Deutsche Meisterschaften
DM Sportschießen München: „Ich will mich nur nicht blamieren“
Sie hat in über 30 Jahren bereits so viele Titel auf der Deutschen Meisterschaft gesammelt, dass sie längst aufgehört hat zu zählen. Sonja Pfeilschifter ist eine der erfolgreichsten deutschen Gewehrschützinnen aller Zeiten und verrät im Interview, warum sie in München immer noch auf Titeljagd geht (23. August-2. September), sie selbst manchmal ihr größter Gegner ist und was sie sich für dieses Jahr vorgenommen hat.
Sonja, du hast unzählige Male auf dem Treppchen gestanden, aber kannst du dich noch an deine erste Meisterschaft bzw. deinen ersten Titel erinnern?
Sonja Pfeilschifter: „Nein. Das muss als Juniorin gewesen sein...“
Weißt du, wie viele Medaillen du inzwischen auf Deutschen Meisterschaften gewonnen hast?
Sonja Pfeilschifter: „Ich habe sie nie gezählt. Meine ganzen Medaillen sind bei meiner Mama, denn als Kind habe ich alle Medaillen einzeln an die Wand genagelt. Als mein Zimmer neu tapeziert wurde, musste ich jeden Nagel einzeln wieder herausziehen, dann habe ich jede der Medaillen in Papier gewickelt und in Wäschekörbe gepackt – und da sind sie heute noch.“
Mir geht das runter wie Öl, wenn ich sehe, dass ich noch mit den Schützen aus dem Nationalkader mithalten kann!
Das sind sicher einige Medaillen-Wäschekörbe…
Sonja Pfeilschifter: „Also zwei sind es mit Sicherheit.“
Mit 48 Jahren bist du immer noch nicht müde auf Titeljagd zu gehen?
Sonja Pfeilschifter: „Nein. Meisterschaften sind noch okay, und ich liebe die Bundesliga. Aber ich schieße dieses Jahr sogar KK 3x40 mit. Dafür trainiere ich fleißig, damit ich mich nicht neben meinen Mannschaftskollegen blamiere.“
Was heißt für dich „fleißig“ trainieren?
Sonja Pfeilschifter: „Ich versuche, mindestens einmal Luftgewehr und einmal Kleinkaliber zu trainieren, wobei ich da nur Liegend und Kniend schieße, weil mehr geht wegen meiner Arthrose in den Gelenken nicht mehr. Meinen Kollegen Sandro (Schrüfer, Anm. d. Red.) und Maxi (Wolf, Anm. d. Red.) habe ich gesagt: Ich schieße dieses Jahr KK 3x40, und das ist das erste und letzte Mal! Ich bin froh, wenn es Freitag, der 23., Mittags um 12.00 Uhr ist, denn dann weiß ich, dass ich fertig bin.“
Jetzt hast du schon erzählt, dass du inzwischen vor allem gesundheitlich an deine Grenzen stößt. Was treibt dich dennoch an, bei der Deutschen Meisterschaft zu starten?
Sonja Pfeilschifter: „Mir geht das runter wie Öl, wenn ich sehe, dass ich noch mit den Schützen aus dem Nationalkader mithalten kann. Ich kann nicht mehr so viel trainieren, aber ich weiß immer noch, auf was es ankommt. Darauf konzentriere ich mich extrem und deshalb funktioniert das noch.“
Auf was kommt es denn an?
Sonja Pfeilschifter: „Ich hatte nie eine schlechte Technik, und die kann ich immer noch ausspielen. Auf das konzentriere ich mich. Ich rechne nicht damit, aber liebäugeln tue ich schon, vielleicht noch einmal 400 auf der Deutschen Meisterschaft zu schießen. Okay, wir schießen jetzt auf Zehntel, aber ich will schon zwischen einer 10,4 und 10,5 im Schnitt schießen.“
Du bist in deiner Altersklasse fast konkurrenzlos. Bist du dir selbst vielleicht sowieso dein größter Gegner?
Sonja Pfeilschifter: „Ja, das kann gut sein. Ich will gar nicht sagen, dass ich fernab bin und die anderen keine Chance haben, aber ich stecke mir für mich noch Ziele, die ich noch erreichen will. Ich denke mir immer: Wenn ich dies und das nicht schieße, dann kann ich gleich aufhören. Ich habe mir gegenüber immer noch einen ziemlichen Ehrgeiz.“
Welche Disziplinen schießt du auf der Deutschen Meisterschaft?
Sonja Pfeilschifter: „KK 3x40, Luftgewehr und KK 100m, wo wir es mit der Mannschaft geschafft haben. Da bin ich richtig stolz darauf, ehrlich!“
Auf einmal hat man ganz andere Ziele und kann sich über ganz andere Dinge freuen als vielleicht noch zur aktiven Zeit, wo doch der Leistungsdruck regiert, oder?
Sonja Pfeilschifter: „Dort hast du immer müssen. Du hast diese Leistung bringen müssen, jenes Ergebnis schießen müssen. Und eigentlich hasse ich das Training heute, vor allem bei den hohen Temperaturen. Ich habe auch schon mal zu meinem Trainer gesagt: Ich habe mir 25 Jahre den Arsch aufgerissen, geschwitzt wie ein Depp, aber jetzt kann ich es mir aussuchen. Ich muss nicht mehr, und wenn ich nicht mehr muss, mache ich es auch nicht mehr.‘“
Da muss der Wille groß sein…
Sonja Pfeilschifter: „Es gab eine Zeit, nachdem ich aufgehört habe, da hatte ich absolut keinen Bock mehr auf Schießen. Ich habe ein Jahr gebraucht, bis ich wieder zur Deutschen Meisterschaft gefahren bin – die richtig gut lief – und dann hat es mir auf einmal wieder Spaß gemacht. Da habt ich mir gedacht: Wow Sonja, du kannst es ja wirklich noch. Das war mein Aufschwung. Heute denke ich mir oft, wie andere das machen mit ihrem wenigen Training, trotzdem so gut sind und Titel einfahren. Wenn ich das nicht so durchgezogen hätte, wie ich es gemacht habe, dann hätte ich das nie getroffen.“
Da muss wohl jeder sein eigenes Erfolgsrezept finden.
Sonja Pfeilschifter: „Wenn ich jetzt sehe, wie anstrengend ein KK-3x40-Programm ist, wenn man nur ein- bis zweimal die Woche trainiert… bist du deppert.“
Zwar kannst du dich nicht mehr an deinen ersten Titel erinnern, aber wenn du die Sonja von damals mit der Sonja heute vergleichst, was hat sich verändert?
Sonja Pfeilschifter: „Als Juniorin hatte ich damals das Ziel, mich nach meiner Landesmeisterschaft, auch für die Deutsche Meisterschaft zu qualifizieren. Als ich das geschafft hatte, habe ich mir gedacht, dass es das noch nicht gewesen sein kann. Daraufhin wollte ich international durchstarten, habe 25 Jahre für meinen Sport gelebt. Ich war ehrgeizig und diszipliniert, habe das als meinen Beruf gesehen. Jetzt sehe ich das locker und schieße mit Spaß. Aber ich brauche meine Ziele, damit ich noch trainieren gehe, ansonsten würde ich eher in die Berge gehen oder Radfahren. Das Schöne ist, ich weiß, dass ich es noch kann, aber ich muss es nicht mehr können.“
Schießt es sich dadurch auch leichter?
Sonja Pfeilschifter: „Ein bisschen vielleicht. Wobei ich immer noch weiß, dass die Leute z.B. in der Luftgewehrhalle, nur auf mich schauen.“
Beeinflusst dich das heute noch, wenn du weißt, dass alle Augen auf dich gerichtet sind?
Sonja Pfeilschifter: „Da bin ich mir wieder selbst sehr kritisch gegenüber, so dass ich mir immer denke: Blamier dich jetzt bloß nicht. Wenn die Leute schon zuschauen, dann sollte ich auch ein bisschen was treffen. Früher habe ich mir gedacht, ich muss ihnen etwas beweisen, heute will ich mich nur nicht blamieren.“
In all den Jahren gab es da einen DM-Wettkampf, der dir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?
Sonja Pfeilschifter: „Ich kann mich an eine Deutsche Meisterschaft erinnern, bei der ich neben der wahnsinnig schnellen Martina Prekel geschossen habe. Ich hatte 25 Schuss, sie hatte bereits 400 Ringe rausgebrannt. Ich habe mir nur gedacht: Wenn die 400 schießen kann, musst du das auch. Dann habe ich einfach 400 Ringe drauf geschossen. Das war damals genial.“
Zum Schluss: Hast du noch einen Tipp an all diejenigen, die zum ersten Mal auf die Deutsche Meisterschaft fahren?
Sonja Pfeilschifter: „Du musst das als Erlebnis sehen. Da kommt es nicht darauf an, was du schießt, sondern du musst vielmehr all die Eindrücke mitnehmen.“
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