Tradition
Tokio-Olympiafackel für das Deutsche Schützenmuseum
Nicht nur die Sportlerinnen und Sportler des Deutschen Schützenbundes waren bei der Bogen-Europameisterschaft 2022 in München erfolgreich wie nie zuvor. Auch das Deutsche Schützenmuseum auf Schloss Callenberg bei Coburg profitierte von der Veranstaltung: Am Rande des 18. World Archery Europe Kongresses im Münchener Alten Rathaus übergab der Präsident des Weltverbandes World Archery (WA) und Mitglied des IOC, Prof. Dr. Ugur Erdener, eine Fackel der Olympischen Spiele 2020/21 in Tokio an DSB-Präsident Hans Heinrich von Schönfels.
Die Kollektion der Fackeln von Olympischen Sommerspielen des Deutschen Schützenmuseums in Coburg ist – abgesehen von den auf den fünf Kontinenten verteilten, IOC-autorisierten Olympiamuseen, z.B das Olympia- und Sportmuseum in Köln – die weltweit bedeutendste und eine der wenigen jederzeit öffentlich zugänglichen Fackelsammlungen. Den Grundstock dazu legte der 2018 verstorbene Olympiatourist und Mitglied des Beirats der Stiftung Deutscher Schützenbund, Heinz Habbe, im Jahr 2012. Er schenkte dem Deutschen Schützenmuseum die erste Olympiafackel überhaupt von den Spielen in Berlin 1936 und diejenigen der Spiele ab München 1972 bis London 2012.
Einige Kuriositäten aus anderen Quellen sind ebenfalls in der Sammlung. So stellt etwa der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Schützenbundes, Jörg Brokamp, seine Fackel von den Spielen in Atlanta dem Deutschen Schützenmuseum für repräsentative Veranstaltungen zur Verfügung. Er nahm im März 1996 als Absolvent der Internationalen Olympischen Akademie (IOAAA) als erster Deutscher in jenem Jahr am Fackellauf teil, trug das Feuer über einen Kilometer zwischen Kalamata und Sparta auf der Peleponnes und bekam die Fackel anschließend als persönliches Geschenk von der damaligen IOAAA-Präsidentin Laurel Brassey-Iversen (USA) überreicht.
Brokamp ergänzte die Fackel um einen alltagstauglichen Gasanschluss und gab sie im Jahr 2004 als Dauerleihgabe in die Sammlung des Deutschen Schützenmuseums. Diesem Umstand haben es die Stadt Coburg, seine Bürgerinnen und Bürger und die Mitglieder des Deutschen Schützenbundes zu verdanken, dass auf dem Balkon des Deutschen Schützenmuseums auf Schloss Callenberg bei wichtigen Veranstaltungen tatsächlich eine originale Olympiafackel brennen kann. Das gibt es sonst nirgends in Deutschland.
Die Energie für das Olympische Feuer kommt bei der Entzündung während einer Feierlichkeit im antiken Olympia aus dem Parabolspiegel, der das Sonnenlicht konzentriert. Weitergegeben wird es von der einen Fackel zur nächsten, die jeweils eine sehr schmale, hohe Gaskartusche ausbrennt. Das komplizierte Innenleben einer solchen Olympiafackel lässt sich im Schützenmuseum an einem extrem seltenen, aufgeschnittenen Exemplar aus Sydney 2000 bestaunen.
Auf dem Antiquitätenmarkt und auf Auktionen sind originale Olympiafackeln heutzutage nicht unter einem mittleren vierstelligen Eurobetrag zu haben. Im letzten Jahrtausend bekamen Fackelläuferinnen und Fackelläufer ihr Exemplar inklusive des zu tragenden Trikots und plus einer Teilnehmerurkunde noch vom jeweiligen nationalen Olympische Komitee, das Ausrichter des internationalen Fackellaufes ist, geschenkt. Deshalb gibt es in Deutschland, vor allem in Bayern, noch relativ viele Fackeln von den Spielen 1972 in München im Privatbesitz. Heute ist die Teilnahme am Fackellauf eine reine Ehrensache, die Läuferinnen und Läufer haben ein Vorkaufsrecht und können ihre Fackel für ein paar hundert Euro behalten.
Die Fackel der für den DSB bis heute sportlich erfolgreichsten Olympischen Spiele in Rio im Jahr 2016 wurde dem damaligen DSB-Präsidenten Heinz-Helmut Fischer vom seinerzeitigen Generalsekretär der International Shooting Sport Federation (ISSF), Horst Schreiber, beim Festakt zum Deutschen Schützentag 2017 in der Paulskirche in Frankfurt am Main überreicht. Sie stammte aus dem kleinen Fackelpool, der den internationalen olympischen Fachverbänden zur Verfügung steht.
Das Olympische Feuer für die Spiele in Tokio wurde am 12. März 2020 im Beisein von IOC-Präsident Thomas Bach im Heiligen Hain des antiken Olympia mit einem Parabolspiegel durch die Strahlen der Sonne entfacht. Erste Fackelträgerin, und erstmal eine Frau in dieser Rolle, war die griechische Sportschützin und Olympiasiegerin Anna Korakaki, die Monika Karsch bei den Spielen in Rio 2016 in einem denkwürdigen Finale nur knapp geschlagen hatte.
Corona bedingt musste der Fackellauf in Griechenland nach nur einem Tag beendet werden. Nach der Entscheidung, die Olympischen Spiele um ein Jahr zu verschieben, „überwinterte“ das olympische Feuer bis zum Neustart des Fackellaufs am 25. März 2021 im Olympischen Museum in Tokio. Von dort führte der Lauf mit einer Gesamtlänge von 9600 Kilometer in 121 Tagen durch alle 47 Präfekturen Japans – auch durch die von Erdbeben und Tsunami im Jahr 2011 betroffenen Gebiete Miyagi, Iwate und Fukushima - bis zur Eröffnung der Spiele am 23. Juli 2021 im Olympiastadion von Tokio. Entworfen hat die Fackel bereits im Jahr 2015 der Designer Tokujin Yoshioka (*1967), der in Anlehnung an die japanische Kirschblütentradition der Welt „die Widerstandsfähigkeit der in den Katastrophengebieten lebenden Menschen“ zeigen wollte, „und die Anstrengungen, die sie unternehmen, um sich von den Leiden zu erholen“. Sie ist ein künstlerisches Meisterwerk, Symbol der Hoffnung, 1200 Gramm schwer, 61 cm hoch und demnächst Hingucker im Deutschen Schützenmuseum auf Schloss Callenberg bei Coburg.
(Stefan Grus)