Weltmeisterschaften
Bogen-WM: „Mental bin ich bereit und voller Vorfreude!“
Janine Meißner ist eine von drei Compound-Schützinnen, die in diesem Jahr an der WM in Herzogenbusch/NED (10.-16. Juni) teilnimmt. Die 24-Jährige zeigte in diesem Jahr starke Leistungen sowohl in der Halle als auch im Freien, und das, obwohl sie mit dem Einstieg in das Berufsleben eine zusätzliche Belastung zu meistern hat. Wie sie diese wegsteckt und was sich dadurch geändert hat, verrät sie im Interview.
Du bist in diesem Jahr in das Berufsleben eingestiegen. Wie koordinierst du das mit dem Sport?
Meißner: "Ich bin seit Februar diesen Jahres Referendarin an einer Grundschule in Pforzheim und natürlich auf mich selber angewiesen, weiterhin meinen Sport intensiv zu betreiben. Da das Referendariat aber sehr zeitintensiv ist - aktuell arbeite ich ca 50 bis 60 Stunden pro Woche - muss ich mir für das Training aktiv Zeiten in meinem Kalender frei halten. So plane ich das Training mit ein und habe auch einen Überblick, wie oft ich in der Woche zum Trainieren kam bzw. zum Trainieren kommen werde. Freizeit bleibt da eher auf der Strecke. Aber so habe ich es mir ausgewählt und aktuell ist dieser Zustand auch okay für mich.“
Wie oft schaffst du es, in der Woche zum Bogen zu greifen und zu trainieren?
Meißner: "Ich versuche, auch in stressigen Wochen mindestens drei Mal in der Woche zu schießen (plus Kraft- und Ausdauertraining). Wenn es klappt, trainiere ich aber gerne fünf bis sechs Mal in der Woche.“
Mein Training und die Wettkämpfe sind bei weitem nicht mehr so "frei" im Kopf, wie noch vor Februar
Wenn du weniger trainierst, trainierst du auch anders?
Meißner: "Ich achte sehr auf die Qualität meiner Schüsse. Denn ich denke, 100 Pfeile mit sehr viel Konzentration und Qualität bringen mehr, als 200 "geballerte" Schüsse, nach dem Motto "hauptsache man hat viel geschossen". Vor allem mache ich gerne abwechslungsreiche Trainingseinheiten (Streifen, 5m, Leistungskontrolle und andere Schießübungen), um Vielfältigkeit in mein Training zu bringen. Dadurch erhoffe ich mir im Wettkampf, bei den verschiedensten Gegebenheiten routiniert und konzentriert schießen zu können. Aber das habe ich auch schon früher gerne gemacht.“
Stellt das Arbeiten gar eine positive Abwechselung dar? Die Ergebnisse von dir in diesem Jahr, u.a. Sieg auf der Indoor World Series in Nimes, 4. Platz beim Grand Prix in Bukarest, sprechen dafür?
Meißner: "Bei meinem Weltcup Sieg habe ich noch nicht gearbeitet (lacht). Das war es ein super Abschluss meines "Studentenlebens". Ich merke, wie mir das Schießen einfach immer wieder Kraft und Ruhe für meinen Arbeitsalltag gibt. Ich merke allerdings auch, wie es mir schwerer fällt, während des Trainings abzuschalten. Da kommen immer wieder Gedanken über die Schüler, den heutigen Tag oder über Sachen, die noch zu erledigen sind in den Kopf. Mein Training und die Wettkämpfe sind bei weitem nicht mehr so "frei" im Kopf, wie noch vor Februar. Das ist mir vor allem in Bukarest aufgefallen. Dort habe ich länger gebraucht, um in den "Wettkampfmodus" zu kommen, als früher.“
Themenwechsel: Der Höhepunkt des Jahres mit der WM steht an. Was ist da drin für dich persönlich, aber auch für den Compound-Bereich insgesamt?
Meißner: "Alles ist drin. Ich weiß, dass ich starke Ergebnisse schießen kann und auch die "magische 700" in Wettkämpfen bei mir drin ist. Ich bereite mich aktuell sowohl stark auf die WM als auch auf die European Games vor. Mental bin ich bereit und auch wirklich voller Vorfreude, endlich wieder einen internationalen Wettkampf zu besuchen. Vor allem, wenn Cedric (Rieger, Anm. d. Red.)unterwegs ist und ich zu Hause bleiben muss, um zu arbeiten, merke ich, wie mir die vielen Wettkämpfe fehlen. Daher fehlt mir auch leider etwas „face to face“-Praxis, die ich sonst mehr hatte. Ziel für mich ist die Top 10 im Einzel. Mit den Damen wäre es toll, wieder einen Schritt Richtung Podium zu gehen, denn unser Team ist auch dieses Jahr wieder stark! Auch unsere Herren sind dieses Jahr meiner Meinung nach in guter Fassung. Da bin ich gespannt, was vor allem das Herren-Team bei der WM zeigt.“
Ist es für dich ein ganz "normaler" Wettkampf oder bereitest du dich anders darauf vor?
Meißner: "An sich ist es ein "normaler" internationaler Wettkampf. Ich denke auch, dass es einem mental hilft, die WM nicht übermäßig auf ein Podest zu setzen. Man kennt die Gegner, die dort schießen und an sich hat doch jeder Platz eine Schießlinie und viele Scheiben, oder? Aber gerade da ich jetzt noch einen Beruf ausübe, konzentriere ich mich auf meinen Tunnel. Dabei achte ich darauf die Arbeit Arbeit sein zu lassen und das Schießen Schießen sein zu lassen.“
Der Fokus, vor allem der Medien, richtet sich fast ausschließlich auf den olympischen Recurve-Bogen. Nervt das oder ist das auch ganz angenehm, weil man weniger Stress hat?
Meißner: "Mehr Fokus wäre vor allem in Hinblick auf eine verbesserte Förderung wünschenswert. Allerdings sieht man auch oft, wie hoch der Druck ist, der auf den Recurve-Schützen lastet. Oder auch Posts auf sozialen Medien über unsere olympischen Kollegen, die - mit Verlaub - teilweise wirklich unter der Gürtellinie sind. Da ist man doch manchmal froh, nicht auf dem Radar solcher "weisen" Personen zu sein. Dennoch ist mehr Fokus, egal auf Recurve oder Compound, vor allem in den Medien gut, denn mehr Medien heißt mehr Geld, mehr Förderung und mehr Wettkämpfe. Wir haben tolle und erfolgreiche Compound-Schützen und -Schützinnen in Deutschland, die meiner Meinung nach auch noch erfolgreicher sein könnten, wenn Bogenschießen allgemein mehr in den Medien wäre.“
Warum hast du dich für den Compound entschieden? Und hast du Hoffnung, dass der Compound auch irgendwann olympisch wird?
Meißner: "Das war zu Beginn als Kind eine leichte Entscheidung für mich: Compound sieht einfach cooler aus! Heute fragt man sich manchmal schon, warum man nicht bei Recurve geblieben wäre. Vor allem wegen der Förderung und wegen der Olympischen Spiele. Die Hoffnung, dass Compound irgendwann olympisch wird, ist da, doch denke ich, dass ich das als aktive Schützin nicht mehr erleben werde. Eventuell schafft es die USA bei ihren Olympischen Spielen, dass Compound olympisch wird. Ich denke aber auch, dass die Einführung von Compound bei den European Games einen großen Schritt in Richtung Olympische Spiele mit sich bringt.“
Du trainierst oft mit deinem Freund Cedric Rieger zusammen. Wer siegt in den internen Duellen öfter? Der Recurve (Rieger) oder der Compound (Meißner)?
Meißner (lacht): "Das bleibt wohl eher unser Geheimnis!“
Wann wäre die WM für dich eine erfolgreiche WM?
Meißner: "Wenn ich meinen aktuellen Leistungsstand abrufen kann - unabhängig von der Platzierung - und vor allem mental 100 Prozent von Anfang bis Ende alles gebe.“
Das deutsche Team in Herzogenbusch
Recurve: Michelle Kroppen, Elena Richter, Lisas Unruh, Florian Kahllund, Cedric Rieger, Maximilian Weckmüller
Betreuer: Oliver Haidn, Natalia Butuzova, Marc Dellenbach, Susanne Hentsch, Gregor Kuhn
Compound: Kristina Heigenhauser, Janine Meißner, Velia Schall, Sebastian Hamdorf, Marcus Laube, Marcel Trachsel
Betreuer: Holger Hertkorn, Harry Vohs
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