Weltmeisterschaften
Bogen-WM: Kroppens konsequenter Aufstieg in die Weltspitze
Michelle Kroppen hat sich bei der Bogen-WM in Herzogenbusch/NED in den Vordergrund geschossen: Zunächst war sie an der Seite von Elena Richter und Lisa Unruh wichtiger Bestandteil des Frauen-Teams, das den Teamquotenplatz für Tokio 2020 gewann, anschließend setzte sie im Einzel zu einem Siegeszug an, der sie bis in das Bronzefinale am Sonntag, 16. Juni (ca. 14.50 Uhr live auf YouTube), führte.
Die Entwicklung von Kroppen kommt nicht von ungefähr: Mit acht Jahren kam sie – dank der Großmutter – die ein Bogenschießen auf Luftballons auf dem Geburtstagsprogramm hatte, erstmals mit dem Bogensport in Kontakt. Die Lust war geweckt und das Talent entdeckt, mit 16 Jahren wechselte sie an die Sportschule nach Jena, wo sie unter den Fittichen des damaligen Nachwuchs-Bundestrainers Viktor Bachmann stand. 2016 trat sie in die Bundespolizei ein: „Da fiel endgültig die Entscheidung, Bogensport professionell zu machen. Es gab keinen Plan B“, so Kroppen. Im gleichen Jahr zog sie nach Berlin, um dort mit ihren Teamkolleginnen härter und mehr denn je zu trainieren. Ihre Liebe zum Sport mit Pfeil und Bogen geht sogar bis unter die Haut: Ein Tattoo mit einem Pfeil und den Geburtsdaten ihrer Mutter Sandra ziert ihren linken Oberarm: „Die Pfeilspitze zeigt immer dahin, wo der Pfeil hinmuss. Und ohne meine Mutter wäre ich nicht da, wo ich bin. Sie hat so viel in mich investiert.“
Nachdem Kroppen bereits in ihrer Nachwuchsphase an Weltmeisterschaften teilgenommen hatte, u.a. Platz fünf bei der Juniorinnen-WM 2015, erfolgte 2018 der internationale Durchbruch bei den Erwachsenen: In den USA gewann sie an der Seite der Olympia erfahrenen Richter (30. Platz 2012 in London) und Unruh (Silber 2016 in Rio) den WM-Titel in der Halle, im gleichen Jahr erreichte sie in Salt Lake City erstmals ein Finale der Weltcup-Serie des Bogen-Weltverbandes World Archery: „Da habe ich das erste Mal bei den Großen gezeigt, dass ich nicht nur in der Mannschafft, sondern auch alleine etwas drauf habe.“
Ich bin jetzt schon total zufrieden und werde einfach weiterschießen und genießen!
Die Erfolge bei der WM stellen jedoch alles bisher Dagewesene in den Schatten, der Reihe nach eliminierte sie Top-Schützinnen aus Großbritannien und China (2x), ehe sie nach einem starken Match gegen die 2019 noch ungeschlagene Über-Schützin Chae Young Kang (Südkorea) im Halbfinale verlor. Kroppen forderte Kang alles ab, und die Weltranglisten-1. und Weltrekordlerin zeigte ihre Klasse mit lediglich vier Schüssen (von zwölf), die nicht im Zentrum einschlugen. Dennoch bilanziert die Bundespolizistin bereits vor dem Finale: „Es ist jetzt schon mein größter Erfolg. Hier ist die Creme de la Creme, aber ich würde mich mega freuen, auf dem Podest zu stehen. Ich bin jetzt schon total zufrieden und werde einfach weiterschießen und genießen!“
"Heimspiel" für Kroppen
Und vielleicht erfährt Kroppen Unterstützung von niederländischer Seite. Schließlich würde die Blondine würde problemlos als Meisje durchgehen, ist quasi eine „halbe“ Niederländerin: Kroppen wuchs nahe der Grenze auf, versteht und spricht die Sprache des Nachbarlandes. „Meine Heimatstadt Straelen ist grenznah, in meiner Kindheit haben wir sehr oft in den Niederlanden eingekauft und getankt. Die Holländer haben eine sehr gute Stimmung in ihrem Land. Ich mag, dass es am Wasser liegt, und der Käse ist auch nicht zu verachten.“
Das Bronzefinale am Sonntag in Herzogenbusch gegen die Koreanerin Misun Choi wird generalstabsmäßig vorbereitet: Am Freitag trainiert Kroppen zunächst auf dem Trainingsfeld und schießt ein Match gegen Elena Richter. Anschließend darf sie für eine halbe Stunde Finalstadion-Luft schnuppern und die Atmosphäre erstmals aufsaugen. Am Samstag folgt die Simulation Teil zwei, wenn Lisa Unruh die Gegnerin heißt. Wohl dem, der so aus dem Vollen schöpfen kann. Am Sonntag wird es gegen 14.50 Uhr ernst, dann betritt sie nach Regieplan das Stadion, dann fiebern ihre Team-Kollegen und einige Fans im Stadion mit und sicherlich einige vor dem Bildschirm bei der Live-Übertragung auf YouTube. Und wie geht´s aus, Bundestrainer Oliver Haidn? „Sie hat eine sehr gute Entwicklung genommen. Wie sie durch die einzelnen Matches durchgegangen ist, auch wenn es eng wurde, war beeindruckend. Es ist alles möglich. Es ist wirklich alles möglich.“
Um die Medaillen kämpfen am Wochenende folgende Schützen und Nationen
Recurve Team Frauen: Goldfinale Südkorea – Taiwan & Bronzefinale Großbritannien – China
Recurve Team Männer: Goldfinale China – Niederlande & Südkorea – Indien
Recurve Mixed: Goldfinale Südkorea – Niederlande & Taiwan – Italien
Recurve Einzel Frauen: Goldfinale Chae Young Kang (Südkorea) – Chien-Ying Lei (Taiwan) & Misun Choi (Südkorea) – Michelle Kroppen
Recurve Einzel Männer: Goldfinale Anuar Khairhul Mohamad (Malaysia) – Brady Ellison (USA) & Mauro Nespoli (Italien) – Ruman Shana (Bangladesch)
Compound Team Frauen: Goldfinale Taiwan – USA & Bronzefinale Indien – Türkei
Compound Team Männer: Goldfinale Südkorea – Türkei & Bronzefinale Niederlande – Kolumbien
Compound Mixed: Goldfinale Südkorea – Frankreich & Bronzefinale Kolumbien - Taiwan
Compound Einzel Frauen: Goldfinale Natalia Avdeeva (Russland) – Paige Pearce (USA) & Bronzefinale Surekha Vennam (Indien) – Yesim Bostan (Türkei)
Compound Einzel Männer: Goldfinale Anders Faugstad (Norwegen) – James Lutz (USA) & Bronzefinale Jongho Kim (Südkorea) – Braden Gellenthien (USA)
Das deutsche Team in Herzogenbusch
Recurve: Michelle Kroppen, Elena Richter, Lisa Unruh, Florian Kahllund, Cedric Rieger, Maximilian Weckmüller
Betreuer: Oliver Haidn, Natalia Butuzova, Marc Dellenbach, Susanne Hentsch, Gregor Kuhn
Compound: Kristina Heigenhauser, Janine Meißner, Velia Schall, Sebastian Hamdorf, Marcus Laube, Marcel Trachsel
Betreuer: Holger Hertkorn, Harry Vohs
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