat allerdings zugleich zur Neuregelung der so genannten Gelben Waffenbesitzkarte (WBK) eine Entschließung gefasst. Unter Hinweis auf den Amoklauf in Erfurt wird darin polemisiert, dass Sportschützen nunmehr 40 Waffen „anhäufen“ können, ohne hierfür ein Bedürfnis zu haben. Ausgerechnet das Land Thüringen war hier aktiv, obwohl gerade die Erfurter Behörden es waren, deren Versagen zu dem Amoklauf beigetragen hat. Es bleibt insoweit zu hoffen, dass die Bundesregierung dieser Entschließung, die wieder einmal die Sportschützen insgesamt in die kriminelle Ecke stellt, nicht folgen wird.

Den vielfältigen Bemühungen des DSB zur Herabsetzung der Altersgrenze für das Schießen (unter doppelter und qualifizierter Aufsicht) mit Druckluftwaffen war leider kein Erfolg beschieden, so dass es bei 12-Jahresregelung bleibt. Der von dem Abgeordneten Hartfrid Wolff, FDP, im Innenausschuss mit bemerkenswerter Begründung gestellte Antrag, die Altersgrenze auf 10 Jahre herabzusetzen, fand keine Zustimmung. Dem Vernehmen nach hat sich insbesondere der Abgeordnete Dieter Wiefelspütz, SPD, dem widersetzt; auch in der SPD-Fraktion fand der Vorschlag keine Mehrheit.

Deutschland bleibt daher in Europa das einzige Land, das eine solche Altersgrenze kennt. Offensichtlich unterscheiden sich deutsche Kinder so dramatisch von den Kindern unserer europäischen Nachbarn, dass trotz aller wissenschaftlicher Untersuchungen, die eine positive Auswirkung auf Kinder und Jugendliche durch den Schießsport belegen, Vorurteile weiterhin die entscheidende Rolle in dieser Angelegenheit spielen. Dass diese Entscheidung Auswirkungen auf die Teilnahme deutscher Sportschützinnen und –schützen auf die Jugendolympiade 2010 haben wird, dürfte nicht von der Hand zu weisen sein.

Positiv ist in diesem Zusammenhang allerdings eine Änderung des § 3 Abs. 3 WaffG zu vermerken: Hiernach kann die zuständige Behörde für Kinder und Jugendliche allgemein oder für den Einzelfall Ausnahmen von Alterserfordernissen zulassen. Wenn wir schon die Taube auf dem Dach nicht bekommen haben, so müssen wir zunächst mit dem Spatz in der Hand zufrieden sein. Eine solche allgemeine Ausnahme kann für konkrete Veranstaltungen des Vereins, z.B. Königsschießen, Sichtungsschießen, Tag der offenen Tür, Schnuppertag für die Schüler der letzten Grundschulklasse, erteilt werden. Hierbei ist nicht erforderlich, dass Kinder und Jugendliche namentlich benannt werden; vielmehr ist die Genehmigung pauschal zu erteilen und ermöglicht gerade auch die spontane Teilnahme am Schießen. Grundsätzlich ist es hiernach auch zulässig, für wiederkehrende Veranstaltungen eine solche Ausnahme zu erteilen.

Der Deutsche Schützenbund kann daher nur alle Vereine bitten, von dieser neuen gesetzlichen Möglichkeit regen Gebrauch zu machen und sich nicht von behördlichen Bedenken abhalten zu lassen. Bei Verweigerung von Ausnahmen sollte auf einem förmlichen Ablehnungsbescheid bestanden werden. Insoweit wäre es hilfreich, wenn der DSB über derartige Ablehnungsbescheide unterrichtet wird. Ein Beispiel für eine ebenso sach- wie rechtswidrige Ablehnung lässt sich einem Bescheid des Landkreises Osnabrück entnehmen:

„Auch wenn die vorgesehene Schießvorrichtung aus sicherheitstechnischer Sicht keinen Anlass zu Bedenken gibt, halte ich es aufgrund des immer häufiger vorkommenden Waffenmissbrauchs durch Kinder und Jugendliche für bedenklich, auf diesem Wege (nämlich Ausnahme nach § 3 Abs. 3) einer größeren Anzahl von Kindern das Schießen mit einer Schusswaffe zu ermöglichen.

Eine für die Praxis vor Ort wichtige Regelung ist in § 27 Abs. 3 WaffG getroffen worden. Hiernach kann das Schießen von Kindern und Jugendlichen auch durch zur Aufsichtführung berechtigte Sorgeberechtigte erfolgen. Diese Regelung dürfte insbesondere bei kleineren Vereinen die Möglichkeit der Heranführung von Kindern und Jugendlichen an den Schießsport einfacher machen.

Ein Kernstück der Neuregelung aus Sicht der Sportschützen ist die klarstellende Neufassung des § 14 Abs. 4 WaffG. Hiernach wird Sportschützen, die dem Schießsport in einem anerkannten Schießsportverband als gemeldetes Mitglied nachgehen, „abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 3 (Die Erlaubnis für den Erwerb einer Waffe gilt für die Dauer eines Jahres…)unter Beachtung des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1 (mindestens 12 Monate regelmäßig Schießsport) und Satz 3 (Erwerbsstreckungsgebot)eine unbefristete Erlaubnis erteilt,“ die zum Erwerb der sodann genannten Waffen berechtigt. Damit wird nun ein jahrelanger Streit zwischen den Ländern und sogar einzelnen Behörden innerhalb eines Landes über die Prüfung des Bedürfnisses für die genannten weniger deliktsrelevanten Waffen klargestellt. Die strenge Auffassung, dass für jede Waffe ein Bedürfnisnachweis erforderlich ist, hat sich zu Recht nicht durchgesetzt. Der Verband muss daher künftig nur noch bescheinigen, dass der Sportschütze regelmäßig den Schießsport ausübt. Allerdings setzt dies voraus, dass der Sportschütze bei dem Verband gemeldet ist und zwar nach meiner Auffassung für das ganze Jahr. Nach der Begründung soll dem Sportschützen ermöglicht werden, mit eigener Waffe den Schießsport auch als Gastschütze nach einer Sportordnung eines anderen Verbandes auszuüben. Damit wird den vielfältigen Schießsportmöglichkeiten und Interessen der Sportschützen sachgerecht Rechnung getragen. Da die erworbene Waffe auf der WBK eingetragen werden muss, kann der von einigen Ländern befürchteten missbräuchlichen Anhäufung von Schusswaffen auch seitens der Behörden begegnet werden, denn es muss sich immer um eine Waffe für das sportliche Schießen handeln. Im Zweifelsfall wird der Sportschütze dies zu belegen haben.

Mit der Neuregelung ist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erwerbsstreckungsgebot überholt, denn das Gesetz sieht nun ausdrücklich vor, dass auch für die Waffen der Gelben WBK gilt, dass im Halbjahr nicht mehr als 2 Waffen erworben werden dürfen.

Wichtig ist noch die Begründung zum Gesetz, wonach das regelmäßige Schießen zwar mit erlaubnispflichtigen Schusswaffen erfolgen muss (das Schießen mit Druckluftwaffen reicht also nicht aus); jedoch wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich dies weder auf jede einzelne im Besitz des Sportschützen befindliche Waffe noch auf die konkret erst zu erwerbende Waffe bezieht. Wer also 12 Monate mit einer Pistole .22 geschossen hat, hat für den Erwerb einer Pistole .38 also auch das Erfordernis des regelmäßigen Schießens erfüllt. Allerdings bleibt es wohl den Verbänden unbenommen, insoweit selbst strengere Anforderungen an das Schießen zu stellen.

Wegen des Auslaufens der bisherigen Regelung des § 20 WaffG war eine Neuregelung beim Erbrecht bis zum 1.4.2008 zwingend erforderlich. Die Vorschriften zum Erwerb infolge Erbfalls (was kein Privileg sondern ein Verfassungsrecht ist !) sind umfassend neu geregelt worden. Hiernach muss der Erbe, der kein Bedürfnis geltend machen kann, die Erbwaffen durch ein Sicherungssystem sichern. Hierzu wird im Bundesanzeiger eine vom BMI erstellte Technische Richtlinie Blockiersysteme für Erbwaffen veröffentlicht werden, die für die Industrie Regelungen für möglichst wirksame Systeme enthält. Wichtig ist jedoch Satz 3 in Abs. 3:

„Einer Sicherung durch ein Blockiersystem bedarf es nicht, wenn der Erwerber der Erbwaffe bereits aufgrund eines Bedürfnisses nach § 8 oder §§ 13 ff. berechtigter Besitzer einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe ist.“

Wer also Inhaber einer WBK ist, braucht also für als Erbe erworbene Waffen kein Sicherungssystem. Zur Prüfung der Systeme ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt berufen; allerdings sind bis jetzt noch keine konformen System zugelassen. Damit es aufgrund dieser Umstände nicht zu Problemen mit Erbwaffen kommt, sieht Abs. 7 vor, dass die zuständigen Behörden Ausnahmen erteilen müssen, solange kein zugelassenes Sicherungssystem vorliegt.

Ein wichtiger Punkt für den Gesetzgeber war eine Neuregelung hinsichtlich der Anscheinswaffen. Hatte es unter der Geltung der früheren waffenrechtlich Regelungen in § 37 WaffG a.F. vielfältige Probleme in der Abgrenzung der Waffen gegeben, so sollten diese mit dem Wegfall einer Regelung im WaffG zum 1.4.2003 beseitigt werden. Vielfältige Vorfälle mit Anscheinswaffen führten jedoch zur Notwendigkeit einer Regelung. Nunmehr verbietet § 42a WaffG das Führen von Anscheinswaffen. Diese sind in der Anlage 1 Nr. 1.6 konkret definiert. Das Verbot des Führens ist bußgeldbewehrt; es gilt nicht für den Transport in einem verschlossenen Behältnis. Waffenbesitzkartenpflichtige Waffen fallen nicht unter den Begriff der Anscheinswaffen.

Verboten ist nun auch das Führen von Einhandmessern und Messern mit einer Klingenlänge von mehr als 12 cm. Hierzu wurde von dem vom Land Berlin benannten Sachverständigen anlässlich der Sachverständigenanhörung im Bundestagsinnenausschuss ein „getürktes“ Video über eine Messerstecherei vor einer Disko mit der Bemerkung vorgeführt, die beiden Türsteher hätten die Nacht nicht überlebt – tatsächlich wurden sie nur leicht verletzt und erfreuen sich Gott sei Dank ihres Lebens. Dieses Video hat Eindruck gemacht – auch auf mich. Es mag sich jeder seine Gedanken dazu machen, dass ein leitender Kriminalbeamter eines Landes den Bundestag belügt! Ergebnis ist jedenfalls eine Verbotsregelung mit Ausnahmen, die das Führen zu einem allgemein anerkannten Zweck erlaubt. Also in der linken Jackentasche einen Apfel und in der rechten Jackentasche das Einhandmesser zum Schälen des Apfels???

Weitere Regelungen:

  • Neugefasst wurden die Regelungen über die Anerkennung von Schießsportverbänden und die Genehmigung von Sportordnungen. Aus dem bisherigen § 15 wurden die §§ 15, 15a und 15 b gemacht. Das Bundesverwaltungsamt hat nun die Pflicht, über Sportordnungen oder deren Änderungen innerhalb von 3 Monaten zu entscheiden, danach gelten sie als genehmigt.
  • Neu ist die Verpflichtung für Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen, bei einem Wegzug ins Ausland die neue Anschrift der zuletzt zuständigen Waffenbehörde mitzuteilen. Ob diese Regelung rechtlich haltbar ist, scheint mir allerdings zweifelhaft, da die Geltung des Waffengesetzes damit auf ausländisches Staatsgebiet erstreckt wird.
  • Besonders wichtig für die tägliche Praxis ist die in der Anlage 1 Abschnitt 2 neu eingefügte Definition der Begriff „schussbereit“ (Nr. 12) und „zugriffsbereit“ (Nr. 13). „Schussbereit“ ist nunmehr klar definiert: ist eine Waffe schussbereit, wenn sie geladen ist, das heißt, dass Munition oder Geschosse in der Trommel, im in die Waffe eingefügten Magazin oder im Patronen- oder Geschosslager sind, auch wenn sie nicht gespannt ist.

Weniger klar ist „zugriffsbereit“ – einmal positiv und einmal negativ – formuliert: ist eine Schusswaffe zugriffsbereit, wenn sie unmittelbar in Anschlag gebracht werden kann; sie ist nicht zugriffsbereit, wenn sie in einem verschlossenen Behältnis mitgeführt wird.

In einem verschlossenen Behältnis ist eine Waffe also grundsätzlich – egal wo sich das verschlossene Behältnis sonst befindet, z.B. auf dem Rücksitz des Autos oder auch in der Hand des Schützen. Ein kleines Schloss, das den Reißverschluss am Waffenfutteral verschließt, genügt also, ebenso der verschlossene Kofferraum (allerdings nicht im Kombi, wenn er von innen zugänglich ist !).

Umgekehrt ist der Begriff „unmittelbar“ unscharf; in der Begründung heißt es: „mit wenigen schnellen Handgriffen“. Reicht der – nur geschlossene – Waffenkoffer auf der Rücksitzbank aus? Genügt die Verwahrung im von der Fahrerseite schwer erreichbaren Handschuhfach?

Hier werden wohl Rechtsanwälte und Gerichte ein weites Betätigungsfeld finden.

Wichtig ist jedoch: Es liegt im Eigeninteresse eines jeden Sportschützen seine auf dem Transport mitgeführten Waffen so zu sichern, dass ein Zugriff nicht möglich ist. Hier gilt: Lieber etwas zu viel des Guten als zu wenig.

  • Anstelle des Begriffes „CO2-Waffen“ ist nun der Begriff „Gasdruckwaffen“ zu verwenden.
  • In den Begriff des „Führens“ in Anlage 2 Abschnitt 2 ist nun auch die Schießstätte aufgenommen worden, so dass klargestellt wurde, dass die Ausübung der tatsächlichen Gewalt auf einer Schießstätte (nicht nur im Schießstand) kein „Führen“ i.S.d. Gesetzes ist.
  • Verboten sind nun auch Vorderschaftrepetierflinten mit einer Waffengesamtlänge von weniger als 95 cm oder einer Lauflänge von weniger als 45 cm.
  • Wechselläufe sind zwar weiterhin frei erwerbbar, aber nunmehr eintragungspflichtig.
  • Aus dem Waffengesetz herausgenommen sind Armbrüste mit elastischen Geschossspitzen (Saugnapfspitzen) und einer komplizierten Berechnung für die Bewegungsenergie. Leider ist der Gesetzgeber dabei geblieben, die Armbrüste grundsätzlich weiterhin dem WaffG zu unterwerfen, obwohl sie überhaupt nicht deliktsrelevant sind.

Über diese für die Sportschützen wesentlichen Regelungen hinaus hat es ferner Änderungen für Hersteller und Händler sowie für den grenzüberschreitenden Verkehr gegeben, die für den Sportschützen weniger relevant sind. Teilweise treten diese erst in zwei Jahren in Kraft. Hierüber wird demnächst berichtet.