Weltmeisterschaften

Bogen-WM Berlin: „So eine Heim-WM ist etwas ganz Besonderes!“

12.04.2023 10:00

1979 fand erstmals in Deutschland eine Bogensport-Weltmeisterschaft im Freien statt. In Berlin zeigten die weltbesten Schützen ihr Können, unter ihnen auch der Tachertinger Armin Garnreiter, der im Team mit Willi Müller und Harry Wittig sensationell Team-Silber gewann. 44 Jahre danach findet erneut eine Bogen-Weltmeisterschaft in Berlin statt, ein Teil davon auf dem Maifeld, das auch 1979 als Wettkampffläche diente. Garnreiter erzählt von seinem in mehrfacher Hinsicht besonderen WM-Erlebnis, der Entwicklung des Bogensports und seinen Hoffnungen für 2023.

Foto: privat / Glücklich über die sensationelle WM-Silbermedaille: Willi Müller, Harry Wittig und Armin Garnreiter (v.l.).
Foto: privat / Glücklich über die sensationelle WM-Silbermedaille: Willi Müller, Harry Wittig und Armin Garnreiter (v.l.).

Armin, welche Erinnerungen hast du noch an die Bogen-WM 1979 in Berlin? 
Garnreiter: „Eigentlich fast keine, weil wir damals alle eine Salmonellenvergiftung hatten. Ich habe mit 39°C-Fieber geschossen, und wir sind nach jedem Wettkampftag ins Lazarett-Zelt gekommen, haben Pillen geschluckt und der Verbandsarzt hat entschieden, ob man am nächsten Tag noch an die Linie darf. Er wollte mich ins Krankenhaus einliefern, doch ich habe ihm gesagt: Das geht nicht, wir sind so weit vorne, da kommen wir nie wieder hin, ich schieße das Ding durch! Und aus dem Grund habe ich eigentlich keine Erinnerung an diese WM. Das ist zwar traurig, aber wir waren so krank, 60% der Aktiven und 80% der Helfer waren mit Salmonellen verseucht.“ 

Da kommen wir nie wieder hin, ich schieße das Ding durch!

Armin Garnreiter weigerte sich, den Wettkampf aufzugeben 

Foto: privat / Armin Garnreiter ist noch heute mittendrin statt nur dabei bei seinem Sport: dem Bogensport
Foto: privat / Armin Garnreiter ist noch heute mittendrin statt nur dabei bei seinem Sport: dem Bogensport

Wie kam es dazu? 
Garnreiter: „Vermutlich haben wir uns alle bei der Goodwill-Party am Abend nach dem offiziellen Training angesteckt. Das war wahrscheinlich der Salat mit Mayonnaise, das geht ja schnell. Es hat alle Teams erwischt, bis auf die Amerikaner. Die haben nur Steaks gegessen und keinen Salat!“ 

D.h. von der WM hast du die Schießlinie und das stille Örtchen gesehen? 
Garnreiter: „Genau. Es gibt sogar einen Artikel in der taz „Peter Mitterer: Das war Rekord, 25 Mal zur Toilette!“ 

Wie lange warst du damals schon im Bogensport aktiv? 
Garnreiter: „Ich habe 1973 begonnen, wir haben in diesem Jahr unsere 50 Jahr-Feier der Bogen-Abteilung, und ich bin das letzte aktive Gründungsmitglied. 1976 war ich Deutscher Juniorenmeister im Freien, 1977/78 in der Halle bei den Junioren. Und 1979 – im ersten Schützenjahr - bin ich dann zur WM gefahren und habe dort Silber gewonnen - das ist relativ flugs gegangen.“ 

Also war die Qualifikation für die WM schon überraschend? 
Garnreiter: „Ich absolvierte 1977/78 meinen Wehrdienst und war nach der Grundausbildung der erste Sportsoldat im Bogenschießen. D.h. ich hatte 15 Monate Zeit, mich vorzubereiten, wobei es natürlich nicht mein Ziel war, zur WM zu fahren. Ich tingelte bei den Junioren rum, und bei den Ausscheidungen waren so Leute wie Rudi Schiffl als Europameister, Willi Gabriel, Sechster der Olympischen Spiele in Montreal, oder Siggi Ortmann, die Legende schlechthin. Gegen die haben wir antreten müssen, und wir, als „die jungen Wilden“, haben uns durchgesetzt und sind nominiert worden. Das war wie die Jungfrau zum Kind, aus dem bayerischen Dorf in die Großstadt und WM schießen. Ich habe damals wohl gar nicht begriffen, um was es geht.“ 

Das war wie die Jungfrau zum Kind, aus dem bayerischen Dorf in die Großstadt und WM schießen!

Armin Garnreiter zu seiner überraschenden WM-Qualifikation 

Es war deine erste von insgesamt fünf Weltmeisterschaften. War das Besondere deine WM-Premiere oder dass die WM in Deutschland stattfand? 
Garnreiter: „Für mich war es sehr wichtig, dass die WM in Deutschland stattgefunden hat. So eine Heim-WM ist etwas ganz Besonderes, auch wenn WM anderswo auch beeindruckend ist, aber zu Hause ist es etwas anderes.“ 

Wie in diesem Jahr fand die WM auf dem Maifeld statt. 2023 werden ca. 600 Athleten aus 100 Nationen erwartet und 96 Scheiben dort stehen, wie war das vor 44 Jahren?  
Garnreiter (er schlägt im Ergebnisbuch nach): „95 Teilnehmer bei den Männern und 73 bei den Frauen, es gab 16 Frauen- und 22 Männermannschaften.“ 

Es war die erste deutsche WM-Medaille mit dem olympischen Recurvebogen. Kam diese überraschend? 
Garnreiter: „Ja, natürlich! Damit hat keiner rechnen können, und deshalb haben alle gesagt, egal, wie krank wir sind, wir gehen alle an die Linie. Wir waren lange Zeit nur Dritter, aber am letzten Tag haben wir noch Belgien überholt und wurden Zweiter, natürlich hinter den Amerikanern. Das war wie ein Sieg damals.“ 

Wie wurde die Medaille in der Sportlandschaft gefeiert? Gab es Berichte über die WM? 
Garnreiter: „Berlin hat sehr viel gemeldet, aber ansonsten gab es kaum Publicity. Natürlich war ich bei uns im Dorf, einer 3.000 Seelengemeinde, der Held. Das Holzbrett „Wir begrüßen den WM-Teilnehmer“ hängt noch immer in der Schießhalle.“ 

Es war auch der Beginn der südkoreanischen Dominanz. 1979 gewannen Koreas Frauen erstmals WM-Gold im Team und im Einzel! 
Garnreiter: „Das kann ich so nicht sagen. Ich weiß nur, dass die Koreanerinnen in Los Angeles 1984 Olympia-Gold gewonnen und seitdem bei Olympia kein Match mehr verloren haben. Die Koreaner waren bei den Männern damals nicht so dominant, bei den Frauen mit Jin-ho Kim ging es wohl los.“ 

Der Bogensport hat sich wettkampfmäßig dramatisch verändert!

Armin Garnreiter über den Vergleich des Bogensports damals und heute 

Du bist immer noch rege aktiv. Wie hat sich der Bogensport verändert? Oder hat er sich überhaupt verändert? 
Garnreiter: „Er hat sich wettkampfmäßig dramatisch verändert, weil er andere Wettkampfformate hat. Auf der WM haben wir an vier Tagen eine Doppel-FITA-Runde, also zweimal je 36 Pfeile auf vier Distanzen - 30m, 50m, 60m und 70m - geschossen, die Sieger haben frühzeitig festgestanden, weil sie sich einen Vorsprung von 20, 30 Ringen erarbeitet hatten – das war am Ende schon etwas langweilig. Jetzt haben wir die Qualifikation und die Ko-Phase mit Mann-gegen-Mann bzw. Frau-gegen-Frau, das ist viel interessanter. Trotzdem setzen sich die Besten durch, die Guten gewinnen immer, aber es ist spannender für das Volk. Ganz nach dem Motto Brot und Spiele.“ 

Warst du seitdem mal wieder auf dem Maifeld? Dort fanden Weltcups und Die Finals statt? 
Garnreiter: „Das war das große Trauerspiel. Ich habe mir 2019 bei der Gartenarbeit eine Verletzung zugezogen und konnte 40 Jahre nach der WM nicht an der DM teilnehmen. Ich hatte zwar ein riesiges Ergebnis auf der Kreismeisterschaft geschossen, aber am Dienstag darauf konnte ich keinen Bogen mehr ziehen, es ging nichts mehr. Ich hatte mir einen Nerv verletzt, und es wäre natürlich ein Highlight gewesen, dort zu schießen, wo ich 40 Jahre zuvor Silber gewonnen habe.“ 

Wirst du die WM in Berlin vor Ort verfolgen? 
Garnreiter: „Nein, weil ich dann meine ersten Rententage habe. Und die genieße ich anders als auf der WM in Berlin. Ich war aber 2007 in Leipzig, wo ich ein Ehemaligentreffen organisiert habe. Ich hatte 135 Personen ausfindig gemacht, die vor mir, mit mir und nach mir in der Nationalmannschaft waren, ca. 80 sind gekommen. Das war so toll und hat so eine Dynamik angenommen, dass am Abend auch ehemalige Schützen anderer Nationen, die als Besucher anwesend waren, dazugekommen sind.“ 

Es ist unglaublich, wieviel sie alle sich abverlangen, das hätte ich nie leisten können!

Armin Garnreiter über den Einsatz der heutigen DSB-Schützengeneration 

Was wünschst du dem deutschen Team bei der WM?  
Garnreiter: „Ich wünsche den deutschen Teams, dass sie die Fahrkarte nach Olympia schaffen. Ich selbst war ja Olympia-Teilnehmer (1984, Anm. d. Red.), und wir hätten – wenn es eine Teamwertung gegeben hätte – Silber geholt. Harry (Wittig) war Neunter, ich war Zehnter und Detlef (Kahlert) 15. Das ist für jeden Sportler so ein Erlebnis, dass man es nur jedem wünschen kann. Das liegt natürlich zum einen in den eigenen Händen, aber auch in denen der anderen, weil irgendeiner muss auch Fehler machen. Und ich hoffe, es sind nicht unsere Schützen. Wir haben ja die beiden Wiesers (Felix und Moritz, Anm. d. Red.) aus unserem Verein und die Kathi (Bauer, Anm. d. Red.) in unserer Bundesliga-Mannschaft, und ich weiß, dass sie alles für eine erfolgreiche WM machen. Es ist unglaublich, wieviel sie alle sich abverlangen, das hätte ich nie leisten können, das muss ich ganz ehrlich anerkennen.“ 

Und was wünschst du dem deutschen Bogensport? 
Garnreiter: „Ich wünsche mir, dass unsere Athleten wirklich gut schießen, dadurch Medienpräsenz bekommen und vielleicht einmal im Sportstudio auftreten können. Das geht aber nur, wenn wir um die Medaillen mitschießen, damit steht und fällt der Erfolg.“ 

Zur Person: Armin Garnreiter ist 64 Jahre alt und nahm 1979 an der ersten Bogen-WM auf deutschem Boden teil. In Berlin gewann er die erste deutsche WM-Medaille in dieser Disziplin, Team-Silber an der Seite von Willi Müller und Harry Wittig. Platz zehn bei Olympia in Los Angeles 1984 sowie zahlreiche nationale Titel (u.a. 11x Deutscher Meister im Einzel und 3x Mannschafsmeister mit der FSG Tacherting) waren weitere große Erfolge des noch immer aktiven Bogenschützen. 

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