Europameisterschaften

Druckluft-EM Tallinn: "Es gibt kein Geheimrezept!"

16.03.2023 08:57

Maximilian Ulbrich sorgte in der vergangenen Woche bei der Druckluft-EM in Tallinn/EST für einen Paukenschlag: Der 22-jährige Luftgewehschütze aus Dielenbach stellte in der Qualifikation zunächst einen neuen deutschen Rekord auf und setzte diesen Lauf auch im Finale mit dem Gewinn des EM-Titels fort. Wie er den Wettkampf erlebte, was ihn so stark macht und wie er den Erfolg bewertet, erzählt er im Interview.

Foto: privat / Sein Heimatverein SG Wilzhofen empfing den Europameister mit zwei großen Bannern im Ort.
Foto: privat / Sein Heimatverein SG Wilzhofen empfing den Europameister mit zwei großen Bannern im Ort.

Der Titelgewinn liegt noch nicht eine Woche zurück: Nimm uns noch einmal in den Einzelwettkampf mit. Wie ist der aus deiner Sicht?
„Es lief alles sehr gut, es hat alles zusammengepasst. Von der Vorbereitung bis hin zur tatsächlichen Umsetzung. Die ersten 30 Schuss in der Qualifikation waren natürlich hervorragend, da habe ich mir ein wichtiges Polster erarbeitet, dass ich nachher verwalten konnte, um auch Kraft und Konzentration für das Finale zu sparen. Klar gab es immer wieder kleinere Krisen, die habe ich aber immer wieder lösen können. Von daher war der Vorkampf alles in allem sehr gut.“

Das Goldmatch hat mir sehr viel gebracht, weil es nicht optimal war, und ich für mich persönlich Fehler erkannt habe!

Maximilian Ulbrich zu den Erkenntnissen aus dem Weltcup-Goldmatch in Kairo

Foto: Risto Aarrekivi / Nach der Entscheidung im Goldfinale gratuliert der unterlegene Slowake Patrik Jany dem neuen Europameister Maximilian Ulbrich.
Foto: Risto Aarrekivi / Nach der Entscheidung im Goldfinale gratuliert der unterlegene Slowake Patrik Jany dem neuen Europameister Maximilian Ulbrich.

Du hast einen neuen deutschen Rekord mit 633,4 Ringen aufgestellt. Das entspricht einem Durchschnitt von 10,5 pro Schuss. Wie geht das?
„Da gibt es kein Geheimrezept. Für mich ist es wichtig, dass jeder Schuss gleich vorbereitet wird und man es nicht besonders machen will, nur weil es ein internationaler Wettkampf ist. Konzentration und Ruhe sind entscheidend, und wenn man dann gut nachhält, dann ist der gute Schuss im Endeffekt ein Resultat der guten und sauberen Arbeit.“

Unmittelbar vor der EM bist du bei deinem ersten Erwachsenen-Weltcup in Kairo Zweiter geworden. Wie wichtig war es für das Goldmedaillenmatch in Tallinn, diese Erfahrung gemacht zu haben?
„Das war in der Tat sehr wichtig. In Kairo war es mein erstes großes internationales Finale seit langer Zeit. Es war wichtig zu zeigen, dass ich es immer noch drauf habe. Das Goldmatch hat mir sehr viel gebracht, weil es nicht optimal war, und ich für mich persönlich Fehler erkannt habe. Die Erkenntnisse daraus habe ich in Tallinn jetzt umsetzen können, von daher war Kairo ein wichtiger Faktor, dass ich jetzt mit EM-Gold rausgehen konnte.“

Es ist erst der dritte EM-Titel im Luftgewehr für einen deutschen Schützen nach 1995 (Torsten Krebs) und 1977 (Faust Steinbrück). Bist du dir dieser Dimension überhaupt bewusst?
„Ja! Ich selbst habe solche Statistiken nicht im Kopf, aber man bekommt es natürlich danach mit. Der erste deutsche Europameister seit 28 Jahren zu sein, ist schon etwas Besonderes. Das sagt einem als Schütze, wie besonders es ist und freut einen natürlich als Sportler. Aber kaufen kann ich mir davon nichts, es sind schöne Nebensächlichkeiten, und ich hoffe eher, dass der Knoten geplatzt ist und wir zukünftig öfter Europameister küren dürfen.“

Ich habe viel geändert: Mein Training, meine Einstellung, mein Mindset!

Maximilian Ulbrich zu den Veränderungen, die er vorgenommen hat

Es war definitiv eine sensationelle Leistung, die natürlich die Frage aufwirft: Was ist mit Maximilian Ulbrich passiert? In welchen Luftgewehr-Zaubertrank bist du gefallen?
„Das ist eine schwierige Frage. Zaubertrank würde ich nicht sagen, weil das vermittelt, dass es ohne schwierige Arbeit von jetzt auf gleich ohne viel Arbeit richtig gut ist. Ich war in den vergangenen Jahren auf der großen Bühne nicht mehr existent, hatte Probleme im sportlichen, privaten oder beruflichen Bereich. Schießen hat mir nicht mehr so richtig Spaß gemacht, weil es nicht einfach war. Ich habe kurz davor gestanden aufzuhören. Gott sei dank habe ich es geschafft, wieder Motivation aufzubauen, Kampfgeist zu zeigen und habe viel geändert: Mein Training, meine Einstellung, mein Mindset – ich habe also vieles anders gemacht als zuvor. Das hat besser funktioniert, die Ergebnisse sind besser geworden, der Spaß ist zurückgekommen und es ging immer weiter aufwärts. Dass es so schnell wieder in die Weltspitze führt, ist für mich ziemlich unglaublich. Jetzt hoffe ich, diese Leistung weiter abliefern zu können und dass ich nicht von der Leistung überwältigt bin.“

Der EM-Titel war zudem mit einem DSB-Quotenplatz für Paris 2024 verbunden. Wie wichtig ist das für die Gewehr-Männer?
„Das ist sehr wichtig. Nach Rio waren wir ziemlich weg vom Fenster und hatten für Tokio keinen Quotenplatz geholt. Das ist für uns ein Startschuss, der auch den anderen zeigt, dass es möglich ist. Ich hoffe, dass wir noch weitere Quotenplätze holen, es gibt noch einige Möglichkeiten. Für das Team ist es eine gute Motivation, dass jeder weiß, wir haben schon einen Starter. Das ist beruhigend und macht es für die anderen jetzt vielleicht einfacher, weitere Quotenplätze zu holen.“

Hat sich deine Position jetzt verändert? Bist du vom Jäger zum Gejagten geworden?
„Ich würde nicht sagen, dass ich jetzt der Gejagte bin. Natürlich haben die anderen mitbekommen, dass da einer ist, der etwas draufhat. Aber es gibt sehr große Namen, die jetzt nicht zum Jäger werden, nur weil ich zweimal etwas gewonnen habe. Die Acht, die im Finale stehen, sind oftmals die gleichen Schützen – generell kann jeder jeden Wettkampf gewinnen. Die individuelle Klasse ist so hoch, dass jeder irgendwie ein Jäger ist.“

Das Team bedeutet schon sehr viel!

Maximilian Ulbrich zum Teamgedanken im Einzelsport Sportschießen

Zum Abschluss hast du im Team mit Maxi Dallinger und David Koenders auch noch Bronze gewonnen. Wie wichtig war das, und was bedeutet das Team in der Einzelsportart Sportschießen?
„Das Team bedeutet schon sehr viel. Auch wenn es eine Einzelsportart ist und im wichtigsten Wettkampf, dem Einzelwettkampf, jeder alleine und für sich an der Schießlinie steht. Dennoch bist du die ganze Zeit mit dem Team unterwegs und verbringst unglaublich viel Zeit mit den Kollegen. Du pushst dich gegenseitig, wenn der andere besser ist, spornt es dich an, ebenfalls besser zu sein. Für mich ist es wichtig, dass es einen guten Teamgeist gibt und jeder gerne mit den anderen unterwegs ist. Wir haben gewusst, dass wir gute Chancen haben und wir etwas reißen können. Dass es am Ende für eine Medaille gereicht hat und wir gemeinsam auf dem Podest stehen, war schön.

Gab es bereits einen Empfang in Wilzhofen, deiner Heimatstadt, oder was ist geplant?
„Ich bin Dienstagnacht nach Hause gekommen, da wurde ich von meiner Freundin und ihren Eltern aus Südtirol überrascht. Zudem stehen Am Ortseingang im Süden und Norden zwei Banner, um die sich die Dorfgemeinschaft gekümmert hat. Da merkt man, dass das Dorf dahinter steht. Mit meinen Bundesligakollegen von der FSG Diessen habe ich schon zusammengesessen, am Freitag gibt es einen Empfang vom Schützenverein, am Samstag von der Gemeinde Dielenbach.“

Und wie geht es für den EM-König von Tallinn in diesem Jahr weiter?
„Jetzt steht erst einmal Regeneration an, um runterzukommen von den letzten stressigen Monaten. Es gilt, Kraft zu tanken und die Ruhe zu genießen, dann kommt eine lange Trainingsphase, bevor es am 7. Mai zum Weltcup nach Baku geht. Der ist wichtig, um dort den Stand kennenzulernen, auf dem später im Jahr die WM ausgetragen wird. Wir haben noch nationale Ausscheidungen wie WM-Qualifikationen und Ranglisten. Mitte/Ende Juli haben wir die European Games in Krakau und dann evt. noch der Weltcup in Rio.“

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