Weltcup

Weltcup München: „Druck bringt mich näher an meine Leistungsgrenze“

21.05.2019 14:45

Oliver Geis hielt in Peking dem Druck stand, gewann neben der Silbermedaille auch den Quotenplatz für Deutschland und gehört beim Weltcup in München zu den Top-Favoriten. Im Interview erklärt er, warum Druck für ihn immer positiv ist, welche Maßnahmen er ergreift, um Druck zu minimieren und warum er unter Zeitdruck noch stärker wird. Das Finale mit der Schnellfeuerpistole wird sowohl von Sportdeutschland.TV als auch vom Bayerischen Rundfunk auf br.de live gestreamt.

Foto: DSB / Oliver Geis zählt seit Jahren zur Weltspitze mit der Schnellfeuerpistole.
Foto: DSB / Oliver Geis zählt seit Jahren zur Weltspitze mit der Schnellfeuerpistole.

Nach dem Weltcup ist vor dem Weltcup. Du hast beim letzten Weltcup furios einen Quotenplatz geholt. Der Druck liegt nun auf den anderen. Schießt es sich jetzt leichter oder steigt der Erwartungsdruck an sich selbst?
Oliver Geis: „Diese ‚Last‘ Quotenplatz von sich zu haben, ist schon einmal Gold wert. Man schießt dadurch befreiter, aber unabhängig davon will man wieder im Finale vorne mit dabei sein und versuchen eine Medaille zu holen.“

Der nächste Weltcup ist zugleich der Heimweltcup. Steigt der Druck Zuhause?
Oliver Geis: „Ich weiß es nicht, denn ich denke, wir waren schon zu oft beim Weltcup in München. Es ist auf jeden Fall eine entspanntere Atmosphäre, weil man schon so oft dort geschossen hat. Zwar liegt mir der Stand persönlich gar nicht so gut, aber über die Jahre lernt man, damit umzugehen.“

Die schnelleren Serien liegen mir generell besser!

Oliver Geis, Schnellfeuerpistolen-Schütze

Welche Besonderheiten hat die Schießanlage in München?
Oliver Geis: „Die Lichtverhältnisse sind hier sehr schwer. Vor allem, wenn du morgens um 8.00 Uhr bei bewölktem Wetter deinen Start hast. Da hast du schon die Arschkarte gezogen. Das gelbe Kunstlicht der Anlage macht es dann sehr schwer dort zu schießen.“

Dennoch hat jeder die gleiche Voraussetzung. Ihr habt den Vorteil, dass ihr den Stand bestens kennt. Erwartet man deshalb mehr von sich, gerade weil man diese Besonderheiten kennt?
Oliver Geis: „Nein. Das würde ich nicht sagen.“

Jeder klopft einem in München auf die Schulter, Freunde und Familie sind da, die Augen auf das deutsche Team gerichtet. Ist es schwerer oder leichter Zuhause zu schießen und warum?
Oliver Geis: „Leichter, denn alles ist bereits bekannt. Es ist eine vertraute Umgebung, alle sprechen die Sprache, jeder versteht einen, es ist alles unkomplizierter.“

In München ist das Starterfeld extrem hochklassig. Steigt dadurch der Konkurrenzdruck?
Oliver Geis: „Zwar gibt es mehr Starter, aber das Top-Starterfeld ist dennoch immer dasselbe. Die Top 20 sind sowieso immer überall.“

Nach den guten Ergebnissen von Christian Reitz im Vorfeld und dem Weltcupsieg waren die Augen beim letzten Weltcup auf ihn gerichtet, jetzt hast du den ersten Quotenplatz geholt. Gibt es bei euch einen internen Konkurrenzdruck?
Oliver Geis: „Jemanden wie Christian Reitz vor sich zu haben, nimmt einem eher den Druck. Er ist unglaublich erfahren und strahlt eine unfassbare Ruhe aus. Dadurch, dass der Fokus meist auf ihn gerichtet ist, kann ich im Hintergrund ruhiger agieren. Aber einen Konkurrenzdruck gibt es deshalb bei uns auf keinen Fall.“

Bist du allgemein jemand, der sich selbst viel Druck macht und siehst du Druck als etwas Positives oder Negatives an?
Oliver Geis: „Für mich ist Druck definitiv positiv behaftet, weil ich vor allem unter hohem Druck gute Ergebnisse schieße. Der Druck macht mich fokussierter. Er bringt mich näher an meine Leistungsgrenze. Ich selbst habe immer das Ziel im Finale zu sein, man weiß die eigenen Zahlen aus dem Training und die, die man ungefähr braucht, um in ein Finale zu ziehen. Dennoch schaffe ich es, dass mich der Druck nicht aus der Bahn wirft.“

Wie bleibst du trotzdem relaxed?
Oliver Geis: „Das kommt über die Sicherheit aus dem Training. Du musst auf das Vertrauen, was du kannst und wenn du gut trainiert hast und alles im Vorfeld dafür getan hast, dann musst du auf deinen Weg vertrauen. Du musst deine Nerven unter Kontrolle haben.“

Ist also Selbstvertrauen der Schlüssel für weniger Druck?
Oliver Geis: „Auf jeden Fall. Das trifft auf jeden Schützen zu. Um mir mein Selbstvertrauen und meine Sicherheit aufzubauen, schieße ich im Training viele Leistungskontrollen. Wenn ich dann sehe, dass jedes meiner zehn Halbprogramme über 290 Ringe ist, warum sollte das während eines Wettkampfes nicht auch funktionieren?“

Beim Schießen kann jeder Fehler zum Aus führen. Denkst du der Druck ist dadurch höher als in anderen Sportarten wie z.B. im Tennis, wo man sich durchaus nach einem schlechten Satz oder einem Aufschlag ins Netz noch einmal zurückkämpfen kann?
Oliver Geis: „Bei unserer  Disziplin ist das, denke ich, schon der Fall. Wenn du nur eine Serie schlecht bist, wird es sehr schwer, weil wir nur relativ wenige Schüsse abgeben. In China ist mir das selbst passiert, als ich nach 98 Ringen mit 46 Ringen weitergemacht habe und mir dann gedacht habe: ‚Mensch, jetzt schmeißt du das hier weg.‘ Dass ich dann mit 100 Ringen in vier Sekunden ausschieße, war nicht zu erwarten.“

Das zeigt, dass du gut mit Zeitdruck umgehen kannst.
Oliver Geis: „Die schnelleren Serien liegen mir generell besser. Detlef (Glenz, Anm. der Redaktion) und ich sagen immer spaßeshalber: ‚Da ist weniger Zeit für Fehler‘. In acht Sekunden versucht man viel mehr zu bohren, bei vier Sekunden greift der Automatismus, da musst du Gas geben.“

Wenn man heute auf die Spitzenathleten blickt, sieht man eine klare Professionalisierung des Sports. Hat dadurch der individuelle Druck zugenommen, weil man Angst hat, sonst nicht mehr in der Weltspitze mithalten zu können?
Oliver Geis: „Wenn du im Schießsport nicht unter Profibedingungen trainieren kannst, dann wird es schwer. Ich trainiere von montags bis freitags fast täglich. Wie soll das jemand schaffen, der vielleicht sogar noch einen handwerklichen Beruf ausführt und danach noch anständig die Pistole ruhig in der Hand halten soll? Für den Sport und die Leistung ist die Professionalisierung eine durchaus positive Entwicklung.“

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