Olympische Spiele

Tokio 2020NE: Neuling vs. Routinier – Carina Wimmer & Monika Karsch im Interview

08.07.2021 12:00

Monika Karsch und Carina Wimmer sind nicht nur beide Pistolenschützinnen, Nationalkaderathletinnen und Trainingspartner, sondern auch beide Olympiateilnehmerinnen in Tokio. Während Wimmer zum ersten Mal Olympialuft schnuppert, hat Karsch bereits eine olympische Silbermedaille zuhause. Ein Gespräch unter Freundinnen.

Foto: DSB / Ein verschworenes Team: Die Pistolen-Frauen Monika Karsch, Carina Wimmer und Doreen Vennekamp. Die zwei Erstgenannten nahmen im "Neuling vs. Routinier"-Interview Stellung.
Foto: DSB / Ein verschworenes Team: Die Pistolen-Frauen Monika Karsch, Carina Wimmer und Doreen Vennekamp. Die zwei Erstgenannten nahmen im "Neuling vs. Routinier"-Interview Stellung.

Carina, du hast durch deinen Luftpistolen-Europameistertitel in Osijek dir zum ersten Mal deinen Traum von den Olympischen Spielen erfüllt. Hast du dir schon Tipps von Moni für die Olympischen Spiele geholt?
Wimmer: „Ja. Ich werde auf jeden Fall checken, auf welche meiner Dinge ich überall noch ein Namensetikett kleben kann, damit ich wirklich alles dabei habe und auch alles wieder bekomme. Natürlich haben wir schon darüber geredet, wie es in Tokio aussehen wird, wie die Verpflegung ist, wie man mit anderen Sportlern zusammenkommt.“

Was war für dich der wichtigste Punkt?
Wimmer (lacht): „Die Essensverpflegung! Und dass es auch japanisch geben wird, dann war für mich alles gut. Auf jeden Fall bin ich gespannt auf die Regeln der Einkleidung und ob ich das gleich alles richtig mache.“
Karsch: „Wir haben bisher viel Organisatorisches besprochen, aber ich kann nicht sagen, wie es wird, nur wie es war. Denn in Tokio wird es wieder anders. Ich kann nur erzählen, wie es in Rio war oder was ich von anderen Schützen erzählt bekommen habe, aber richtig darauf einstellen kann man sich dieses Mal nicht. Und zur Olympiaeinkleidung: Das ist wie ein Startschuss!“
Wimmer: „Erst da realisiert man wahrscheinlich, wo es jetzt hingeht.“

Ihr habt schon angesprochen, dass dieses Jahr Vieles anders sein wird. Monika, ist das auch so, dass man dann von seiner Erfahrung gar nicht so viel profitieren kann?
Karsch: „Doch, das glaube ich schon, denn ich weiß, auf was ich mich freuen kann. Trotz Hygienekonzept und Corona – ich freue mich riesig! Auch wenn wir eingeschränkt sein werden, dieses Wissen, dass man so viel dafür getan hat und dass es ein besonderer Moment mit einer besonderen Gruppe ist, mit Sportlern, die alle das gleiche Ziel haben, diese Stimmung schwingt mit – egal, was für ein Konzept es außenherum gibt. Und es werden besondere Momente sein, die wir dort erleben und empfinden, die da sein werden.“

Foto: DSB / Der Traum von den Olympischen Spielen. Carina Wimmer hat ihn sich erfüllt und trägt ihn als Kette bei sich.
Foto: DSB / Der Traum von den Olympischen Spielen. Carina Wimmer hat ihn sich erfüllt und trägt ihn als Kette bei sich.

Was war dein größtes Learning aus den letzten Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016?
Karsch: „Mir ist es dort gelungen, alles so zu nehmen, wie es kommt und im Augenblick zu leben. Das würde ich gerne wieder so machen. Ich habe alles genau wahrgenommen, was ich gerade mache und empfand auch genau diesen Moment des Wettkampfes, der Siegerehrung, die Medaille als am schönsten und größten. Ich habe es nicht erst zwei Tage später realisiert, was Viele beschreiben, sondern ich habe es so empfunden, dass die Siegerehrung für mich auch wirklich der schönste Moment war. Und das würde ich mir wünschen, dass das jetzt wieder so ist. Ich würde gerne wieder so eintauchen."

Trotz Hygienekonzept und Corona – ich freue mich riesig!

 

Monika Karsch zu ihren zweiten Olympischen Spielen

Carina, wie stellst du dir als Neuling einen olympischen Wettkampf vor?
Wimmer: „Erst einmal nicht anders. Ich werde genauso aufgeregt sein, wie bei der EM, denn auch dort war ich nervös, aber trotzdem war der Fokus da. Wenn ich das wieder schaffe, dass ich mein eigenes persönliches Ziel habe, dann glaube ich, dass es ähnliche Emotionen und eine ähnliche Intensität wird. Aber wahrscheinlich wird die Atmosphäre und das Drumherum anders sein – trotz der gleichen Leute. Man weiß eben in jedem Moment: Das ist Olympia! Ich werde versuchen, es zu genießen und alles bewusst wahrzunehmen.“

Monika, bei Olympia gibt es viel mehr Dinge, die einen auch ablenken können, trotzdem ist man dort, um seinen Job zu erledigen. Wie behält man den Fokus?
Karsch: „Das ist die Kunst: Den Spirit mitzunehmen, stolz zu sein, aber gleichzeitig am Stand seine Arbeit zu machen. Ich glaube, dass das Gefühl und die Grundstimmung da sein dürfen, aber dass es im Wettkampf dann die gleiche Arbeit wie in jedem anderen Wettkampf ist. Man muss es nicht besser oder besonders gut machen, nur weil Olympia ist, sondern man muss es nur so machen, wie man es die ganze Zeit trainiert hat. Man kann sich das sicher visualisieren, dass man in diesem Moment einfach seine Arbeit machen muss. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“

Man hört viel über die Olympischen Spiele. Medienspektakel, Traum und und und... Hand aufs Herz Monika, ist es wirklich das Größte?
Karsch: „Ja, es ist das Größte! Ich habe auch schon Stimmen gehört, die gesagt haben, dass es jetzt auch nur ein Wettkampf war, aber das habe ich anders empfunden. Dieses Zusammensein, unter Gleichen zu sein, sich auf höchstem Niveau zu messen – das ist für mich das Größte, das Höchste! Das kann man sich nicht kaufen, das kann man sich nirgends abholen, das gibt es eben nur alle vier bzw. jetzt sogar fünf Jahre.“

Was würdet ihr sagen? Wo hilft bei den Olympischen Spielen die Unbekümmertheit, wo die Erfahrung?
Wimmer: „Ich glaube, das Schöne bei mir ist, dass meine Teilnahme auch für mich überraschend kam und es für mich wie ein Bonus ist, ein Privileg, dass ich dort hinfahren darf. Bei Moni ist es sicher eher so, dass sie dort hinfährt, um wieder etwas erreichen zu wollen. Da ist ein anderer Erwartungsdruck dahinter. Bei mir ist die Erwartung, das alles erst einmal miterleben zu dürfen und dann zu sehen, was ich kann. Ich kann eigentlich nur über mich hinauswachsen. Und wenn es nichts wird, dann habe ich mir alles einmal angesehen und kann in drei Jahren sagen: ‚Jetzt packe ich es wieder an.‘“
Karsch: „Ich weiß noch, dass wir in Rio ein paar Gewehrschützen dabei hatten, die zwar schon im Finale waren, aber immer knapp an der Medaille vorbeigeschrammt sind. Ich hatte immer das Gefühl, dass diese Schützen einen Rucksack mit sich hatten, den ich nicht spürte. Ich war unbeschwert und leicht und habe mich vielleicht sogar im Vorteil gesehen, denn ich habe versucht, alles von den anderen aufzusaugen, mich aber gleichzeitig stark und positiv gefühlt. Ich dachte, ich kann diese Energie vielleicht auch an die anderen abgeben und dass das für das Team wertvoll sein kann, wenn man die Erfahrung derer nimmt, die schon dort waren, aber zum anderen die Unbeschwerten aussaugt und sich immer wieder vor Augen führt, wie aufregend und spannend das alles ist. Ich glaube, wenn das auch in unserem Team stattfindet, können wir richtig davon profitieren.“

Das Schöne bei mir ist, dass meine Teilnahme auch für mich überraschend kam!

Carina Wimmer zu ihrer Teilnahme

Monika, du hast bereits eine Medaille in der Tasche. Ist dadurch der Erwartungsdruck für dich noch höher, weil du es noch einmal toppen willst?
Karsch: „In Moment liegt immer noch der Fokus darauf, dass ich noch ein wenig an meiner Technik arbeiten muss. Wir haben es so ausgelegt, dass noch ein wenig Reserve in mir drin ist. Wir sind noch im Arbeitermodus. Man sollte sich, wenn man dorthin fährt, immer noch frisch fühlen, ins Finale wollen und eine Medaille holen wollen. Wie gut man das geschafft hat, wird man eine Woche zuvor sehen, wenn man weiß, wie frisch und wie gut man sich fühlt. Ja, ich will ins Finale und ich will um eine Medaille mitkämpfen – das habe ich natürlich im Kopf, aber ich glaube, dass meine eigene Erwartung da am höchsten ist. Andererseits denke ich mir, dass ich schon bei Olympia war, eine Medaille gewonnen habe – das ist eine Lebensleistung! Jetzt darf ich noch einmal. Wenn ich es schaffe, ist das toll, wenn nicht, kann ich sagen, dass ich alles dafür getan habe.“

Carina, ihr trainiert auch viel miteinander. In welcher Hinsicht ist Monika ein echtes Vorbild für dich?
Wimmer: „Wenn man Moni kennt, weiß man, dass sie manchmal etwas zerstreut ist, aber am Stand ist das komplett anders. Egal, ob wir ein Spiel machen oder auf Leistung schießen, wir schaffen es immer, uns hochzuschaukeln. Am Ende kommt immer etwas Gutes raus, wovon wir beide zehren. Da agieren wir toll miteinander, und ich freue mich immer, mit ihr gemeinsam am Stand zu stehen und alles zu geben.“

Foto: DSB / Monika Karsch freut sich auf ihre zweiten Olympischen Spiele.

Wie wichtig ist es, zum einen ein Zugpferd zu haben, zum anderen ein Team zu haben, das harmoniert?
Wimmer: „Wir wissen, dass wir immer eine gute Stimmung miteinander haben, was schon einmal einen gewissen Vibe ausmacht. Jeder von uns will etwas erreichen.“
Karsch: „Keiner weiß so richtig, was in Tokio auf uns zukommt, und ich glaube, es tut uns gut, dass etwas offen ist und dass wir uns erst einmal ein wenig orientieren müssen. Carina und ich können das sehr gut und auch Bärbel, unsere Trainerin. Wir können alle super improvisieren!“
Wimmer: „Und wir sind begeisterungsfähig…“
Karsch: „Wir können uns gut auf neue Situationen einstellen und dadurch bleibt eine gewisse Spannung. Das ist für uns gar nicht so schlecht.“

Monika, was würdest du Carina gerne noch mit auf den Weg geben wollen?
Karsch: „Sie muss nichts anders machen. Sie ist genau auf dem richtigen Weg. Sie soll das mitnehmen, was kommt. Sie muss es nicht besser machen, aber auch nicht schlechter.“
Wimmer: „Der gleiche Tipp wie vorm EM-Finale…. Aber der hat funktioniert!“

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