Allgemeines

Neue ISSF-Regeln: Erste Einschätzung der Bundestrainer

08.12.2021 15:25

Die von der ISSF bekannt gegebenen neuen Formate und Regelungen für die olympischen (und einige nicht-olympischen) Disziplinen sorgen bei Schützen aller Disziplinen und Leistungsklassen für Diskussionen. Und auch die Bundestrainer haben unterschiedliche Meinungen dazu, wie unsere kleine Umfrage zeigt.

Foto: DSB / Skeet-Bundestrainer Axel Krämer findet es grundsätzlich gut, dass die ISSF versucht, die Wettbewerbe medienwirksam zu gestalten.
Foto: DSB / Skeet-Bundestrainer Axel Krämer findet es grundsätzlich gut, dass die ISSF versucht, die Wettbewerbe medienwirksam zu gestalten.

Claus-Dieter Roth (Bundestrainer Gewehr): „Ich bin davon nicht begeistert, ich finde es ziemlich unausgegoren, da gibt es sicherlich noch einige Änderungen. Mir fehlt so ein wenig, dass die Sportler mit einbezogen werden. Es ist schlecht, dass sich die Formate bei Luftgewehr und KK-Gewehr so unterscheiden. Wir schießen nur noch die Hälfte im KK, das sehe ich nicht als Hauptproblem, die Leistungen der Athleten werden dadurch noch dichter zusammenrücken. Der Finalmodus kann man so machen, im Luftgewehr finde ich es besser, wenn man auch Bronze ausschießt.“

Der Trend: Alles kürzer, alles schneller!

Claudia Kulla, Bundestrainerin Gewehr-Nachwuchs

Claudia Kulla (Bundestrainerin Gewehr-Nachwuchs): „Man entdeckt bei den neuen Formaten zweifellos das Bestreben der Angleichung, dennoch machen auch die kleineren Abweichungen zwischen den Events, alles wieder etwas kompliziert. Für uns innerhalb einer Disziplin mit sechs Finalformaten (olympisch und nicht-olympisch: 10m Einzel, 10m Mixed, 10m Team, 3x20 Einzel, 3x20 Mixed, 3x20 Team) schon schwierig genug; für Fachfremde trotz Angleichung sicherlich immer noch verwirrend. Hier wäre eine vergleichende tabellarische Übersicht als Kurzinfo von Seiten der ISSF angebracht.
Für Athleten sind die Finals mit ihren Abfolgen hektisch, aber das waren sie zuvor auch. Nun werden die Umbauzeiten für das Finale im KK-Dreistellungskampf noch kürzer. Die Wettkampfzeit für die Qualifikation von 3x20 beträgt nun 1 Stunde und 30 Minuten. Das war auch schonmal mehr. Der Trend: Alles kürzer, alles schneller! Auf die Implikationen dieser Änderung gilt es sich für 2022 im Training einzustellen. Unsere Athleten müssen zügig in den Anschlag finden und genauso zügig von einem auf den nächsten Anschlag umbauen können. Der einzelne Schussablauf muss äußerst ökonomisch gestaltet sein, um auch in kürzerer Zeit Präzision zu garantieren.
Ob diese Finalformate unseren Sport interessanter machen, bleibt abzuwarten. Hier halte ich es für schwierig, es Hallenzuschauern und TV-Zuschauern gleichermaßen recht zu machen. Alles steht und fällt mit den Entwicklungen des Rankings innerhalb eines einzelnen Finals, aber vor allem auch mit der visuellen Ergebnisdarstellung. Sie muss schnell und deutlich Vergleiche zulassen, sodass der Zuschauer geistig vorwegnehmen kann, was passieren müsste, damit…   Dann erst wird der Zuschauer involviert und Drama transportiert. Wenn uns das alles gelingt, am besten ohne den Charakter unserer Disziplin zu stark zu verbiegen, dann erst sind wir auf dem richtigen Pfad. Schauen wir mal.“

Uwe Möller (Bundestrainer Trap): „Ich bin sehr froh, dass die Zeit der Ungewissheit und Gerüchte nun endlich vorbei ist und konkrete Regeln auf dem Tisch liegen. Wichtig war - und darüber sind alle froh - dass die Wettkampfdistanz bei 125 Scheiben bleibt. Also 75 Scheiben am ersten Tag und 50 Scheiben am zweiten Tag. Damit haben wir erst mal Planungssicherheit. Es hat sicher etwas gedauert und viele haben schon ungeduldig mit „den Hufen gescharrt“. Aber so eine Entscheidung, die immens wichtig ist für die Attraktivität unserer Sportart in den Medien als Grundlage für den Verbleib im olympischen Programm braucht eben Zeit! Das Finale im Einzelwettkampf bei den Damen und Männern ist sicher etwas anders als die vorherige Version, berücksichtigt aber jetzt auch acht Athleten statt vorher sechs (zwei Semifinals à vier Schützen) genau wie bei den Gewehr- und Pistolendisziplinen. Damit haben wir eine bessere Vergleichbarkeit untereinander. Wichtig ist nun, dass neue Finalformat bzw. einzelne Elemente kontinuierlich und verstärkt in das Training einzubauen und zu verinnerlichen, damit wir bei Finalteilnahmen fit sind!“

Ich bin sehr froh, dass die Zeit der Ungewissheit und Gerüchte nun endlich vorbei ist und konkrete Regeln auf dem Tisch liegen!

Uwe Möller, Bundestrainer Trap

Axel Krämer (Bundestrainer Skeet): „Ich finde es prinzipiell gut, dass die ISSF versucht, unseren Sport medienwirksam zu gestalten, um uns besser verkaufen zu können. Unsere Schießsportdisziplinen müssen weitsichtig im Olympischen Programm bleiben, trotz beängstigender Aussagen wie – Paris 2024 bleifrei – oder den auch mitunter gegenstandslosen Angriffen aus der Politik! Aber dies ist ein Thema für sich! Fakt ist – jahrelang hat sich in den Regeln nichts getan – und nun überrollt uns eine Welle an Regeländerungen bzw. Neuerungen, welche uns zum Teil direkt am Wettkampfort überraschen! Man fragt sich natürlich, ob an den Zuarbeiten auch Personen beteiligt sind, die etwas von der Disziplin verstehen! Die Art und Weise, wie dies geschieht, ist diskussionswürdig – scheint aber wiederum keinen zu interessieren. Zusammenfassend beleben diese Regeländerungen unsere Disziplin, es werden neue Impulse gesetzt, welche sich auch auf die Inhalte im Trainingsbetrieb auswirken! Wichtig war auch, dass sich die ISSF gegen eine Elimination nach 75 Scheiben ausgesprochen hat!“

Detlef Glenz (Bundestrainer Schnellfeuerpistole): „Für den Bereich Schnellfeuerpistole betreffen die Änderungen erst einmal nur die Finals, die jedoch in Breslau zum President‘s Cup noch nach den alten Regeln geschossen wurden. Wir haben daher noch keine Erfahrungen damit, ich rechne aber mit keinen Problemen für uns. Da durch die zwei Semifinals insgesamt acht Sportler um die olympischen Quotenplätze schießen dürfen, sehe ich das auch eher entspannt. In den beiden Semifinals scheiden die ersten Sportler jeweils nach vier Serien aus, d.h. zwei Sportler nach vier Serien und zwei weitere Sportler nach einer weiteren Serie. Der Druck in den ersten Serien ist in den Halbfinals damit höher als in den bisherigen Finals. Die 16 Treffer im Finale um Gold sind für die Schnellfeuer-Männer kein Problem. Da kann durchaus bereits nach vier Serien Schluss sein! Die neuen Regeln scheinen mir generell mit „heißer Nadel“ gestrickt und daher werden bei den kommenden internationalen Wettkämpfen sicherlich noch einige Justierungen und Präzisierungen vorgenommen.“

Weiterführende Links