Weltmeisterschaften

Schießsport-WM Baku: „Ich wünsche mir persönliche Bestleistungen!“

14.08.2023 12:07

Nach der Bogen-WM in Berlin ist die Schießsport-Weltmeisterschaft in Baku/AZE (17. bis 31. August) das nächste große internationale Event mit Quotenplatz-Vergabe für die Olympischen Spiele in Paris 2024. Der DSB hofft – wie sehr erfolgreich in Berlin geschehen – auf Athleten, die ihre Bestform zeigen, wie DSB-Sportdirektor Thomas Abel im Interview sagt.

Foto: Eckhard Frerichs / DSB-Sportdirektor Thomas Abel (rechts) im Gespräch mit DSB-Cheftrainer Michel Gomez-Krämer bei der Bogen-WM in Berlin.
Foto: Eckhard Frerichs / DSB-Sportdirektor Thomas Abel (rechts) im Gespräch mit DSB-Cheftrainer Michel Gomez-Krämer bei der Bogen-WM in Berlin.

Thomas, ein Blick zurück muss gestattet sein. Wie fällt dein Fazit zur Bogenweltmeisterschaft aus?
Abel: „Die Bogen-Weltmeisterschaft war sicherlich eine herausragende Meisterschaft: Zum einen von der Ausrichtung waren das tolle Voraussetzungen, die da vom DSB geschaffen wurden. Das hatte von den sportlichen Anlagen auf dem Maifeld und der Finalarena olympisches Format. Zum anderen natürlich der sportliche Erfolg. Sicherlich hätte man sich im Einzel etwas mehr gewünscht oder erwartet: Beispielsweise an den Finaltagen und im Viertelfinale auf dem Platz zu stehen. Dass das nicht geklappt hat, war zum einen den widrigen Wetterbedingungen geschuldet, aber auch den Turbulenzen des Vortages. Das hat die Frauen ziemlich durcheinandergebracht: Die Freude, den Quotenplatz gewonnen zu haben, dann wieder nicht gewonnen zu haben und das zu verarbeiten in solch schwierigen Bedingungen war schon fordernd. Wie sie dann am nächsten Tag wiedergekommen sind, ist für mich extrem beeindruckend, und sie haben sich damit auch selbst belohnt: Mit dem Quotenplatz und dann den Schritt noch weiterzugehen und den Weltmeistertitel zu gewinnen. Und genauso war es mit dem Mixed-Team: Das war eine tolle Leistung und zeigt auch wieder, wie stark Florian Unruh als Einzelschütze wirklich ist. Wie nervenstark er beispielsweise im Halbfinal-Stechen war, wo er ein X rausgehauen hat. Das war schon sehr gut, und deshalb sehe ich das als eine sehr erfolgreiche Heim-Weltmeisterschaft an.“

Hand aufs Herz! Hättest du gedacht, dass die Frauen WM-Gold gewinnen und das Mixed-Duo mit Silber aus der WM geht?
Abel: „Nein, auf gar keinen Fall. Das wäre auch vermessen, wenn man die ganz starken Nationen sieht und was für Möglichkeiten diese teilweise haben. Wir versuchen, es so gut wie möglich zu machen, aber es hängt wie in jeder anderen Sportart auch immer davon ab, zum richtigen Zeitpunkt das Glück zu haben. Wir hätten schon alle dafür unterschrieben, dass wir einen Mannschaftsquotenplatz bei den Frauen holen, und letztendlich sind wir jetzt schon zu einem frühen Zeitpunkt auf demselben Stand, wie wir bei Tokio 2020 (vier Quotenplätze, Anm. d. Red.) waren. Wir können also nur noch besser werden, was die Quotenplätze angeht.“

Kommen wir zu Baku: Die Sportarten unterscheiden sich gravierend, aber die Ziele sind doch ähnlich. Was erhoffst du dir von der Schießsportweltmeisterschaft in Baku von den DSB-Athleten?
Abel: „Wenn man es jetzt mal ganz unabhängig vom Erfolg sieht, würde ich mir wünschen, dass die Athletinnen und Athleten persönliche Bestleistungen erreichen, denn dann hätten die Athleten und die Trainer im Vorfeld alles richtig gemacht. Im besten Fall wünsche ich mir natürlich Medaillengewinne und Quotenplätze an der einen oder anderen Stelle, auch wenn wir natürlich wissen, dass die Luft im Spitzenbereich immer dünner wird. Aber klar, als Verband gucken wir natürlich stark auf Quotenplätze und ich glaube, dass es manchmal so ein bisschen den Blick auf das Eigentliche verklärt. Die Athleten schauen hauptsächlich auf die Medaillen und bekommen dann die Quotenplätze automatisch dazu.“

Foto: DOSB / Nadine Messerschmidt rückte für die erkrankte Christine Wenzel ins WM-Aufgebot.
Foto: DOSB / Nadine Messerschmidt rückte für die erkrankte Christine Wenzel ins WM-Aufgebot.

Du sprichst die Quotenplätze an. Bislang wurden fünf Quotenplätze im Schießsport gewonnen. Zufrieden mit der Bilanz?
Abel: „Zum jetzigen Zeitpunkt ist es meiner Meinung nach ein bisschen differenziert zu sehen. Ich glaube, dass wir im Luftgewehr bei den Männern bei der Europameisterschaft einen Quotenplatz gewonnen haben, den wir im Vorfeld eher als Überraschung werteten. Aber die Leistung von Maximilian Ulbrich hat sich dahingehend total stabilisiert und war keine „Eintagsfliege“. Dann gibt es in Disziplinen, wie zum Beispiel Schnellfeuerpistole, Plätze, bei denen man nur zufrieden sein kann mit der vollen Anzahl nach zwei möglichen Wettbewerben. Und es gibt natürlich auch Bereiche, da hängen wir etwas hinterher; da ist noch Nachholbedarf und da sind wir auch nicht so eng dran. Da muss man schon in die Richtung Flinte und Trap schauen, das treibt dem ein oder anderen schon ein bisschen eine Sorgenfalte auf die Stirn. Von daher ist es aktuell ein gemischtes Fazit, aber ich kann nicht sagen, dass wir damit unzufrieden sein sollten.“

Wo siehst du die besten Aussichten, das Quotenplatzkontingent in Baku aufzustocken?
Abel: „Ich bin überzeugt davon, dass mit der Luftpistole der Männer etwas möglich ist. In diesem Bereich war man jetzt mehrfach eng dran, und ich glaube, da sollten wir eine gute Chance haben. Ich sehe auch im Bereich Gewehr der Frauen Möglichkeiten, wo wir uns auf Topniveau immer wieder in der Weltspitze bewegen. Wie gesagt, da brauchen wir auch immer das Teamglück, dass wir da auch wirklich zum Zug kommen. Dann würde ich mir erhoffen, dass uns in Richtung der Flinten-Disziplinen etwas gelingt, wobei ich da Skeet und dort vor allem die Frauen aktuell in der Situation sehe, etwas zu gewinnen.“

Im Gewehr- und Pistolenbereich gibt es seit relativ kurzer Zeit neue verantwortliche Bundestrainer mit Achim Veelmann und Claudia Verdicchio-Krause. Dein Eindruck?
Abel: „Ich habe einen sehr guten Eindruck. Claudia begleitet teilweise die Athletinnen und Athleten, die sie im Nachwuchsbereich entwickelt hat, nun im Spitzenbereich. Ich glaube, das ist eine schöne Kontinuität und gute Arbeit, die da immer weitergeführt wird; auch im Sinne ihrer Vorgängerin Bärbel Georgi bin ich sehr zufrieden und glücklich, dass sie das auch so weiterführt und so adäquat macht. Achim Veelmann hat sich ähnlich gut eingeführt aus meiner Sicht. Er hat vielleicht ein etwas schwierigeres Feld übernommen von seinem Vorgänger, weil wir im Gewehrschießen an der ein oder anderen Stelle etwas den Anschluss an die absolute Weltspitze verloren haben. Aber er geht da sehr Athleten zentriert heran, und das finde ich sehr positiv. Ich glaube, das ist auch das, was ihn ausmacht gegenüber seinem Vorgänger, dass er da wieder enger an die Athleten heranrückt und sich mehr auf diese tägliche Trainingsarbeit und die Betreuung konzentriert. Mit dem Team an den jeweiligen Bundesstützpunkten wurde ja auch letztendlich schon ein Schritt in Richtung Weltspitze gemacht hat, und die Erfolge zeigen das auch. Es ist immer schön, wenn einem so ein Erfolg wie ein Quotenplatzgewinn oder auch eine Medaille die Ruhe zum Weiterarbeiten gibt. Das ist nicht immer der Fall, aber in diesem Moment war es der Fall, und ich glaube, das gibt ihm auch diese Ruhe und das Selbstvertrauen weiterarbeiten zu können.“

Im Skeet-Team gab es kurzfristig noch eine Änderung. Welche?
Abel: „Letztendlich ist im Rahmen der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung (UWV)  Christine Wenzel erkrankt. Nadine Messerschmidt, die auch Gewinnerin der nationalen Ausscheidung war und ursprünglich auf ihren WM-Start zugunsten der Maximierung der Quotenplatzchancen verzichtet hat, rückt nach. Sie war in der Vorbereitung der Deutschen Meisterschaft, ist also voll im Training und hat die UWV auch komplett mitgemacht. Ihre Nachnominierung ist bezüglich der Medaillenperspektive sicherlich kein Rückschritt.“

Die Konkurrenz im Schießsport ist groß und gewaltig. Aus China und Indien kommen immer mehr Weltklasseschützen. Gibt es Sorgen im DSB da zukünftig nicht mehr mithalten zu können?
Abel: „Ich glaube, wir sind alle im Leistungssport und sehen, wie wir dort alle überflutet werden und mit welchen finanziellen Ressourcen dort in den einzelnen Bereichen agiert wird. In gewisser Weise müssen wir Sorge haben, aber das hält einen auch ein bisschen wach, zu schauen, in welche Richtung es weitergeht. Wir können auf dem finanziellen Niveau und auch mit dieser menschlichen Ressource, die die gerade genannten Länder ins Rennen bringen, nicht konkurrieren. Wir müssen uns andere Bereiche suchen, um über qualitatives Arbeiten und Knowhow enger heranzukommen. Wenn wir dies gut umsetzen und auch die Leistungsdiagnostik hier am Bundesstützpunkt in Wiesbaden besser nutzen können, dann werden wir oben immer wieder reinstechen und auf einzelnen Positionen auch auf Augenhöhe bleiben können.“

Bei Tokio 2020NE waren zwölf DSB-Sportler am Start. Mit welcher Kadergröße will der DSB in Paris 2024 dabei sein. Was ist realistisch?
Abel: „Wir haben jetzt neun Quotenplätze fix, und ich glaube, dass wir in Paris höher liegen werden als in Tokio. Das ist aber zunächst keine Aussage über die Qualität, sondern erst einmal eine quantitative Zahl. Wir werden sehen, wie die veränderten internationalen Qualifikationskriterien sich niederschlagen, u.a. im Bogenbereich mit der Qualifikation über die Weltrangliste, was unserer Männermannschaft für Tokio zum Verhängnis geworden ist. Ich sehe eine gute Chance, im Bogenbereich auf das Maximum an sechs Quotenplätzen zu kommen, und auch in den ISSF-Disziplinen waren wir vielleicht auch mal ein bisschen unglücklich vor Tokio. Wir haben eine gute Chance, eine ordentliche Mannschaft zu stellen, die vielleicht nicht auf dem Niveau von Rio 2016 oder davor liegt, aber sich irgendwo qualitativ und quantitativ dazwischen bewegen wird.“

Die nominierten DSB-Schützen für die WM in Baku

Flinte: Katrin Butterer (Ibbenbüren), Nadine Messerschmidt (Schmalkalden), Nele Wißmer (Ibbenbüren), Vincent Haaga (Oberhof), Sven Korte (Ibbenbüren), Tilo Schreier (Loitz), Marco Kroß (Torgau), Andreas Löw (Schönbronn), Paul Pigorsch (Süptitz), Kathrin Murche (Elsnig-Mockritz), Bettina Valdorf (Frankfurt/Oder)

Gewehr: Anna Janßen (Freising), Jolyn Beer (Neustadt am Rübenberge), Lisa Müller (Weingarten), Larissa Weindorf (Mannheim), Maximilian Ulbrich (Wielenbach), Maximilian Dallinger (Haar), David Koenders (Mossautal), Max Braun (Kämpfelbach), Anna-Lena Geuther (Unterschleißheim), Veronique Münster (Kalletal), Markus Abt (Amtzell), Christian Dreßel (Adelsdorf), Max Ohlenburger (Idstein-Heftrich), Jörg Niehüser (Erwitte), Michael Klein (Schlier), Marcin Szyja (Pflaumdorf)

Pistole: Svenja Berge (Oberselters), Josefin Eder (Frankfurt/Oder), Doreen Vennekamp (Steinbach-Hallenberg), Michelle Skeries (Potsdam), Paul Fröhlich (Hitzhofen), Michael Schwald (Lörrach), Robin Walter (Reichenbach), Oliver Geis (Oberselters), Florian Peter (Obertshausen), Christian Reitz (Regensburg)

Laufende Scheibe: Daniela Vogelbacher (Frankfurt/Main), Kris Großheim (Frankfurt/Main), Tobias Schönsteiner (Würrtenberg)

Weiterführende Links

Weitere News zu "ISSF Weltmeisterschaft"