National
Norbert Gau beendet internationale Sportkarriere
Nach 20 Jahren im Nationalkader beendet Norbert Gau, Paralympics-Silbermedaillengewinner, als einer der erfolgreichsten Schützen mit Behinderung seine internationale Karriere mit etlichen Medaillen und Erinnerungen im Gepäck. Ein Rückblick auf die prägendsten Momente seiner Sportlaufbahn.
Es sollte ein Tag voller Spaß und Action für Norbert Gau werden. Ein Tag, an dem er den Gipfel spielerisch erklimmt. Doch dieser Tag vor 40 Jahren stellte sein Leben auf den Kopf! Beim Klettern stürzt Gau, fällt und muss fortan sein Leben im Rollstuhl führen. Sieben Jahre hat es gedauert, ehe der Bayer im Fernsehen den Sportlern beim Rollstuhlschnellfahren bei den Paralympics in Südkorea zusieht und beschließt, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Mit dem Handbike entdeckt er die Liebe zum Sport neu. Der Beginn einer beeindruckenden Sportkarriere, die 2008 mit der Silbermedaille bei den Paralympics in Peking gekrönt wird. Viermal (Athen, Peking, London, Rio de Janeiro) qualifizierte sich Gewehrschütze Norbert Gau für das größte Sportereignis der Welt, doch vor Tokio ist Schluss. Schluss mit internationalen Reisen, Schluss mit Leistungssport und dem Kaderstatus: nach 20 Jahren.
Eine Entscheidung, die in den letzten Wochen und Monaten gereift sei, auch wegen der aktuellen Corona-Situation, die das Reisen und das Training zusätzlich erschwert und sich mit dem 40-Stunden Job des 58-Jährigen kaum vereinbaren lässt. Ein plötzlicher Todesfall in der Familie habe ihn zum Nachdenken gebracht: „Ich will meine Zeit, die mir in meinem Leben noch bleibt, genießen und nicht ständig unter Stress stehen.“ Da konnten auch die bevorstehenden Paralympischen Spiele keine Motivation mehr entfachen, denn „es werden nicht die Spiele sein, wie ich sie kenne“. Für ihn zähle vielmehr, diese schönen Erinnerungen von den Eröffnungsfeiern bis hin zu den Empfängen am Flughafen im Herzen zu behalten. „Die Silbermedaille zu gewinnen, war für mich sportlich gesehen, das höchste der Gefühle. Vom Schießen bis auf das Treppchen lief alles wie im Film ab“, erinnert sich Gau noch heute gerne an dieses Erlebnis zurück. Doch mit den Paralympischen Spielen verbindet Gau sowohl den Höhepunkt als auch den Tiefpunkt seiner sportlichen Karriere. Denn auf dem Weg zum Flughafen zu seinen vierten Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 verstirbt sein kranker Bruder. Dessen letzter Wunsch: Bruder Norbert soll an den Spielen teilnehmen. Eine der größten Herausforderungen, die Gau als Sportler meistern musste und einer der emotionalsten Momente seiner Sportkarriere: „Aber all diese Momente haben mich am Ende stärker und lebensfroher gemacht.“
Ich will etwas von meinem Lebensmut zurückgeben und zeigen, dass ein Leben im Rollstuhl nicht bedeutet, dass man nur zuhause rumsitzen muss. Wenn man die Füße in die Hände nimmt, dann ist dieses Leben auf alle Fälle lebenswert.
Wenn Gau auf die 20 Jahre seines Sportlerdaseins zurückblickt, dann kommt ihm vor allem ein Moment immer wieder in den Sinn. Seine erste internationale Medaille für Deutschland: Mannschaftsgold bei der EM in Dänemark 2001, zusammen mit Josef Neumaier und Joachim Schäfer. Obwohl er selbst nicht zufrieden war mit seiner Leistung, zeigte ihm dieser Moment, auf was er zehn Jahre hingearbeitet hatte und es erfüllte sich sein Traum: für Deutschland auf dem Treppchen zu stehen. „Der Schießsport mit all der Geselligkeit drumherum hat mir immer sehr viel Spaß gemacht, deshalb bin ich hier hängengeblieben“, erzählt Gau. In seiner beeindruckenden Laufbahn gewann er vier Einzelmedaillen und zahlreiche Mannschaftsmedaillen bei Welt- und Europameisterschaften, „erst ein paar Jahre später, kam diese Leistungsentwicklung“. Für seine internationale sportliche Leistung wurde er unter anderem vom Bundespräsidenten mit dem „Silbernen Lorbeerblatt“ ausgezeichnet und erhielt 2011 den Bayerischen Sportpreis „Jetzt-erst-recht“.
„Es waren wunderschöne Jahre, in denen ich super Typen kennenlernen durfte, viel Unterstützung erfahren habe, aber die auch Anstrengung und Entbehrung mit sich brachten“, so sein Resümee nach 20 Jahren internationalem Leistungssport. Auch wenn die internationale Medaillenjagd ein Ende habe, wolle er dennoch die ein oder andere Medaille seiner nationalen Medaillensammlung hinzufügen. Künftig soll sein Augenmerk aber vermehrt dem Ehrenamt im Verein und Gau liegen, bei denen er bereits jetzt als 2. Sportleiter und Behindertensportreferent aktiv ist und ganze Generationen im Verein mitgeprägt hat: „Ich will etwas von meinem Lebensmut zurückgeben und zeigen, dass ein Leben im Rollstuhl nicht bedeutet, dass man nur zuhause rumsitzen muss. Wenn man die Füße in die Hände nimmt, dann ist dieses Leben auf alle Fälle lebenswert.“