Olympische Spiele
„Wir werden nach 2004 von der Bildfläche verschwinden“
Die Entscheidung des Exekutivkomitees des Internationalen Schießsportverbandes (ISSF), die Disziplinen Laufende Scheibe und Doppeltrap der Damen aus dem olympischen Programm für Peking 2008 heraus zu nehmen, ist naturgemäß auf unterschiedliches Echo gestoßen. Diejenigen, die in ihren Wettbewerben von den Streichungen verschont geblieben sind, werden die Beschlüsse mit Erleichterung zur Kenntnis genommen haben, für die Betroffenen ist es der Albtraum schlechthin.
Mit dem Olympiasieger von Barcelona 1992 in der Laufenden Scheibe und Gesamtaktivensprecher des Deutschen Schützenbundes, Michael Jakosits (Homburg/Foto), haben wir am Tage nach der Entscheidung von Madrid das folgende Interview geführt:
„Michael Jakosits, was waren Ihre ersten ganz persönlichen Reaktionen, nachdem Sie gehört hatten, dass Sie und Ihre Mannschaftskollegen nur noch einmal die Chance haben werden, um olympisches Edelmetall zu kämpfen ?“
„Ich war zunächst äußerst verwundert über diese Entscheidung, aber persönlich war ich doch ziemlich gefasst, da Athen meine letzten Spiele sein werden. Aber natürlich denke ich an alle diejenigen, für die es nach 2004 weiter gehen sollte. Vor allem den Nachwuchsbereich trifft es ganz hart. Allein bei uns im Saarland haben wir uns in dieser Altersklasse sehr gut geschlagen, haben einiges an Arbeit geleistet. Nun muss man sich vor die jungen Leute stellen und sagen: Das war’s, die ganze Arbeit der letzten Jahre habt Ihr umsonst gemacht, denn Olympia wird für Euch nichts mehr werden.“
„Hatten Sie befürchtet, dass es die Laufende Scheibe im Streichkonzert der ISSF treffen könnte ?“
„Die Tendenzen gab es sicherlich schon einmal und es ist bestimmt auch hinter der vorgehaltenen Hand diskutiert worden, aber für sehr wahrscheinlich habe ich dies persönlich nicht gehalten. Die Entscheidung hat mich dann doch überrascht.“
„Wo, denken Sie, liegen die Gründe für das olympische Aus Ihrer Disziplin ?“
„Das würde mich allerdings selbst ganz stark interessieren. Keine Ahnung.“
„Wie hätte eine Entscheidung zuungunsten der Laufenden Scheibe vermieden werden können ?“
„Es hätte sicherlich vermieden werden können, wenn seitens der ISSF entsprechende Gespräche im Vorstadium auch einmal mit Aktiven und Trainern sowie Vertretern der nationalen Verbände geführt worden wären. Auch die Lobbyarbeit für unsere Disziplin hätte vielleicht stärker geführt werden müssen.“
„Was bedeuten unter den jetzigen Verhältnissen die Olympischen Spiele 2004 in Athen für Sie ?“
„Einfache und traurige Antwort: die letzte Chance olympisches Gold zu gewinnen oder eine Medaille überhaupt. Wir waren die Ersten, die im Luftdruckbereich eine Medaille gewonnen haben und ich denke, wenn wir die Ära in Athen mit einem Erfolg für uns und damit auch für Deutschland abschließen können, dann haben wir das Maximale erreicht.“
„Wie schätzen Sie nach den Beschlüssen von Madrid die Entwicklung in Ihrer Disziplin ein ? Gibt es eine Zukunft für die Laufende Scheibe ?“
„Ich schätze, dass die Disziplin in den nächsten zwei bis drei Jahren einschlafen wird. Es wird sicherlich noch Wettkämpfe geben, selbst international wird es noch weiter gehen, aber vieles wird in Zukunft auch an den finanziellen Mitteln scheitern, wenn wir nicht mehr olympischer Wettbewerb sind. Hauptaugenmerk des Verbandes sind nun einmal die olympischen Disziplinen, das ist ganz klar. Die Mittel für den nichtolympischen Bereich werden durch das Hinzukommen der Laufenden Scheibe auch im Deutschen Schützenbund nicht höher und man wird uns dann auf das gleiche Niveau finanziell stellen, wie die Vorderlader- und die Feldbogenschützen. Ich schätze, dass sich viele der heute aktiven Schützen dem nicht aussetzen wollen. Wir werden sicherlich nach 2004 von der Bildfläche verschwinden.“
In einem Schreiben an die ISSF wies Jakosits u.a. darauf hin, dass durch diese Entscheidung des Exekutivkomitees auch berufliche Existenzen – zum Beispiel von Trainern und Sportlern – auf dem Spiel stehen bzw. vernichtet würden, da es für die Spezialisten der Laufenden Scheibe keine Alternativdisziplinen im olympischen Programm des Internationalen Schießsportverbandes gibt.