Weltmeisterschaften
Bogen-WM Berlin: Die Südkoreaner – und andere Favoriten
Was für den Fußballsport einst Gary Lineker über die deutsche Mannschaft sagte, könnte man für den Bogensport in etwa so formulieren: „Viele Schützen treten an die Schießlinie, und am Ende gewinnen die Südkoreaner!“ Die sind bei der Bogen-WM in Berlin (31. Juli bis 6. August) – zumindest im Recurve-Bereich – die Top-Favoriten, aber auch andere Nationen bzw. Sportler können sich Chancen ausrechnen.
Seit 1988 gibt es den Teamwettkampf im olympischen Bogenschießen – die koreanischen Frauen haben bis heute noch kein Match verloren. Es ist die längste Siegesserie einer Mannschaft bei Olympia. Demnach sind die koreanischen Frauen in Berlin – zumal mit An San und Kang Chaeyoung zwei aus der Tokio-Goldmannschaft dabei sind – die Top-Favoriten. Und – natürlich – gilt dies auch für die koreanischen Männer, wobei diese nicht ganz die Dominanz ihrer Landsfrauen haben.
Aber woran liegt es, dass die Koreaner den olympischen Bogensport so dominieren? Lisa Unruh hat eine Erklärung: „In Korea werden ausschließlich fünf Sportarten gefördert, und Bogenschießen ist eine davon. Deren Fördersystem ist also darauf ausgelegt, dass ganz viele Kinder Olympiasieger im Bogenschießen werden wollen, weil sie für ihr Leben ausgesorgt haben, wenn sie es schaffen. Den Kindern wird in jungen Jahren akribisch die Technik beigebracht, und sie erhalten bereits dann schon eine Sport- und Schulfreundliche Ausbildung. Das heißt, dass sie an Stützpunkten bzw. Sportschulen trainieren, wo sie bestmöglich unterstützt werden und den ganzen Tag mit Schule und Bogenschießen füllen. Da ist es zwangsläufig so, dass bei so einer Masse an Sportlern auch "ein paar" Gute herauskommen.“ (Ein ausführliches Portrait über den Bogensport in Korea gab es in der Faszination Bogen / Ausgabe 01/2022)
In Korea werden ausschließlich fünf Sportarten gefördert, und Bogenschießen ist eine davon!
Lisa Unruh über das koreanische Fördersystem
Aber natürlich ist der „Rest der Welt“ nicht chancenlos: Die Schützen aus China und Taiwan sind sehr stark, und dann gibt es einzelne Schützen wie bei den Männern beispielsweise Marcus D’Almeida/BRA, Brady Ellison/USA, Mete Gazoz/TUR, Mauro Nespoli/ITA oder bei den Frauen die Britinnen Penny Healey und Bryony Pitman sowie Elia Canales/ESP, die der koreanischen Übermacht gefährlich werden können. „Im Bogenschießen kann nahezu jeder mal einen Treffer landen. Natürlich sind im Recurvebereich die Koreaner die Stärksten, aber es gibt aus fast jeder Nation einen oder mehrere sehr starke Schützen, die das Ding rocken können“, sagt Lisa Unruh, die auch dem deutschen Team Chancen zurechnet: „Unsere deutsche Mannschaft ist gut aufgestellt und hat sich in den letzten Jahren einen Namen in der Welt gemacht. Sie hat durch großartige Erfolge Selbstbewusstsein getankt, und auch für sie ist alles möglich! Ich drücke ganz doll die Daumen!“ Mit Florian Unruh (2.), Katharina Bauer (4.) und Michelle Kroppen (7.) stehen aktuell drei DSB-Schützen in den Top Ten der Weltrangliste.
Im Compoundbereich verhält es sich ein wenig anders. Da dieser (noch) nicht-olympisch ist, wurde diesem in Korea bislang weniger Aufmerksamkeit zuteil, wie Unruh weiß: „Ich denke, die koreanischen Trainer hatten viele Jahre nicht das Knowhow, die Athleten perfekt zu unterstützen und ihnen zu zeigen, worauf es beim Compoundschießen ankommt. Man kann es eben nicht mit dem Recurve vergleichen. Aber sie haben sich viel von den amerikanischen Schützen abgeguckt und nun auch mit Reo Wilde einen Topathleten aus den USA als Trainer eingestellt.“
Mit Mike Schloesser/NED, Nico Wiener/AUT, Ella Gibson/GBR Sara Lopez/COL oder den starken US-Girls und -Boys haben andere Nationen bzw. Schützen die Favoritenrolle inne. Was bei allen Wettbewerben – egal ob Recurve oder Compound – gleichbleibt und über Sieg und Niederlage entscheidet, beschreibt Unruh abschließend: „Erfolg ist geknüpft an viele Faktoren, wie z.B. Tagesform, wie ist der Gegner zu diesem Zeitpunkt drauf, wie sind die Wetterverhältnisse und natürlich gehört auch das berühmte Quäntchen Glück in dem Moment dazu.“ Und wenn das alles zusammenkommt, dann sind vielleicht auch die „unbesiegbaren“ Südkoreaner zu bezwingen.
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