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Interview Doreen Vennekamp: „Ich schieße, weil es mir unheimliche Freude bringt!“

15.12.2022 09:33

Doreen Vennekamp hat 2022 die erfolgreichste Saison in ihrer Karriere erlebt. U.a. gewann sie mit der Sportpistole EM-Gold in Einzel und Team, WM-Bronze im Einzel und -Gold im Team sowie zum Abschluss den Titel beim Weltcupfinale in Kairo (der sogenannte President´s Cup). Weltranglistenplatz eins und eine große Zufriedenheit sind die logische Folge, wie die Sportsoldatin im Interview verrät.

Foto: privat / Schwer abgeräumt hat Doreen Vennekamp in diesem Jahr bei den internationalen Top-Events.
Foto: privat / Schwer abgeräumt hat Doreen Vennekamp in diesem Jahr bei den internationalen Top-Events.

Zum Abschluss der internationalen Saison hast du den Titel beim Weltcupfinale souverän verteidigt. War das das erklärte Ziel?
Vennekamp: „Eigentlich war die WM als Jahreshöhepunkt geplant. Und danach hatten ich und Claudia (Verdiccio-Krause, Bundestrainerin, Anm. d. Red.) auch den ganzen Jahresplan ausgelegt. Dieser Plan war sehr gut aufgegangen, denn die 13 Tage, die ich in Kairo verbracht habe, konnte ich meine Leistung gut abrufen und war super in Form. Als es dann plötzlich hieß, es gibt doch einen President´s Cup habe ich für mich entschieden, die Form nicht zu versuchen weiter auszubauen, sondern nur so gut es geht zu halten. Es war eine lange Saison und die Reserven fast aufgebraucht. Trotzdem kommt beim Sportlerherz und Kopf der Gedanke an die Titelverteidigung auf, aber das erklärte Ziel war die Finalteilnahme. Die letzten Reserven vor Ort auspacken und dann schauen, wohin es mich im Finale trägt.“

Im Finale lief es zunächst nicht nach Wunsch. Nach zwei schwächeren Serien mit insgesamt nur fünf Treffern nahm Claudia Verdicchio-Krause eine Auszeit. Was hat sie gesagt?
Vennekamp: „Ich hätte vielleicht schon nach der ersten Serie eine Auszeit nehmen sollen, war aber zu stur, nach nur einer Serie zu sagen: "Claudia, hier stimmt was nicht und ich habe nur 15 Sekunden um den Fehler zu finden." Ihre Auszeit kam goldrichtig. Ihre ersten Worte waren eine Frage: „Was ist los?“ Und dann: „Mach dich nicht so fest! Unterarm, Handgelenk und Kopf!“ Manchmal wird man im Finale so verbissen und perfektionistisch, dass man es sich selbst verbaut. Man greift durch die Erregung die Waffe fester oder die Unterarmspannung ist zu viel. Das hat Claudia sofort gesehen und genau die richtigen Worte gefunden, um mich wieder in die Bahn zu bringen.“

Danach warst du nicht mehr zu stoppen und hast dir bei 30 Schüssen nur noch vier Fehler erlaubt. Merkt man eigentlich, dass die Konkurrenz „zittert“?
Vennekamp: „Vor dem Finale kam Antoaneta Kostadinova (BUL) zu mir und meinte, „wenn ich könnte, würde ich dir die Medaille jetzt schon verleihen. Diese Saison warst du großartig.“ Solch eine Anerkennung von einer so erfolgreichen und tollen Sportlerin machen einen natürlich noch stärker. Aber ja, manchmal merkt man schon oder hört, wie diskutiert wird, wer in welchem Semifinale ist. Dann kommt schonmal ein „puh Doreen, ich bin jetzt nicht gerade böse, dass wir in verschiedenen Semifinals sind.“ Das nehme ich als Kompliment und ja, da bin ich schon auch ein bisschen stolz drauf.“

Ich bin wirklich froh, endlich den nächsten Schritt gemacht zu haben!

Doreen Vennekamp über ihre Entwicklung

Was bedeutet dir der abermalige Erfolg beim großen Finale?
Vennekamp: „Ich bin wirklich froh, endlich den nächsten Schritt gemacht zu haben. 2019 war ich so oft in Finals, aber für Platz 4 und 5 bekommt man eben keine Medaille - vom Gewinnen eines Wettkampfes ganz abgesehen. Dass ich jetzt dazu in der Lage bin, auch mehrmals im Jahr, macht mich stolz und motiviert mich unheimlich für die nächste Saison.“

Man hört, dass das von Ex-Präsident Lisin ausgelobte Preisgeld nach seiner Abwahl nicht von ihm gezahlt wird. Was sagst du dazu, immerhin geht es bei dir um 15.000 Euro?
Vennekamp: „Ich habe von Anfang an gesagt, dass das eine kritische Sache ist, da die Wahl des Präsidenten vor unserem Wettkampf liegt. Ich bin mit dem Gedanken hingefahren, dass es sein kann, dass das Preisgeld nicht kommt. Aber ich bin auch nicht wegen des Preisgeldes hingefahren, sondern wegen des Wettkampfes. Es ist für mich das Weltcupfinale, und so habe ich es auch genommen. Ich habe zwar den Zettel für das Preisgeld ausgefüllt, habe ihn aber abgesendet mit dem Gedanken: Es ist eher wie ein Lottoschein. Es kann sein, dass ich etwas gewinne, es kann aber auch sein, dass es wie bei den meisten Wettkämpfen ist, dass wir kein Geld bekommen. Es war natürlich megacool im vergangenen Jahr, so ein Preisgeld zu bekommen, aber es ist nicht normal in unserem Sport. Ich rechne also nicht fest mit dem Geld und habe es auch nie, sondern freue mich über den Glaspokal und die schöne Medaille.“

Zuvor hast du EM-Gold und WM-Bronze im Einzel sowie die Goldmedaillen im Team gewonnen. Wie erklärst du dir deine diesjährige Erfolgsstory?
Vennekamp: „Ich glaube, ich bin mental weiter als die letzten Jahre. Das liegt zum einen an meinen sehr guten Trainern, aber auch an der Sportpsycholgin Rita (Regös, Anm. d. Red.), die uns betreut. Und der Zeit. Manchmal braucht es einfach auch Zeit, um sich zu entwickeln und tolle Menschen, die den Weg mit einem beschreiten. Ich glaube, der Wendepunkt dieses Jahr war unser CISM-Wettkampf in Schweden. Ich hatte lange nicht so viel Spaß am Schießen wie dort und das zeigte sich direkt in den Leistungen. Die Stimmung war super und das Team grandios. Ich schieße, weil es mir unheimliche Freude bringt, und das darf man niemals aus den Augen verlieren. Auch nicht im Spitzensport.“

Ich habe erst einmal Luftsprünge gemacht und all meinen Lieben ein Foto der Weltrangliste geschickt!

Doreen Vennekamp über den Moment, als sie erfuhr, Weltranglisten-1. zu sein

Da war der Weltranglistenplatz eins die logische Konsequenz, oder?
Vennekamp: „Ehrlich gesagt, hatte ich es nicht so wirklich auf dem Schirm. Als es mir dann gesagt bzw. gezeigt wurde, habe ich erst einmal Luftsprünge gemacht und all meinen Lieben ein Foto der Weltrangliste geschickt. Damit ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen.“

Viel Luft nach oben scheint es nicht mehr zu geben, oder wo siehst du noch Potenzial?
Vennekamp: „Na die 300 in Duell im Wettkampf fehlen noch (lacht)! Schützen sind Perfektionisten. Da fällt mir noch eine Menge ein. Erst recht in Bezug auf die Luftpistole.“

Was sind deine Ziele im nächsten Jahr?
Vennekamp: „Den Spaß am Schießen nicht wieder in den Hintergrund rücken zu lassen und einige Finalteilnahmen.“

Und was wünscht sich die weltbeste Sportpistolen-Schützin für die Weihnachtstage?
Vennekamp: „Ruhe und Zeit mit Freunden und Familie. Die war diese Saison recht begrenzt, und ich freue mich darauf, jetzt die Kraft für die nächste Saison zu sammeln.“

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