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Themenwoche: Diese Geschichten machen Mut

09.07.2020 08:47

Manchmal braucht man einfach jemanden, der einem ein wenig Mut macht. Jemanden, der einem etwas zutraut, wenn einen selbst der Mut verlässt. Es sind oftmals Geschichten von anderen, die einem zeigen, was möglich ist und einen ermutigen, selbst den nächsten Schritt zu machen. Bundesligaspitzenschützin Denise Erber, die ehemalige DDR-Olympiakandidatin Kathrin Hochmuth und Compound-Weltmeisterin Kristina Berger erzählen ihre drei mutigen Geschichten und wie sich ihr Mut ausgezahlt hat.

Bild: Julia Hochmuth / Wie die Mutter, so die Tochter: Kathrin und Julia Hochmuth sind beide Sportler aus Leidenschaft.
Bild: Julia Hochmuth / Wie die Mutter, so die Tochter: Kathrin und Julia Hochmuth sind beide Sportler aus Leidenschaft.

Kathrin Hochmuth: Die mutigste Entscheidung auf dem Olympia-Weg

Es ist ihr absoluter Traum: Gewehrschützin Kathrin Hochmuth qualifizierte sich 1984 erstmals für die DDR für die Olympischen Spiele. Doch statt Olympia kam der Boykott. Zwei Jahre später dann die Weltmeisterschaft auf dem heimischen Stand in Suhl.  Statt der erwarteten Einzelmedaille gab es „nur“ eine Mannschaftsmedaille. Bis zu ihrer nächsten Olympia-Chance hatte die damals 25-Jährige ein Zeitfenster vorgegeben bekommen, indem sie sich ihrer Familienplanung widmen könnte – geklappt hat das mit der Schwangerschaft auch, aber "leider" einige Wochen zu spät. So wurde nach sechs Jahren Nationalmannschaft, einer verpassten Medaille und Ungehorsam auch der Traum von einer eigenen Olympiateilnahme ein für alle Mal begraben. „Es stand zu keiner Zeit im Raum, dass ich wieder anfangen dürfe“, erinnert sich Hochmuth. Im Dezember 1987 erblickte schließlich Julia Hochmuth das Licht der Welt. Trotz des unerfüllten Traums von Olympia hat sich der Mut für Hochmuth bezahlt gemacht: „Ich habe die beste Tochter der Welt, das hebt alles auf! Sie ist der Lohn dafür, sich an der richtigen Stelle aufgebäumt zu haben.“ Mutig sei eben auch, einfach mal gegen den Strom zu schwimmen, erzählt Hochmuth, die heute als Referentin für Sport und Ausbildung im Württembergischen Schützenbund arbeitet: „Damals hatte es für mich nichts mit Mut zu tun, sondern eher damit, dass ich meine eigene Entscheidung treffen wollte, im Nachhinein finde ich diese Entscheidung, sich gegen ein solches System zu stellen und seinen eigenen Weg zu gehen, schon fast todesmutig.“ Hochmuth vertraut trotz einer tiefen Narbe darauf, dass alles im Leben so komme wie es soll und ermutigt heute ihre Tochter, die als Pistolen-Nationalkaderschützin denselben Traum von Olympia hat, eigene Entscheidungen zu treffen und sich so ihren Weg durchs Leben zu bahnen. „Ich habe meine Tochter so erzogen, Ziele sehr konsequent zu verfolgen, aber man muss irgendwann an den Punkt kommen, realistische Entscheidungen zum Thema Familie und Beruf zu treffen. Das sind für mich heute mutige Entscheidungen, die oft sehr schwer fallen, wenn man Sportler durch und durch ist. Es sind Entscheidungen fürs Leben, die einen prägen, so wie ich mich entschieden habe, dass der Sport immer Teil meines Lebens bleiben wird – egal, was vorher passiert ist.“

„Im Nachhinein finde ich diese Entscheidung, sich gegen ein solches System zu stellen und seinen eigenen Weg zu gehen, schon fast todesmutig.“

Kathrin Hochmuth, ehemalige DDR-Leistungssportlerin

Denise Erber: Mit Mut die Hürden des Lebens überwinden

Bild: Erber/Ettner / Denise Erber im Vergleich: Links bei ihrem allerersten Wettkampf, rechts nach ihrem 400er-Triumph gegen Sonja Pfeilschifter in der Bundesliga.
Bild: Erber/Ettner / Denise Erber im Vergleich: Links bei ihrem allerersten Wettkampf, rechts nach ihrem 400er-Triumph gegen Sonja Pfeilschifter in der Bundesliga.

Sport? Kein Interesse. Ja, bis Denise Erber mit 18 Jahren 2012 ihrer Freundin zum ersten Mal bei einem Bundesligawettkampf zusah und ab diesem Moment als Maskottchen das Team bei jedem einzelnen Wettkampf der Saison unterstützte. „Schießen war der erste Sport, den ich mir angesehen habe, weil ich ihn so spannend fand“, erzählt Erber heute, für die nach der Saison klar war: „Das will ich auch probieren.“ Kein Problem! Sie bekam die über 20 Jahre alten Schießklamotten der Mutter ihrer Freundin, das alte Luftgewehr ihrer Freundin und los ging’s. Knapp zwölf Monate später stand die Bayernligamannschaft des Waldkraiburger Teams vor einem Dilemma: Terminüberschneidungen und Krankheitsfälle plagten die Mannschaft, der einzige Ersatz, der noch antreten konnte, war Erber, die bis dahin ohne jegliche Wettkampferfahrung war. Exakt zwölf Monate nach dem ersten Schuss, bestritt Erber ihren ersten Wettkampf ihres Lebens – in der Bayernliga. Kreidebleich und unsicher hangelte sich der Neuling von Schuss zu Schuss, am Ende standen 364 Ringe zu Buche. Knapp sieben Jahre sieht man sie mehr denn je am Luftgewehr-Stand. Inzwischen steht sie allerdings an der Spitzenposition des Bund München in der 1. Bundesliga. Von der Unsicherheit ist keine Spur mehr, stattdessen blickt sie mit Selbstbewusstsein keiner geringeren als Weltschützin Sonja Pfeilschifter in die Augen. Eine Zehn nach der anderen leuchtet auf ihrem Bildschirm auf. Und dieses Mal beendet sie ihren Wettkampf mit perfekten 400 Ringen. „In der Liga wie im Leben braucht man Mut, damit man nicht ins Wanken kommt“, eine Lektion, die Erber durch das Schießen gelernt hat und heute weiß: „Der Mut hat sich für mich in jeder Hinsicht gelohnt: Er hat mir gezeigt, dass, wenn ich 400 Ringe schießen kann, ich auch einige andere Hürden in meinem Leben meistern kann.“

Kristina Berger: Mutig voran im Kampf gegen den Krebs

Compound-Weltmeisterin Kristina Berger stand mitten im Leben, feierte große sportliche Erfolge und reiste um die Welt, ehe sie 2016 eigentlich nur wegen eines scheinbar simplen Hustens zum Arzt ging und mit nur 26 Jahren die Diagnose Krebs erhielt. Statt den Kopf hängen zu lassen, überlegte sie lieber, wann es wieder an die Schießlinie geht, schließlich stand der nächste Wettkampf bevor. „Mir war meine Schwäche nicht bewusst“, so Berger heute, „ich war der Meinung,  ich kann die Deutsche noch mitnehmen.“ Aber die Chemotherapie schwächte sie am Ende doch zu sehr. Angst vor der Rückkehr? Angst vor dem Versagen? Angst vor den Reaktionen? Fehlanzeige. Bereits als die ersten Haarspitzen wieder sprossen, nahm sie wieder Pfeil und Bogen in die Hand. Mit der Deutschen Meisterschaft in der Halle hatte sie ein Ziel vor Augen. Sie meldete sich zurück, durfte ihren Wettkampf aufgrund ihres geschwächten Immunsystems alleine vorschießen, und es tat ihr gut: „Wenn die Psyche gut ist, dann kann sich auch der Körper erholen. Das ist auch beim Schießen so.“ Vielleicht fehlte der Spitzenathletin noch ein wenig die Kraft, doch der Mut, ihren eigenen Weg zu gehen, verließ Berger nie. Im gleichen Jahr qualifizierte sie sich noch für die Weltmeisterschaft in Mexico City, trumpfte dort auf und holte Einzel-Bronze, sowie Mixed-Team-Silber. „Aufgeben darf man nie, und vor allem sollte man nicht in Selbstmitleid zerfließen“, so die ehemalige Nationalkaderschützin, die sich heute lieber ihren Bienen widmet: „Es gibt für mich immer nur einen Weg und der ist geradeaus.“ Vor allem die Menschen, die sie durch den Sport kennenlernen durfte und das ganze Team gaben ihr Mut und Zuversicht und schenkten ihr in dieser herausfordernden Phase ihres Lebens Lebensqualität. Für sie stellte sich daher nie die Frage, ob sie das tue oder nicht. Berger selbst zögert bei der Frage, ob sie sich als mutig beschreiben würde,  gibt sich aber am Ende selbst die Antwort darauf: „Mut ist, immer weiter zu gehen, sonst macht man Rückschritte und das ist das, was einen im Leben voran bringt – egal, wie groß der Schritt ist.“

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