Jugend
Schießsport im Unterricht: In Husum gehen Schulen und Vereine Hand in Hand
Während viele Städte und Gemeinden noch überlegen, wie sie die ab 2026 verpflichtende Ganztagsbetreuung an Schulen realisieren können, gibt es in Husum bereits zehn Jahre lang ein solches Angebot. Die Stadt hatte 2014 die Volkshochschule (VHS) mit der Koordination beauftragt. Und auch der Bogen- und Schießsport ist mit der Husumer Schützengilde von 1586 ein wichtiger Teil davon.

In Husum sind alle weiterführenden Schulen (zwei Gemeinschaftsschulen und zwei Gymnasien) voll bei der Sache. Mehr als ein halbes Dutzend Einrichtungen und Vereine haben sich dauerhaft eingeklinkt und schlagen so eine Brücke zwischen Unterricht und Freizeit der Kinder und Jugendlichen.
Kirsti Thiessen leitet die offene Ganztagsschule (OGTS) bei der VHS. Sie unterstreicht den engen Schulterschluss zwischen Schulen und Vereinen. Schüler könnten unter vielen Aktivitäten wählen, vom gemeinsamen Kochen und „Lecker-Chillen“ über Musical-Dance oder Reiten bis zu Kursen mit der Programmiersprache Scratch. Vereinen gelingt es damit, so Thiessen, niederschwellig junge Menschen an verschiedene Themen heranzuführen. Die könnten sich dann entscheiden, was sie ein halbes Jahr lang ausprobieren wollen und sich womöglich danach auf Dauer enger an den ein oder anderen Verein zu binden. Als Beispiel führt sie die Husumer Schützengilde an, die im Rahmen der OGTS Schüler in den Schießsport einführt. Längst seien Schüler darüber hinaus Mitglied der Gilde geworden und trainierten zusätzlich in deren Jugendgruppe.
Die OGTS-Leiterin ist gut vernetzt und sieht im Vergleich mit anderen Regionen die Husumer OGTS „gut aufgestellt“ – und das bereits so viele Jahre.

Prägnant - und mit etwas Übertreibung - bringt Thilo Berg die Kooperation mit den Schulen in Sachen Schießsport auf den Punkt. Er ist Jugendschaffer der Husumer Schützengilde von 1586 e. V. und DOSB-Trainer für Bogen, Gewehr und Pistole: "Über Jahre haben Vereine immer mal wieder Tage der offenen Tür angeboten, um auf sich aufmerksam zu machen. Mit der Offenen Ganztagsschule zusammen machen wir jetzt 365 Tage der offenen Tür." Der Witz sei nämlich, dass stets ein offener Zugang zu den Angeboten gewährleistet wird. Alles ohne Gruppen- oder Zeitdruck und ohne zwangsweise Mitgliedschaften.
Schnell hatten damals der damalige Ältermann Hans-Peter Wulff und Thilo Berg die Schulen überzeugt, Schießtraining ins OGTS-Angebot aufzunehmen. Sie hatten klargemacht, dass nicht nur Atmung, Haltung und Konzentration geübt würden, sondern vor allem auch die innere Ruhe einkehren werde. Belegen kann das Thilo Berg über die Jahre auch anhand von der positiven Entwicklung so mancher Kinderund Jugendlichen mit Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen.
Alfred Mordhorst, 1. Ältermann der Schützengilde, betont, dass die Husumer Schützengilde von 1586 mit langjähriger Tradition den Schießsport in Husum und Umgebung betreibt und sich seit geraumer Zeit besonders für die Jugend einsetzt.
Dies erfolge erstens in der erwähnten Offenen Ganztagsschule der Stadt Husum in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Husum, zweitens durch eine Kooperation mit der Theodor-Storm-Schule unter dem Motto „Förder- und Intensivierungszeit“ und drittens in den regulären Trainingszeiten der Gildejugend. Angebote gibt es unter anderem im Blasrohrsport, Bogensport, Licht- und Luftdruckschießen und Hallenbiathlon. „Durch die Schulung der Jugendlichen durch unseren zertifizierten Jugendtrainer werden unter anderem Konzentrations- und Koordinationsfähigkeit gesteigert, insbesondere durch die Auge-Hand-Koordination“, sagt Alfred Mordhorst und fährt fort: „Atem- und Schusstechniken werden vermittelt, die Jugendlichen lernen in den Trainingseinheiten zum Olympisch-Schießen das Verantwortungsbewusstsein, den sicheren Umgang mit Schusswaffen sowie sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.“
Die wöchentlichen Trainingseinheiten und Kurse der vergangenen Jahre finden unverändert statt – mit steigendem Zuspruch. Der Ältermann zieht Bilanz: Gegen den Trend sei zudem monatlich die Zahl der Mitglieder in der Jugendabteilung der Husumer Schützengilde gestiegen – und das sogar während der Corona-Pandemie auf heute mehr als 50 Jugendliche.
„Neben dem Training in der Jugendabteilung betreuen und trainieren wir wöchentlich bis zu 150 Schüler in der Offenen Ganztagsschule für die Gymnasien Hermann-Tast-Schule (HTS), Theodor-Storm-Schule (TSS) sowie für die Gemeinschaftsschulen Ferdinand-Tönnies-Schule und Husum Nord. Hinzu kommt der Unterricht an der TSS im Rahmen der Förder- und Intensivierungszeit.“
Alfred Mordhorst weist auf die Perspektiven hin: Der laufende Übungsbetrieb werde immer weiter intensiviert und optimiert. So sei auch das Hallen-Biathlon als Schulsport AG von der Husumer Schützengilde entwickelt, um die Schüler bedarfsgerecht fördern zu können und mit der Kombination von Ausdauerbelastung und Präzisionsaufgabe (feinmotorische Bewegung) zu fordern.
"Das ist so schön unkompliziert", sagt auch Martha Braren (17) über ihr Training im Rahmen der Offenen Ganztagsschule (OGTS). Sie erzählt, dass sie bei Mittelalter-Märkten eher zufällig Pfeil und Bogen ausprobiert hatte. Erst dann habe sie von dem Angebot erfahren, sich Anfang 2024 sogleich angemeldet und macht heute einmal pro Woche mit.
Martha Braren spürt die Effekte, die der Sport auf sie hat. Die klaren Abläufe im Training, die Fokussierung auf Atmung, Körperhaltung und die Zielscheibe - all das genießt sie. "Ich kann mich auch im Alltag besser konzentrieren." Und da macht sie noch mehr Sport: fährt Fahrrad, segelt, und dann ist da ja auch noch der Schulsport.
Thilo Dettmer (20) aus Husum war als Kind von Robin Hoods Treffsicherheit mit dem Bogen fasziniert. Sein Opa baute ihm den ersten Bogen aus Bambus. Er bekam den ersten Flyer der Offenen Ganztagsschule in die Hände und wollte prompt mitmachen. So begann er bereits mit zwölf Jahren das Training im Gilde-Angebot der OGTS und nahm fortan einmal pro Woche daran teil. Inzwischen trainiert er mit dem Luftgewehr. "Ich blende dabei alles aus, achte auf meinen Körper, vor allem die Atmung." Unterm Strich, sagt er, sei ihm das auch an der Schule (Hermann-Tast-Schule) nützlich gewesen, habe viel mehr innere Ruhe gewonnen. Beruflich hat er sich für eine Ausbildung zum Orthopädietechniker entschieden.
Nevio Paletta (18) aus Olderup lacht, als einmal mehr die Anekdote über seinen Einstieg ins Schießtraining im Rahmen der OGTS erzählt wird. Als zehnjähriger Steppke, Vater eines Soldaten, sei er angekommen und habe voller Selbstvertrauen verkündet: "Ich will hier Pistole schießen." Da Kinder aber erst mit zwölf Jahren eine Luftpistole in die Hand nehmen dürfen, begann für ihn alles mit der Lichtpistole. Schon da erkannten alle sein Talent, prompt trat er gleichzeitig in die Gildejugend ein und trainierte dort parallel. Ihm habe das persönlich gutgetan, blickt er auf die Jahre zurück. Er habe es als Auszeit von den Anforderungen an seiner Schule (auch HTS) genommen. "Ich bin stärker motiviert und kann mich besser konzentrieren." Und dann fügt er noch hinzu, dass er durch all das ja auch viele neue Freunde gewonnen habe.
Nevio ist der 1. König der Gildejugend, nunmehr im dritten Jahr Jugendkönig im Schützengau Grenzfähnlein Furt im Wald und war mehrmals Kreis- und Vizelandesmeister.
Husumer Gymnasium integriert Schießsport in den Unterricht
Die Theodor-Storm-Schule (TSS), eines der zwei Husumer Gymnasien, kooperiert mit der Husumer Schützengilde von 1586 e. V. nicht nur im Rahmen der Offenen Ganztagsschule (OGTS). Sie krönt alles dadurch, dass sie neben dem Bogen-, Blasrohr- und Lichtschießen in ihrem regulären Unterricht im neuen Schuljahr auch Schießen mit Armbrust, Luftpistole und Luftgewehr anbieten wird. Die Schützengilde ermöglicht ihr, diese spannenden Sportarten in den Schulalltag am Vormittag einzubauen. Ein neuer Shuttle-Bus macht es möglich, die Schüler sicher und schnell von der TSS zur Multifunktionshalle der Husumer Schützengilde zu transportieren. Nils Peters, stellvertretender Leiter der Schule, nahm den Bus in Gegenwart von Bürgermeister Martin Kindl, 1. Ältermann Alfred Mordhorst und Jugendwart Thilo Berg in Empfang. Das Projekt firmiert unter dem Titel „FIZ“.
„Für die Umsetzung der Förder- und Intensivierungszeit (FIZ) sind nicht nur die engagierten Lehrkräfte an der Theodor-Storm-Schule unerlässlich, sondern auch unsere Vereinswelt“, betonte der Bürgermeister anlässlich der Übergabe des Fahrzeugs an die Schule. Das Leasing des Fahrzeuges wurde dankenswerterweise durch die Johannes-und-Irene-Thordsen-Stiftung gefördert.
(Thilo Berg)