Weltmeisterschaften

WM in Changwon: Als Trainer hin, als Weltmeister zurück

21.09.2018 08:31

Die deutschen Target Sprinter räumten bei der WM in Changwon/Südkorea erneut mächtig ab. Dabei sorgte Paul Böttner für eine ganz besondere Geschichte. Denn der 30-Jährige war als Trainer vor Ort eingeplant und aktiv, kehrte aber auch als stolzer Mannschafts-Weltmeister zurück nach Deutschland. Wie es dazu kam, erzählt er im Interview.

Wie fühlt man sich als frisch gebackener WM-Goldmedaillengewinner?

Böttner: „Momentan kann ich es noch nicht ganz fassen. Es liegt vielleicht auch am Jetlag, aber die letzten Tage musste ich in mehreren ruhigen Minuten die ganze Geschichte wieder und wieder Revue passieren lassen. Das war so nicht geplant!“

Ihre Geschichte ist ungewöhnlich: Sie waren als Trainer in Changwon und kommen als Mannschafts-Weltmeister zurück. Erzählen Sie!

Böttner: „Das ist mit Sicherheit nicht der „normale“ Werdegang, wie man zu solch Ehren kommt. Im Grunde wurden die Weichen für diese Konstellation im vergangenen Jahr gestellt, als Michael Herr die Disziplinverantwortung für den Target Sprint übernahm und daran knüpfte, dass ich ihn als Co-Trainer assistiere. Mit der sportlichen Leitung war zu diesem Zeitpunkt bereits abgesprochen, dass wir die WM-Qualifikation – beide als Athleten – für die WM in Changwon noch einmal in Angriff nehmen wollen und dürfen. Michael hat diese geschafft, und so nahm ich seinen Platz als Trainer und gleichzeitig Ersatzmann ein. Diese „Luxussituation“, dass der Trainer auch gleichzeitig als Ersatzmann im Aufgebot steht, war vermutlich eine einmalige, und dass es zu einem Wechsel der Staffelzusammensetzung kam eine mindestens ungewöhnliche Situation.“

Wann fiel die Entscheidung für den Wechsel in der Staffel?

Böttner: „Den Wechsel haben wir am Abend nach den Einzelrennen beschlossen. Ich hatte vor dem Finale des Männerrennens den Zettel mit den Staffelaufstellungen bereits fertig und wollte ihn direkt nach dem Rennen abgeben. Allerdings hatte Sven Müller im Verlaufe dieses Finals erhebliche Probleme. Im Gespräch nach dem Rennen klagte er über Kreislaufprobleme und Schmerzen im Knie. Ich war etwas ratlos, wie ich entscheiden sollte. Das Knie wurde im Nachgang des Wettkampfs behandelt und sollte nicht das Problem darstellen. Sorgen machten eher die Kreislaufprobleme. Infektionskrankheiten durch das ungewohnte Essen oder irgendetwas anderes sind im asiatischen Raum nun auch keine Seltenheit. Die Entscheidung fiel am Ende zwischen Sven Müller, Michael Herr, Sportdirektor Heiner Gabelmann und mir. Wir wollten das Risiko, keine Männerstaffel stellen zu können, nicht eingehen. In der Mixed-Staffel durften wir zwei Mannschaften benennen. Da haben wir uns entschieden, Sven einzusetzen.“

Warum konnten Sie - von den Regularien her - überhaupt einspringen?

Böttner: „Das ist eine gute Frage. Ich kenne die Regularien nicht im Detail. Aber ich denke, da ich in den vergangenen Jahren bereits international bei ISSF-Veranstaltungen teilgenommen habe, war ich zumindest im System „hinterlegt“.“

Waren bzw. sind Sie denn noch voll im „Saft“? Schließlich wurden Sie bei der DM in diesem Jahr aus der Nationalmannschaft verabschiedet!

Böttner: „Die Vorbereitung auf die WM habe ich mit Michael Herr und Felix Elsner absolviert. Ich wusste um meine Rolle und wollte für den Fall der Fälle auf keinen Fall unvorbereitet sein. Beendet habe ich meine Karriere noch nicht. Ich wurde lediglich aus der Nationalmannschaft verabschiedet. Das soll heißen, ich werde weiterhin noch national an Wettkämpfen teilnehmen. Vermutlich lege ich im kommenden Jahr wieder vermehrt den Fokus auf den „klassischen“ Sommerbiathlon. Ich bin vor kurzem 30 geworden, da kommen mir die längeren Strecken eher entgegen;-).“

Wie stand es mit der Nervosität?

Böttner: „Oh, die war gewaltig. Bei einem Blick in die Videos aus dem Finale sieht man recht deutlich, wie ich den ersten Schritt weit vor dem Startkommando mache. Aber das Rennen selber lief dann wie ein Film ab.“

Es waren alles andere als tolle Bedingungen: Es goss in Strömen. Wie sah ihre Taktik aus?

Böttner: „Tat es das? Die äußeren Bedingungen waren kein Problem. Ich glaube, die Zuschauer und Trainer empfanden das eher als störend, aber als Athlet blendet man so etwas aus. Die Taktik war recht simpel. Bis zum ersten Schießen „mitlaufen“ und mit den ersten fünf Schuss vorn dranbleiben. Das hat allerdings nur mäßig funktioniert. Mit sechs Schuss war ich schon leicht im Hintertreffen. Im zweiten Anschlag habe ich alles auf eine Karte gesetzt – mit Erfolg. Die letzte Runde gibt es immer nur Vollgas!“

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Wie war der Trainer Paul Böttner mit dem Athleten Paul Böttner zufrieden?

Böttner: „Es gab vom Trainer einen kleinen Tadel für den – aus Trainersicht – unnötigen zusätzlichen Schuss. Aber zur Siegerehrung lagen sie sich lachend in den Armen und sind das erste Mal seit Jahren abends gemeinsam feiern gegangen;-).“

Wie wurde bzw. wird das herausragende Abschneiden der Target Sprinter gefeiert?

Böttner: „Noch vor Ort haben wir bis kurz vor Abflug zu gut deutsch „die Sau rausgelassen“. Auf Wunsch einiger weniger Teammitglieder, die an dieser Stelle nicht genannt werden wollen, besuchten wir ein typisches koreanisches Restaurant. Ich sage mal so, dass Essen war auf jeden Fall noch nicht lange tot… In der Karaokebar im Anschluss haben wir festgestellt: Wir sollten besser weiter im Kreis laufen und auf fünf schwarze Punkte schießen. Mal schauen, was die Feierlichkeiten zu Hause noch so mit sich bringen.“