Weltmeisterschaften
Schießsport-WM Baku: „Ich wollte dieses Mal einfach mehr!“
Weltranglisten-1. ist sie, Europameisterin, Bronzemedaillengewinnerin bei Weltmeisterschaften und European Games. Und nun: Weltmeisterin. Doreen Vennekamp ist auf dem vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere und äußert sich im Interview zu ihrem bisher größten Erfolg.
Herzlichen Glückwunsch zum grandiosen WM-Titel. Wie hast du das Finale erlebt?
Vennekamp: „Im Finale wollte ich schon noch einmal zeigen, dass ich mich mit 294 im Duell-Teil nicht zufrieden gebe, dass ich deutlich mehr kann. Bei den Leistungskontrollen hatte ich einen Viererschnitt, und den braucht man bei der WM auch. Ich habe mitbekommen, dass ich oben bin mit Olena und wusste, dass ich nicht nachlassen darf. Ich habe es gut visualisiert bekommen und bin auch mit den Unterbrechungen beim Shootoff klargekommen. Und dann wollte ich es auch. Als ich nach der Hälfte zwei Hits Vorsprung hatte, habe ich mir gesagt: Jetzt ziehe ich es durch! Dann habe ich gehört, dass ich eine deutliche Führung hatte, wusste aber nicht, ob es vorzeitig abgebrochen wird. Die letzte Serie wurde ich vom Team getragen, und es war nur noch ein Reinzittern, weil die Emotionen über einen reinbrechen. Und beim Siegerfoto war ich mir nicht ganz sicher, ob ich die Waffe nicht fallen lasse, weil ich kein Gefühl in den Händen mehr hatte. Ich bin überglücklich, wie es gelaufen ist. Und jetzt auch noch Weltrekord! Ich bin mir sicher, der wird schnell gebrochen – hoffentlich durch mich. Ich bin ja als Weltranglisten-1. in die WM reingegangen und jetzt als Weltmeisterin raus – da benötige ich noch eine Nacht, um das zu realisieren.“
Der Titel ist kein Zufallsprodukt: WM-Dritte 2018 und 2022, Europameisterin 2022 und Bronze bei den European Games 2023. Jetzt bist du on top, was bedeutet dir der WM-Titel?
Vennekamp: „Ich hatte bei den European Games das Gefühl, nicht alles gegeben zu haben und zu liefern, was ich wollte. Und es war ganz süß, denn es kamen Antoaneta Kostadinova (BUL) und Olena Kostevych (UKR), die unabhängig voneinander sagten: „Wir freuen uns, dass du eine Medaille hast, aber mit Bronze brauchst du dich eigentlich nicht zufrieden zu geben.“ Da musste ich weinen, weil es eine riesige Ehre ist, wenn einem das zwei so gute und erfahrene Sportlerin das sagen. Und gestern Abend schickte mir auch Zorana Arunovic (SRB) eine Nachricht, in der sie sagte: „Du kannst dir den Titel holen, belohne dich. Wenn du einen guten Tag hast, bist du unangreifbar! Mach das Ding einfach!“
Wie hast du das geschafft?
Vennekamp: „Ich habe viele Jahre hart gearbeitet, um das zu erreichen. Ich bin froh, dass es mit Claudia und dem Trainerwechsel gut geklappt hat. Wir verstehen uns gut und sind immer noch am Ausprobieren, weil es immer noch nicht ultimativ ist. Wir haben auch vor der WM viel mit der Messung gearbeitet, nochmals Feinschliff gehabt natürlich mit dem Ziel, die Spiele nächstes Jahr mitzumachen.“
Du hast gesagt, „die anderen haben ein wenig Angst vor mir, und ich genieße das!“ Erkläre mal bitte.
Vennekamp: „Das ist auch von anderen Athletinnen. Als wir noch Halbfinals geschossen haben, wurde schon gesagt, „zum Glück bin ich nicht mit dir im Halbfinale, da gibt es eigentlich nur noch einen Platz fürs Finale dann. Das sieht man ja nicht, aber ich weiß, dass viele mich und meine Leistung respektieren und dass sie schon manchmal erleichtert sind, wenn ich nicht im gleichen Semifinale war. Das ist eine riesige Anerkennung und Lob, und deswegen freue ich mich, dass sie ein wenig Angst vor mir haben.“
Es ist nach 2018 und 2022 deine dritte WM-Einzelmedaille…
Vennekamp: „Bei der ersten WM-Bronze 2018 war ich völlig überrascht und glücklich, beim zweiten Mal mit Bronze war ich nicht mehr zufrieden. Und dieses Mal wollte ich einfach mehr, und es ist ein tolles Gefühl. Ich versuche, den Platz eins der Weltrangliste nicht zu verteidigen nach dem Motto: „alle wollen ihn mir wegnehmen“, sondern eher so, dass ich selber angreifen muss, um nach oben zu kommen bzw. zu bleiben. Und aktuell gelingt das sehr gut.“
Neun Hits Vorsprung ist ein Klassenunterschied. Wie erklärst du dir das?
Vennekamp: „Ich glaube, weil die Verhältnisse hier schwierig sind. Das Licht ist dunkel, dann die Lichtershow, die Scheiben sind dunkel, die weißen Striche recht schmal. Und Claudia hat in der Vorbereitung zurecht gesagt: Und wenn du es nicht siehst – akzeptiere es. Versuche nicht, rein zu korrigieren, wenn du es nicht siehst. Ich habe so viel geschossen und bin so routiniert, was Duell angeht. Deine Muskulatur weiß, wohin, deine Nerven wissen, wohin. Mach es einfach und lass es geschehen! Und so war es auch. Ich habe viele Schüsse nicht korrigieren müssen, es fühlte sich gut an.“
Ab wann warst du dir sicher, Weltmeisterin zu werden?
Vennekamp: „Erst als es gesagt wurde. Vorher gebe ich nicht auf. Es kann etwas passieren, wie eine Waffenstörung. In einer Serie war ich nicht richtig im Griff drin, das kann einem auch als Profi passieren. Du musst aufmerksam und wachsam sein, um das Ding dann wirklich heimzubringen.“
Was ist das Geheimnis deines Erfolges?
Vennekamp: „Das ist eine gute Frage, die ich gerne an Claudia weitergeben möchte. Ich glaube, es ist die Einstellung. Ich bin ein Wettkampftyp, das war schon immer so, sagt auch meine Sportpsychologin. Ich genieße Wettkämpfe einfach und freue mich darauf. Im Training quäle ich mich so durch und mache es eigentlich nur, um die Wettkämpfe zu genießen. Wichtig ist auch der Spaß am Schießen. Das darf man nicht vergessen, und das habe ich letztes Jahr erst wieder gelernt. Und wenn man sich das bewahrt, ist es etwas, was einen wahnsinnig weiterbringt.“
Wie schön ist es, wenn das ganze Team einem gratuliert?
Vennekamp: „Megaschön! Ich habe vor dem Finale von Vincent Haaga eine leere Schrotpatrone als Glücksbringer bekommen, von einer seiner „vollen“ Runden nach dem Motto: Du kannst im Finale ja auch voll schießen. Das ist eine Geste, diese Kleinigkeiten machen aber viel. Vor dem Finale habe ich den Livestream von der DM gesehen, und ich hoffe, sie haben mir heute live zugeschaut. Auch in der Konkurrenz ist es harmonisch, ab dem Moment, an dem der Fuß an der Schießlinie ist, ist es nicht mehr so, aber davor und danach ist es ein friedliches Miteinander. Und im Team Deutschland ist es extrem. Wir gucken uns gegenseitig zu und jubeln füreinander, auch wenn wir natürlich auch Konkurrenten sind.“
Im nächsten Jahr sind die Olympischen Spiele in Paris. Was ist da dein Ziel?
Vennekamp: „Natürlich ist der Fokus darauf und wofür ich die ganzen Jahre arbeite. Aber in Deutschland haben wir eine starke Gruppe, und das darf man nicht unterschätzen. Ich habe zwar den Quotenplatz geholt, aber für Deutschland und für meine Disziplin und nicht für mich. Ich weiß, dass jederzeit eines der Mädels angreifen kann, und solange nicht klar ist, wie intern die Ausscheidung ist und bis diese geschossen ist, bleibt es ein Traum. Natürlich schätze ich meine Chancen aktuell gut ein, aber es ist fast noch ein Jahr und da kann noch viel passieren. Ich arbeite daran, noch besser zu werden und dann werden wir an dem Tag sehen, was passiert.“
Gibt es für heute Abend schon einen Plan?
Vennekamp: „Ja, der Plan stand auch vorher schon fest. Das machen wir immer in Baku, weil wir mitten in der Nacht abgeholt werden. Das läuft immer mit verschiedenen Nationen: Australien, Österreich, Norwegen vielleicht und wir. Das wird keine Riesen-Party, wir laufen durch die Stadt und werden die Promenade genießen und einen Cocktail trinken. Ich weiß nicht, wie hoch die Preise sind, aber eine Runde werde ich bestimmt werfen müssen. Aber das ist voll okay.“
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