Europameisterschaften

Bogen-EM München: Doppel-Interview mit Haidn & Hertkorn

29.04.2022 10:21

Der internationale Saisonauftakt beim Weltcup in Antalya/TUR verlief für die deutschen Bogenschützen mit einem kompletten Medaillensatz sehr positiv. Dennoch gibt es auch noch Luft nach oben, wie Bundestrainer Oliver Haidn und der Compound-Verantwortliche Holger Hertkorn im Doppel-Interview – gerade mit Blick auf die Heim-EM vom 6. bis 12. Juni in München – betonen. Tickets für die erste Erwachsenen-Freiluft-EM auf deutschem Boden gibt es bei www.ticketmaster.de

Foto: World Archery / Bundestrainer Oliver Haidn (links) mit Nachwuchs-Bundestrainer Marc Dellenbach sowie dem "Silberteam" in Antalya Michelle Kroppen, Charline Schwarz und Katharina Bauer.
Foto: World Archery / Bundestrainer Oliver Haidn (links) mit Nachwuchs-Bundestrainer Marc Dellenbach sowie dem "Silberteam" in Antalya Michelle Kroppen, Charline Schwarz und Katharina Bauer.

Der Start in die internationale Saison ist erfolgt. Wie fällt euer Fazit des Weltcups in Antalya aus?
Haidn: „Im Recurve-Bereich ziehen wir insgesamt ein positives Fazit. Alle Mannschaften liegen mit mindestens einem Viertelfinale im Soll. In der Einzelwertung konnten zudem die Damen überzeugen. Die Herren erfüllten die Erwartungen hier jedoch nicht.“
Hertkorn: „Es war ein schwieriger Start des Teams in den Wettkampf. Alle waren nervös und der Wind war nicht einfach. Dies zeigen auch die wenigen Top-Ergebnisse der Konkurrenz. Eine Medaille war im Vorfeld nicht zu erwarten. Daher aber um so mehr die Freude über die Goldmedaille des Damen-Teams. Ein toller Abschluss des Weltcups, viel besser geht es nicht. Ein schöner Start in die Saison.“

Holger, dein Frauen-Team hat sensationell Gold gewonnen. Wie kam es zu diesem ersten Weltcupsieg eines deutschen Frauen-Compoundteams?
Hertkorn: „Obwohl wir nicht oft mit dem Team gemeinsam trainieren können, weiß ich, dass alle Damen fleißig im Training sind. Daher waren sie technisch gut vorbereitet. Es gehört natürlich auch noch eine Portion Glück dazu. Aber die Mädels haben von Anfang an gezeigt, dass sie kämpfen werden. Schlüsselpunkt war das erste Match, in dem die Damen nach einem 3-Ringe-Rückstand, stark zurückgekommen sind und das Stechen mit drei sauberen Zehnern gewonnen hatten. Man merkte richtig, dass sie dann mehr wollten. Sie waren sehr fokussiert und haben einfach gut weiter gemacht. Letztendlich ein verdienter Erfolg.“

Die Einzelergebnisse waren alles andere als „goldwürdig“! Hat der Teamwettbewerb seine eigenen Gesetze? Wenn ja, warum ist das so?
Hertkorn: „Man sollte bedenken, dass es der erste internationale Wettkampf des Jahres war. Alle waren sehr nervös und der Wind war schwierig. Florian Grafmans war in der Qualifikation Elfter. Das ist eine tolle Leistung, bedenkt man die professionelle Konkurrenz. Beim Teamschießen gelten schon etwas andere Gesetze. Man ist nicht für sich. Die Teamkollegen sind unmittelbar dabei, man wechselt sich im Schießen ab, kann sich noch Tipps geben, gegenseitig motivieren und der Coach spielt vielleicht auch noch eine etwas andere Rolle.“
Haidn: „Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Zum einen zeigen sich im Einzelwettbewerb bei einigen Athleten noch technische und taktische Mängel, die auch erst der Wettkampf an sich offenbart. Zum anderen braucht es eben auch eine entsprechende Anzahl von internationalen Wettkämpfen, um das strategische Konzept für den Wettkampf herauszuarbeiten. Dies ist im Mannschaftswettbewerb etwas anders, weil hier Schwächen eines Schützen zumindest zum Teil durch die Mannschaftspartner ausgeglichen werden können.“

Foto: World Archery / Holger Hertkorn mit seinen
Foto: World Archery / Holger Hertkorn mit seinen "Goldmädels" von Antalya (v.r.) Julia Böhnke, Carolin Landesfeind und Franziska Göppel sowie Jennifer Walter.

Die Frauen hui, die Männer pfui? Kann man das für den Compound-Bereich so provokativ formulieren?
Hertkorn: „Das möchte ich so nicht stehen lassen. Letztes Jahr haben die Männer meist sehr stark geschossen. Zum Beispiel war das Männer-Team auf der WM nach der Qualifikation Zweiter, Tim Krippendorf hat beim Grand Prix in Antalya Bronze geholt, war Vierter bei der EM und hat einen Quotenplatz für die World Games dieses Jahr geholt. Bei diesem Weltcup waren sie noch nicht so erfolgreich, das kann beim nächsten Wettkampf wieder anders sein. Das Potenzial haben sie.“

Oliver, im Recurvebereich sorgten auch die Frauen mit Team-Silber und Einzel-Bronze und Platz vier für Furore. Was haben die Frauen den Männern aktuell voraus?
Haidn: „Die Frauen haben in unserer Mannschaft generell den Vorteil, dass sie auch im Training immer mehr gefordert sind, weil sie im direkten Vergleich mit unseren Herren auch bestehen wollen. Zudem haben wir international im Männerbereich auch eine höhere Leistungsdichte. Hier sind bereits ab der ersten Runde hohe Ergebnisse notwendig, um weiterzukommen. Das ist sicher auch im Einzelwettbewerb so.“

Holger, dein EM-Team steht nach Antalya fest. Wer ist dabei?
Hertkorn: „Nominiert sind Carolin Landesfeind, Julia Böhnke, Franziska Göppel, Florian Grafmans, Sebastian Hamdorf und Leon Hollas. Der Bundesausschuss Spitzensport muss dem jedoch noch zustimmen.“

Oliver, die Recuver schießen ihren zweiten Teil der EM-Qualifikation Anfang Mai. Was erwartest du?
Haidn: „Wie bereits in der ersten Qualifikation, werden wir im Herrenbereich sehr knappe Ergebnisse sehen, die auf dem schwierigen Wettkampffeld in München durchaus auch von taktischen Fähigkeiten beeinflusst werden. Im Damenbereich zeigen sich andererseits schon einige Tendenzen. Wir sind aber dennoch gespannt, wie unsere Nachwuchsathletinnen Elina (Idensen, Anm. d. Red.) und Clea (Reisenweber, Anm. d. Red.) den Ausgang beeinflussen werden.“

In knapp 40 Tagen beginnt die EM in München. Was muss bis dahin noch passieren? Was benötigen eure Athleten noch?
Haidn: „Wir müssen vor allem die Technik im Wettkampf stabilisieren. Zudem werden wir dann das jeweilige Material auf die augenblickliche Schießtechnik abstimmen. Wir haben daher im Anschluss an den Weltcup in Korea noch einen Lehrgang in München geplant. Der Rest ist sehr speziell und reicht von Techniktraining bis zur individuellen Wettkampfvorbereitung.“
Hertkorn: „Wir bestreiten den Weltcup in Korea als Vorbereitungswettkampf. Die Athletinnen und Athleten intensivieren ihr Mental- und Wettkampftraining, um sich möglichst gut für die EM vorzubereiten.“

Was erhofft ihr euch von der „EM dahoam“?
Haidn: „Wir erhoffen uns vor allem einen überregionalen „Push“ für den Bogensport, wie auch eine gute Generalprobe für die WM 2023 in Berlin. Ebenso insgesamt spannende Wettkämpfe bei optimaler medialer Umsetzung. Zudem viel Begeisterung und gute Laune bei unseren Fans, Athleten und insgesamt im deutschen Team.“
Hertkorn: „Viele Zuschauer und Fans sowie gutes Wetter. Und dass das positive Gefühl des Heimvorteils auch in gute Schüsse umgesetzt werden kann. Der DSB ist mittlerweile erfahren im Ausrichten von großen Bogensport-Events. Das sollte für uns zumindest organisatorisch einen entspannten Wettkampf bieten.“

Was ist das Ziel?
Haidn: „Unsere Mannschaft kann mittlerweile bei allen Wettbewerben Medaillen erzielen. Das sollte uns auch bei der EM in München 2022 gelingen. Darüber hinaus sollten alle Athleten ihre Leistung auch abrufen können und damit stabile und hohe Ringzahlen in allen Wettbewerben erreichen.“
Hertkorn: „Eine weitere Medaille wäre natürlich toll. Da muss es aber auch wieder optimal laufen. Es spielt ja nicht nur die eigene Leistung eine Rolle, sondern auch Faktoren, die du nicht beeinflussen kannst. Wichtig ist, dass die Jungs und Mädels das zeigen und umsetzen, was sie eigentlich können. Dann können sie auch erhobenen Hauptes wieder nach Hause fahren, egal ob mit oder ohne Medaille.“

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