Olympische Spiele

Schießstand in Peking mit „Gänsehautgefühl“

02.01.2007 00:00

Noch ist das neue Jahr 2007 gerade erst einmal zwei Tage alt, da werfen die Olympischen Spiele 2008 in Peking schon ihre Schatten voraus. Schießsporttrainer Uwe Knapp (Foto links), Betreuer der Nationalmannschaft der Behindertenschützen, der schon zwei Mal aus der Mongolei berichtete, hatte Ende des vergangenen Jahres als erster Europäer die Gelegenheit, sich den olympischen Schießstand von innen anzusehen. Nachfolgend sein spannender Bericht:

 

Mein Besuch bei BOCOG, dem Organisationskomitee der Olympischen-, wie auch der Paralympischen Spiele 2008 in Beijing hat mit einer Präsentation der Gesamtveranstaltung begonnen. Mr. Hu (Foto rechts), der verantwortlich Mann bei BOCOG für die Belange, die die NOC und NPC betreffen, war so freundlich, mich durch den Tag im Olympic Tower und bei der Besichtigung der Sportstätten zu begleiten.

Die Präsentation beinhaltete eine Darstellung der Abläufe für die Akkreditierung, der Unterkünfte sowie des Transportes inner- und außerhalb des Olympischen Dorfes. Der momentane Stand der einzelnen Bauabschnitte wurde besonders hervorgehoben und mit den entsprechenden Zeitplanungen verglichen. Es wurden alle Sportarten angesprochen und die entsprechenden Sportstätten anhand von Animationen erklärt.

Bereits bei der Präsentation der unterschiedlichen Bereiche konnte man erahnen, welche Organisationskraft die Chinesen an den Tag gelegt haben und auch weiter einsetzen werden. Nicht nur, dass sehr viele Menschen mit dieser Aufgabe der Olympischen- bzw. Paralympischen Spiele 2008 befasst sind, die Perfektion wie hier gearbeitet wird, das ist der eigentlich beeindruckende Punkt.

Auf jede Frage wurde sofort und detailliert geantwortet. So wie es aussieht, wird nichts dem Zufall überlassen. In der gesamten Planungsphase scheint man so umsichtig gewesen zu sein, dass jetzt in der Erstellungsphase keine Widrigkeiten zu erwarten sind.

Der Schießstandbau ist bereits weit fortgeschritten, man liegt deutlich vor dem Fertigstellungsplan, so dass man heute schon sagen kann, dass die Endabnahme der Bautätigkeiten im März 2007 sein wird. Anschließend müssen nur noch die für die Ausübung des Schießsports notwendigen Anlagen eingebaut bzw. die Außenanlagen fertig gestellt werden.

Nach der ersten Präsentation mit den entsprechenden Erklärungen wurde die erste Besichtungstour unternommen. Auf dem Programm stand das Olympiastadion (Foto) mit den angrenzenden Sportstätten.

Zunächst wurde aber das Gesamtkonzept anhand von Modellen erklärt, die in einer extra erstellen Ausstellungshalle, direkt vor dem Olympiastadion, gezeigt wurde. Die Darstellung war mehr als imposant, konnte man sich doch erstmals einen wahren Eindruck vom Gesamtprojekt „Olympia 2008“ machen.

Nun sollte die eigentliche Begutachtung der Anlagen erfolgen, was aber von der Bauleitung des „Olympic Green“ abgelehnt wurde. Das „Olympic Green“ ist das Gebiet um das Olympiastadion mit fast allen Sportstätten, sowie dem Olympischen Dorf, dass in eine großzügige Grünlage eingebettet worden ist. Es war eine charmante aber äußerst bestimmende Form der Ablehnung, begründet mit der großen Unfallgefahr auf der Baustelle und den Baumaßnahmen, die ja bis 2008 fertig gestellt werden müssten.

Also musste sich die Besichtungstour auf die große Ringstraße um das „Olympic Green“ beschränken. Von hier war aber nicht wirklich etwas zu erkennen, nur zu erahnen. Diese Sichtweise hilft bei Planungen für die Vorbereitung auf die Spiele aber nicht wirklich weiter. Die Sportarenen sind in Natura gigantische Bauwerke, die die Olympischen Spiele 2008 zu einer Veranstaltung der Superlative werden lassen. Modern und schön zugleich, einzigartige Konstruktionen, das konnte man schon erkennen und wie schon gesagt, die Chinesen sind ihrer Zeit nun Monate voraus.

Danach ging es zurück in den Olympic Tower, der Operationszentrale für das Projekt „Olympia 2008“. Das Mittagessen wurde zu einem Arbeitsessen umfunktioniert, bei dem weitere Informationen gegeben wurden. Die anschließende Mittagspause hat man von BOCOG verkürzt, um möglichst schnell zum Schießstand (Foto) zu fahren. Die Fahrtzeit vom Dorf bis zur Schießanlage dauert ca. 35 Minuten, wird sich aber während der Spiele auf ca. 25 Minuten verkürzen, da eine Fahrbahn der „4. Ringstraße“, die um Peking herum führt, ausschließlich für den Olympic Traffic freigegeben wird.

Meine Hoffnungen, sich den Schießstand ansehen zu können, wurden bereits auf der Fahrt dorthin von Mr. Hu zunichte gemacht. Er führte ein Telefonat, in dem es hieß, dass der Bauleiter des Schießstandes krank geworden sei, er sich im Krankenhaus befinden würde. Genau dieser Mensch wäre die einzige Person gewesen, die meinem Wunsch nach einer Besichtigung hätte zustimmen müssen. Auf mein Drängen hin haben wir die Fahrt fortgesetzt, um wenigstens das Bauwerk von außen anzusehen, einige Bilder zu machen und dann enttäuscht wieder von dannen zu ziehen.

Bei der Ankunft am Schießstand war ich das erste Mal beeindruckt. Beeindruckt von der Größe, die dieser Schießstand aufzuweisen hat. Eigentlich gar kein Schießstand, denn die Architektur weist eher auf eine Abfertigungshalle eines deutschen Regionalflughafens hin, wie der von Münster-Osnabrück, nur doppelt so groß. In diesem Augenblick habe ich mich richtig geärgert, dass ich dieses Bauwerk nicht von innen besichtigen und inspizieren konnte.

Genau in diesem Augenblick kam ein Mann mit einem roten Sicherheitshelm auf uns zu. Ich hatte mich wohl zu weit auf die Baustelle gewagt, um mit Mr. Hu zu reden. Ich bin von einem Platzverweis ausgegangen. Das Gespräch hat eine Weile gedauert, und dann hat sicher herausgestellt, dass dieser Mensch die wichtigste Person für den Schießstandbau war. Mr. Jougling hat sich mir vorgestellt und mir erklärt, dass er mich auf meinen Weg durch den Schießstand begleiten würde.

Mr. Hu von BOCOG, der selbst noch keine olympische Anlage von ihnen gesehen hat, muss dem Projektleiter wohl mächtig Eindruck gemacht haben. Er unterstrich, dass ich die erste Person aus dem Schießsport sei, die diesen Stand von innen ansehen dürfe. Die aufgenommen Fotos und die gemachten Erkenntnisse sind bis zum jetzigen Zeitpunkt also einzigartig, da noch niemand so hautnah in die Anlage hat vordringen können.

Was ich dann zu sehen bekommen habe, war überwältigend. Bereits Athen 2004 hatte neue Maßstäbe gesetzt, verbaute 55 Millionen Euro, ein außergewöhnliches Schießsportzentrum. Der „Schießstand“ in Beijing stellt aber alles bisher Gesehene in den Schatten.

Die Baustelle ist fast fertig, im inneren Bereich der 25m- und 50m-Schießstände (Foto 50-Meter-Stand) fehlen nur noch die Sitzreihen der Tribünen und die Blenden. Die Decken, sämtliche Dämmungen und die Elektroinstallationen sind abgeschlossen, so dass die ersten der 2500 bzw. 4000 Zuschauer schon sehr bald Probesitzen dürfen. Die Gesamtanlage hat eine Kapazität von ca. 10.000 Zuschauern, die sich auf alle Schießstände, sowie die Finalhalle verteilen. In der Finalhalle werden ca. 2800 Menschen Platz finden, hier ist das Bild aber noch von Rohrgerüsten geprägt, da derzeit die Decken eingezogen werden.

Der Einbau fast aller Fußböden ist weitestgehend abgeschlossen, die Installationen der Sanitäreinrichtungen haben gerade begonnen und entsprechen den höchsten Anforderungen. Im Zuschauer- sowie im Athletenbereich stehen ausreichend viele Toiletten zur Verfügung, so dass es zu keinem Engpass kommen wird. Es wurde darauf wert gelegt, dass alle Toiletten behindertengerecht sind, obwohl hier noch keine Einbauten der notwendigen Ausrüstungen vorgenommen worden sind.

Der Hauptkomplex verfügt über fünf Eingangsbereiche für die Zuschauer. In jedem Bereich der einzelnen Eingänge befinden sich je zwei Aufzüge, die jeweils eine Kapazität für mindesten zwei Rollstuhlfahrern haben. Alle zehn Fahrstühle sind bereits montiert und auf ihre Funktion überprüft worden.

Den größten Fortschritt weist der 10m-Schießstand (Foto) auf. Hier könnte eigentlich bereits trainiert werden. Im Augenblick werden die letzten Dämmplatten eingebaut, die Zuschauertribünen kommen erst kurz vor dem Weltcup 2008, da sie nicht permanent eingebaut bleiben werden. Das Fassungsverfügen wird auf rund 2000 Zuschauer beziffert, die nur unweit vom Schützen Platz nehmen werden.

Der Schießstand verfügt über eine große Anzahl an Räumen für die Waffen- und Ausrüstungsaufbewahrung, Ruhe- und Vorbereitungsraume für die Athleten, Zimmer für Ärzte, Physiotherapeuten, Kampfrichter, sowie für weitere wichtige und unwichtige Leute. Ein Restaurationsbetrieb wird für das leibliche Wohl sorgen, so dass es Athleten, Trainern, Offiziellen und Zuschauern an nichts fehlen wird.

Das Hauptgebäude des Schießstandes beherbergt die 50m-, 25m- und 10m-Stände, die Finalhalle ist ein eigenes Gebäude mit einem imposanten Auf- und Eingangsbereich für die Zuschauer. Überspannt wird der Zwischenraum zu den Gebäuden von einem imposanten Dach, das an eine Flugzeugabfertigungshalle erinnert.

Ungefährt in halber Höhe entsteht derzeit eine Brücke (Foto), die ausschließlich den Stars der Schießsportwettbewerbe der Olympischen Spiele 2008 vorbehalten sein wird. Es gleicht einem Laufsteg der jeweils acht Finalteilnehmer, die sich in schwindelerregender Höhe auf dem Weg zum Showdown befinden. Die Gladiatoren ziehen in die Arena ein. Allein das Erreichen eines Finals wird bei den Athleten ein Gänsehautgefühl hervorrufen, das sie so sicherlich noch nie erlebt haben werden.

Die Athleten, Trainer und Offiziellen, die im Jahre 2008 zwei Mal zu Wettbewerben nach China reisen (Weltcup und Olympische bzw. Paralympische Spiele), werden Wettkämpfe und eine Organisation erleben, die es bislang so noch nicht gegeben hat. Es werden Perfektionsveranstaltungen, die es sicherlich nach 2008 nie wieder geben wird. Hier darf die Frage erlaubt sein, „Wollen wir die absolute Perfektion überhaupt? Oder wollen wir nicht lieber Menschen bleiben, die auch mal einen Fehler machen und diesen auch verzeihen können?“

Die Spiele von Beijing 2008 werden einzigartige Spiele werden, dieser Standard wird einzigartig bleiben. Alle nachfolgenden Olympischen sowie Paralympischen Spiele werden es schwer haben, da wir uns schnell an solche Superlative gewöhnen und Vergleiche anstellen. London und alle weiteren Spiele sollten nicht an Beijing gemessen werden, auch sie haben eine Chance verdient. Sie werden sicherlich mit einem eigenen Charme aufwarten und mit unvergessenen Spielen bezeichnet werden.

Bericht und Fotos: Uwe Knapp