Infothek Waffenrecht

Verfassungsbeschwerden gegen Waffengesetz erfolglos

06.03.2013 15:12

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat - so die Pressestellung des Gerichts in ihrer Mitteilung vom 15.02.2013 - drei Verfassungsbeschwerden gegen das geltende Waffengesetz, mit denen die Beschwerdeführer eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten rügen, nicht zur Entscheidung angenommen.

Nach den am 23.01.2013 veröffentlichten Beschlüssen (2 BvR 1645/10, 2 BvR 1676/10, 2 BvR 1677/10) verletzt das Gesetz die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten, vgl. dazu auch die Pressemitteilung des Gerichts. Dem Gesetzgeber kommt bei der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu schützen, ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Seine Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann nur begrenzt nachgeprüft werden. Ein grundrechtlicher Anspruch der Beschwerdeführer auf weitergehende Maßnahmen würde die - vorliegend nicht zu treffende - Feststellung voraussetzen, dass die

geltenden Regelungen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen

zugrunde:

1. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer -

vor dem Hintergrund des Amoklaufs eines ehemaligen Schülers in Winnenden

- gegen das geltende Waffengesetz. Sie rügen eine Verletzung ihres

Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz

1 GG) dadurch, dass das Waffengesetz tödliche Schusswaffen für den

Schießsport erlaubt bzw. deren Gebrauch nicht ausreichend einschränkt.

Das Waffengesetz habe in den vergangenen Jahren keinen ausreichenden

Schutz vor diversen Mordserien mit privaten legalen Waffen geboten. Dies

stelle ein verfassungswidriges Unterlassen des Gesetzgebers dar. Die

Verschärfungen des Waffenrechts nach den Ereignissen von Winnenden seien nicht geeignet, solche Vorkommnisse künftig zu verhindern oder auch nur wesentlich zu erschweren.

2. Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben sind geklärt. Zudem haben die Verfassungsbeschwerden, selbst wenn man Zulässigkeitsbedenken zurückstellt, keine Aussicht auf Erfolg.

3. Aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2

Abs. 2 Satz 1 GG) ist auch eine Schutzpflicht des Staates und seiner

Organe abzuleiten, deren Vernachlässigung von den Betroffenen

grundsätzlich mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Eine solche Schutzpflicht besteht auch hinsichtlich der

Missbrauchsgefahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen. Die

Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann jedoch nur begrenzt

nachgeprüft werden. Nach ständiger Rechtsprechung kann das

Bundesverfassungsgericht eine Verletzung der Schutzpflicht daher nur

dann feststellen, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen

überhaupt nicht getroffen hat oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich

ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu

erreichen.

4. Nach diesem Maßstab können die einschlägigen Vorschriften des

Waffengesetzes von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden.

a) Das Schutzkonzept des Waffengesetzes beruht im Kern auf der

Erlaubnispflichtigkeit des Umgangs mit Schusswaffen, soweit dieser nicht

gänzlich verboten ist. Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis

sind grundsätzlich die Volljährigkeit des Antragstellers, dessen

Zuverlässigkeit und persönliche Eignung sowie der Nachweis der

erforderlichen Sachkunde und eines Bedürfnisses. Den mit der

Verfassungsbeschwerde besonders gerügten Erwerb und Besitz von

großkalibrigen Schusswaffen durch Sportschützen hat der Gesetzgeber an

das Erreichen eines erhöhten Mindestalters von 21 Jahren geknüpft.

Verstöße gegen die Erlaubnispflicht sind mit Strafe bedroht.

Gleichzeitig hat der Gesetzgeber ein ebenfalls strafbewehrtes Verbot der

Überlassung von Waffen oder Munition an nicht berechtigte Personen

statuiert sowie eine sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition

angeordnet. Verstöße gegen die Aufbewahrungsvorschriften hat er

allgemein als Ordnungswidrigkeiten und unter verschärften

Voraussetzungen als Straftat sanktioniert. Einzelne Vorschriften aus den

skizzierten Normkomplexen hat der Gesetzgeber erst als Reaktion auf die

Amokläufe von Erfurt und Winnenden eingeführt oder verschärft.

b) Bei dieser Rechtslage lässt sich weder feststellen, dass die

öffentliche Gewalt überhaupt keine Schutzvorkehrungen gegen die von

Schusswaffen ausgehenden Gefahren getroffen hat, noch, dass

offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen in ihrer

Gesamtheit gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären, um die

Allgemeinheit vor den Gefahren des missbräuchlichen Umgangs mit

Schusswaffen zu schützen. Angesichts des dem Gesetzgeber bei der

Erfüllung seiner Schutzpflichten zukommenden weiten Einschätzungs-,

Wertungs- und Gestaltungsspielraums steht den Beschwerdeführern ein

grundrechtlicher Anspruch auf weitergehende oder auf bestimmte Maßnahmen wie das Verbot von Sportwaffen nicht zu.