Weltmeisterschaften
Junioren-WM Winnipeg: Die Weltmeister haben das Wort
Sie sorgten für eine doppelte Sensation und Jubel in Bogen-Deutschland: Ruven Flüß (Dinslaken, U21) und Simon Moritz (Oberschneiding, U18) landeten mit ihren WM-Titeln in Winnipeg/CAN einen großen Coup. Einen Tag danach erzählen die beiden Compound-Schützen im Doppel-Interview vom größten Sieg ihrer noch jungen Karriere.

Ihr habt eine (schlaflose?) Nacht als Weltmeister hinter euch: Habt ihr es schon realisiert und wie fühlt es sich an, Weltmeister zu sein?
Flüß: „Das war eine schlaflose Nacht. Ich war immer noch sehr voll mit Adrenalin und vor allem auch in der Nacht kamen dann sehr, sehr viele Glückwünsche aus Deutschland, deswegen hat es dann auch einige Zeit gedauert. Ich glaube, so ganz realisiert, habe ich es noch nicht. Es ist schwer vorstellbar, dass man einfach Top 1 der Welt ist.“
Moritz: „Wie Ruven schon gesagt hat, es ist unvorstellbar. Wir haben vor dem Interview schon darüber geredet, wie krass es eigentlich ist, dass wir jetzt Weltmeister geworden sind und dass wir das eigentlich noch nicht so richtig realisieren können.“
Nehmt uns mal mit nach dem letzten WM-Pfeil: Was ging da in euch vor, welche Gefühle hattet ihr?
Flüß: „Mein letzter Pfeil war ein richtig schwieriger Pfeil. Ich wusste ungefähr, was ich schießen muss, halt irgendwie die Auflage treffen. Das schaffe ich ja immer, aber genau in dem Moment war es sehr schwierig, weil es ist dann genau nur dieser Gedanke: Hauptsache treffen, hauptsache treffen. Es war ein schwieriger Pfeil, aber es war trotzdem eine Zehn, ich habe den dann irgendwie noch gut schießen können. Und dann waren da einfach Erleichterung und Freudentränen - die harte Arbeit hat sich gelohnt.“
Moritz: „Vorm letzten Schuss ist auf jeden Fall eine Angst hochgekommen: Dass irgendwas kaputt gehen kann oder dass irgendwie deine Pfeilauflage abbricht, dass das Loop losgeht, dass dein Release kaputt geht, dass auf einmal der Pfeil unterm Aufziehen wegfliegt! Da war auf jeden Fall so richtiger Stress, obwohl es eigentlich nicht passieren kann, weil es dir nie passiert ist. Nach der Neun herrschte große Erleichterung, es war wirklich so eine krasse Überraschung, dass ich das jetzt geschafft habe, weil ich ja eigentlich überhaupt nicht gedacht hätte, dass ich hierher fahre, um Weltmeister zu werden.“
Ruven, du hast einen spektakulären Lasso-Tanz mit deinem Finalgegner hingelegt. Wie kam es dazu?
Flüß: „Ih habe schon im Halbfinale mitgekriegt, dass er diesen Tanz gemacht hat und ich gehe einfach davon aus, dass es so ein Team Mexiko Tanz ist. Der Mexikaner war sehr freundlich, wir haben uns gut unterhalten können, auch vor dem Match und auch danach und er hatte dann schon gesagt, dass wir diesen Tanz machen. Dann haben wir das gemacht und dann auch die Trainer. Das fand ich richtig witzig, weil Holger (Hertkorn, Anm. d. Red.) mitgemacht hat und die Stimmung weiter aufgelockert hat. Das kam auch auf Social Media ziemlich gut an.“

Was bedeutet dieser WM-Titel nun für euch? Jetzt und auch in Zukunft?
Flüß: „Für mich ist es ja das letzte Junioren-Jahr, und in den vergangenen Junioren Jahren konnte ich mich noch nicht richtig nach oben kämpfen. Es waren noch sehr starke Gegner bzw. ich hatte noch nicht die Leistung gezeigt. Diese Saison war unfassbar, und die Erwartungen für die WM waren so zwiegespalten. Natürlich möchte man gewinnen, aber wie groß sind die Chancen? Für die Zukunft ist es der perfekte Übergang für die Erwachsenen-Klasse, und da wird man sehen, was da geht.“
Moritz: „Ich bin eigentlich erst seit dieser Saison im Geschäft, und es ging dann auch komplett den Berg hoch. Ich bin Deutscher Meister geworden, das war schon ein großer Sprung. Dass ich jetzt zur WM fahren durfte, war nochmals ein Riesensprung und dass ich dann noch gewinne, ist einfach krass.“
Ihr tretet in zehn Tagen auch bei der DM in Wiesbaden an. Wer Weltmeister ist, will mit Sicherheit auch Deutscher Meister werden, oder?
Flüß: „Also schwierig ist es so oder so. Dass ich jetzt Weltmeister bin, hat glaube ich für einige noch mal so eine Extra-Motivation mich zu bezwingen. Ich werde einfach schauen, wie ich da schieße. Und egal, was dabei rauskommt, ich bin sehr zufrieden mit dieser Saison.“
Moritz: „Ich stimme Ruven zu. Ich werde natürlich mein Bestes geben, und natürlich ist auch ein gewisser Druck da. Mein Konkurrent Gianluca (de Silvio, Anm. d. Red.) hätte eigentlich auch auf die WM mitfahren können, und der ist natürlich auch ein Superschütze. Und natürlich kann er mich bei der Deutschen Meisterschaft schlagen, ich werde jetzt zwei Wochen Pause machen, weil ich mit meinen Füßen Probleme habe. Das muss ich gut auskurieren, und dann schauen wir einfach, was wird.“
Wie wurde dieser Coup im Familien-, Freundes- und Sportlerkreis aufgenommen? Ist euer Handy explodiert?
Flüß: „Mein Handy ist komplett explodiert. Es hat echt lange gebraucht, bis es hochgefahren ist. Es waren bestimmt über 100 Leute über WhatsApp, bestimmt noch mal dieselbe Zahl auf Instagram, auch auf Facebook haben mir einige gratuliert. Alle fanden das Wahnsinn, nicht nur auch aus Deutschland, sondern auch aus ganz verschiedenen Ländern: Kroatien, Slowenien, Slowakei, alle haben mir gratuliert und das ist einfach cool. Ich habe mit meiner Mutter telefoniert, um 4 Uhr nachts, weil sie auch nicht mehr schlafen konnte. Und dann haben wir eine halbe Stunde lang telefoniert und jedes Mal ist es wieder hochgekommen, dass es einfach krass ist.“
Moritz: „Als ich das erste Mal aufs Handy geschaut habe, waren wahrscheinlich auch 100 Nachrichten, ganz viele Follower-Anfragen auf Instagram, auf WhatsApp 100 Nachrichten.“
Wie habt ihr den Titel in Kanada gefeiert? Wie wird er in der Heimat gefeiert?
Flüß: „Wir haben hier im Steakhaus gefeiert. Sind schön essen gegangen, und in der Heimat wird er erstmal nicht gefeiert, ich fahre jetzt erstmal nach Darmstadt zur Uni. Und wenn ich Anfang Oktober in der Heimat bin, werden wir mit Freunden, Familie richtig feiern.“
Moritz: „Wir hatten eine schöne Runde gestern. Ich habe vorher mit meinem Brüdern ausgemacht, wenn ich eine Medaille hole, wird eine fette Party geschmissen.“
Das deutsche WM-Team
Recurve Jugend: Jannik Heinrich (Berlin, 667 Ringe Saisonbestleistung), Kilian Mayer (Raubling, 657), Frida Janke (Berlin, 665), Fiona Marquardt (Villingen-Schwenningen, 653), Estelle Moscatelli (Frankfurt/Main, 644)
Recurve Junioren: Knut Jacubczik (Tremsbüttel, 661), Phil Lüttmerding (Calden, 663), Leon Zemella (Tecklenburg, 677), Regina Kellerer (Wiesbaden, 649), Lisa Lucks (Berlin, 643), Mathilda Werner (Berlin, 644)
Compound Jugend: Simon Moritz (Oberschneiding, 703), Leoni Dorfner (Alsfeld-Leusel, 679)
Compound Junioren: Noah Nuber (Bad Schönborn, 707), Ruven Flüß (Dinslaken, 705), Fabio Alex (Hof, 696), Jara Maiwald (Weil im Schönbuch, 682)
Betreuer: Freddy Siebert, Holger Hertkorn, Henning Lüpkemann, Marcus Laube, Sabine Augenreich
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