Deutsche Meisterschaften
DM Sportschießen München: Der Sport als Neuanfang
Für zwei Sportschützen bei der DM in München ging es nicht um Titel und Medaillen. Für Khaoula und Mahdi geht es darum, über den Sport ein neues Leben zu beginnen und sich mit Hilfe des dreimaligen Olympiasiegers Niccolo Campriani/ITA für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 zu qualifizieren.
Das Duo will Teil des olympischen Flüchtlingsteams, das erstmals 2016 an Olympischen Spielen teilnahm, werden. Beide flüchteten aus ihren Heimatländern Afghanistan und Syrien, weil das Leben dort gefährlich und nicht mehr lebenswert war. Um sich den Traum von den Olympischen Spielen zu erfüllen, müssen sie eine geforderte Mindestleistung in der MQS-Wertung erbringen. Dafür haben sie nicht einmal 500 Tage Zeit, sie starteten Ende März dieses Jahres bei NULL. Sowohl Mahdi als auch Khaoula hatten zuvor keinerlei Erfahrung im Schießsport. Bei der DM schoss Mahdi 600,9 Ringe und lag damit über der von der ISSF geforderten Mindestringzahl von 595,0 Ringen. Anschließend sagte er: „Das war mein zweiter Wettkampf und eine gute Erfahrung für mich. Ich habe neue Dinge gelernt. Die deutschen Schützen sind sehr gut. Ich muss trainieren, trainieren, trainieren.“ Khaoula hatte am Ende 589,9 Ringe erzielt, exakt 0,1 Ringe weniger als erforderlich, war aber glücklich: „Das war ein guter Wettkampf von mir, ich bin zufrieden mit dem Ergebnis. Ich möchte Deutschland und dem DSB danken, dass sie uns die Möglichkeit gegeben haben, hier zu starten.“
Nächstes Jahr wollen sie beide unter den olympischen Ringen schießen, und das sollte möglich sein. Denn ihr Trainer ist ein Könner seines Fachs: Campriani gewann vier olympische Medaillen, davon drei goldene 2012 und 2016. Nach seinem letzten Finalschuss in Rio war der Italiener jedoch ausgebrannt und hatte seitdem nicht mehr das Gewehr in die Hand genommen. Ein Besuch im Flüchtlingslager in Sambia veränderte ihn total: „Diese Erfahrung hatte einen enormen Einfluss auf mich und brachte mich dazu, darüber nachzudenken, wie ich meinen Status als Olympiasieger und das Netzwerk nutzen könnte für eine Sache, die mir am Herzen liegt."
Diese Erfahrung brachte mich dazu, darüber nachzudenken, wie ich meinen Status als Olympiasieger und das Netzwerk nutzen könnte für eine Sache, die mir am Herzen liegt!
Gesagt, getan! Campriani, seit 2017 als Sportmanager beim IOC in Lausanne tätig, entschloss sich, Flüchtlinge so gut mit dem Luftgewehr auszubilden, dass sie die Mindestqualifikation für Tokio 2020 erreichen. „Und vielleicht inspiriere ich andere Olympioniken aus anderen Sportarten, dasselbe zu tun. Es ist eine Win-Win-Situation. Sie helfen diesen Menschen und tun gleichzeitig etwas Gutes für sich."
Der Start in München war ein wichtiger Baustein in der Entwicklung der beiden potenziellen Olympia-Teilnehmer, denn in der Regel schießen sie alleine bzw. nur mit ihrem Trainer. Für den DSB war es eine Selbstverständlichkeit, diese tolle Sache zu unterstützen, wie Präsident Hans-Heinrich von Schönfels sagt: „Wir reden viel vom Schützenwesen und sind stolz, dass dieses zum immateriellen Kulturgut unseres Landes gehört. Die Unterstützung diesen Projektes ist gelebtes Schützenwesen - das ist „Schützenhilfe“ im wahrsten Sinne des Wortes.“
Campriani blickt schon weiter voraus: „Im Januar kommen wir zurück für den internationalen Cup nach München!“ Und ein halbes Jahr später soll es dann Tokio sein. Der Italiener glaubt an sein Duo und kommt ins Schwärmen, wenn er an die große Schießsport-Familie denkt, die ihm und den Flüchtlingen all ihre Unterstützung gibt: „Es ist ein Projekt unserer Schießsport-Community. Alle helfen, Athleten, nationale Verbände, die Industrie - das ist das Schöne. Es ist der beste Weg, unseren Sport so darzustellen.“
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