Europameisterschaften
Bogen-EM München: Recurve-Schützen greifen nach fünf Medaillen
Freude und Medaillenchancen en masse für die Recurver, Enttäuschung bei den Compoundern mit einem Lichtblick: Die Stimmungslage bei den deutschen Bogenschützen konnte bei der „EM dahoam“, der Bogensport-Europameisterschaft in München (6.-12. Juni), unterschiedlicher nicht sein. Am Final-Sonntag der Recurver stehen das Frauen-Team, das Mixed-Team Florian Unruh & Michelle Kroppen, Unruh sowie Kroppen im Einzel jeweils im Goldfinale, Katharina Bauer schießt um Bronze. Einen Tag zuvor bei den Medaillenentscheidungen der Compounder sind die DSB-Schützen außen vor. Tickets für die Finalmatches auf der Theresienwiese (11./12. Juni) gibt es unter www.em-bogen.de oder an der Tageskasse.
Recurve: Kroppen in drei, Unruh in zwei Goldfinals
Den sensationellen Tag eröffnete das Frauen-Trio Katharina Bauer, Michelle Kroppen und Charline Schwarz. Das hatte sich nach der Qualifikation, die sie mit 26 (!) Ringen Vorsprung gewonnen hatte, in die Favoritenrolle geschossen. Und der wurde das deutsche Team vollauf gerecht: Mit enormer Konstanz auf höchstem Niveau zog das Trio bei strömendem Regen mit 6:0-Siegen gegen Finnland (58-49, 53-47, 56-45) und Griechenland (54-50, 55-49, 57-52) in das Halbfinale gegen Slowenien. Zwar musste das Team in der ersten Passe die Punkte teilen (54-54), doch machte das nicht nervös, sondern stachelte eher an: 57-53 und 57-54 lauteten die zwei weiteren Durchgänge, ehe ein kleiner Jubeltanz mit Trainer Marc Dellenbach folgte. Bauer, die unzählige Trainingseinheiten und Qualifikations-Wettkämpfe auf der Bogen-Anlage in Garching-Hochbrück absolvierte, freute sich, bei der „EM dahoam“ im Goldfinale zu stehen: „Das habe ich mir gewünscht, und das war der Traum, dass wir die Leistung von den letzten Weltcups mit zwei Silbermedaillen abrufen. Wir werden von mal zu mal eingespielter und es macht sehr viel Spaß.“ Dies bestätigte Kollegin Schwarz, die nach Olympia-Bronze nun nach EM-Gold im Team greift: „Ich bin happy. Wir haben sehr gut geschossen, auch wenn wir leider im Regen standen, wir stehen verdient im Goldfinale.“ Für das hat Bauer einen Wunsch: „Ich wünsche mir viele Zuschauer, die uns unterstützen. Sie dürfen auch gerne laut sein, das wünschen wir uns. In Korea mussten wir gegen die Gastgeber und die Zuschauer antreten und jetzt ist es andersherum. Deswegen wünschen wir uns große und lautstarke Unterstützung.“
Ich wünsche mir viele Zuschauer, die uns lautstark unterstützen!
Katharina Bauer für die Finaltage auf der Theresienwiese
Freude bei den Frauen, die sich mit dem Einzug in das Finale auch mit dem Maximum von drei Athletinnen für die European Games 2023 in Breslau qualifizierten, etwas Katzenjammer bei Jonathan Vetter, Moritz Wieser und Florian Unruh. Die verpassten nach einem 4:5 im Stechen (54-56, 57-53, 54-57, 55-53, 26-28) gegen Großbritannien nicht nur das Halbfinale, sondern auch Platz fünf, der ebenfalls zur Qualifikation für Breslau in voller Stärke berechtigt hätte. Eine abschließende Zehn im Stechen wäre genug gewesen, doch der Pfeil von Unruh landete nur in der Acht. Wieser, der im Stechen perfekt mit einer Zehn vorgelegt hatte, meinte danach: „Ich bin schon enttäuscht, auch wenn wir eigentlich ganz gut geschossen haben. Im Stechen muss man seine Arbeit machen, aber natürlich hat jeder Pfeil hat eine noch höhere Wertigkeit als die Pfeile davor.“ Zuvor hatte das DSB-Trio Dänemark mit 5:3 (55-51, 49-57, 55-50, 51-51) bezwungen.
Schade, ich wäre lieber im Goldfinale auf Kathi getroffen. Ich drücke ihr die Daumen und hoffe, dass wir nachher zusammen auf dem Podest stehen!
Michelle Kroppen zum Duell mit Katharina Bauer im Halbfinale
Am Nachmittag folgte eine nochmalige Stimmungs-Steigerung: Die deutschen Schützen brillierten in der Ko-Phase und räumten nach und nach die Gegner ab, wobei jeder die ein oder andere „Klippe“ zu überwinden hatte. Kroppen stand im Achtelfinale gegen Gaby Schloesser (NED) beim 2:4 mit dem Rücken zur Wand, bog das Match aber mit zwei 28-er Passen wieder um. Bauer hatte im 1/16-Finale 1:5 zurückgelegen, ehe sie eine brillante Aufholjagd startete und im Stechschuss (10-9) gegen die Slowakin Alexandra Longova triumphierte. Danach sagte sie: „Gleich das erste Match hat mir gezeigt, dass man sofort da sein muss und nie aufgeben darf. Das hat mir die Augen geöffnet und ab da ist es echt gut gelaufen.“ Es lief so gut, dass die beiden DSB-Schützinnen im Halbfinale aufeinander trafen und sich ein packendes Duell lieferten. Erst führte Bauer, dann hieß es Unentschieden, ehe Kroppen in Führung ging und am Ende 6:4 (27-28, 28-27, 28-28, 29-27, 29-29) siegte. „Wir haben uns zuvor gesagt, dass wir das Match genießen wollen. Es war ein hochklassiges Match. Es ist schade, ich wäre lieber im Goldfinale auf Kathi getroffen. Ich drücke ihr die Daumen und hoffe, dass wir nachher zusammen auf dem Podest stehen“, so Kroppen. Im Goldfinale wartet die Türkin Coskun Gulnaz, Bauer trifft im Bronzematch auf Elisabeth Straka (AUT). Charline Schwarz schied in ihrem 1/16-Finale äußerst unglücklich aus nach einem Stechschuss (9-9) gegen Straka.
Es erinnert mich ein wenig an 2014, damals haben wir im Team Silber gewonnen und ich Gold im Einzel!
Florian Unruh vergleicht die aktuelle Situation mit 2014
Bei den Männern ging es für den an eins gesetzten Unruh gleich im ersten Match um alles. 4:4 hieß es gegen den Rumänen Dan Olaru, dann holte sich der Olympia-Fünfte den Sieg durch ein 29-27 und meinte danach: „Das erste Match war ein bisschen anstrengender, weil er mal wieder schlecht in der Qualifikation war, dann im Match aber stark geschossen hat. Im zweiten Match war ich schlecht, aber ich hatte den richtigen Gegner zur richtigen Zeit. Danach wurde mein Schießen besser.“ Musste es auch, da im Halbfinale Olympiasieger Mete Gazoz der Gegner hieß. Beide lieferten sich ein Duell auf Weltklasse-Niveau, dass der Norddeutsche „eiskalt“ mit 6:4 (30-27, 26-29, 29-28, 28-28, 29-29) für sich entschied. „Es ändert ja nicht so viel, ob er Olympiasieger ist oder nicht. Ich kenne ihn schon länger und habe oft gegen ihn geschossen“, maß Unruh diesem Duell keinen besonderen Umstand bei. Im Finale wartet nun der Spanier Miguel Alvarino Garcia, die Nummer zwei nach der Qualifikation. Für Unruh ist der Sonntag ein Déjà-vu: „Es erinnert mich ein wenig an 2014, damals haben wir im Team Silber gewonnen und ich Gold im Einzel.“
Mit Jonathan Vetter und Moritz Wieser standen zwei weitere DSB-Akteure im Viertelfinale, das sie jedoch jeweils 0:6 gegen Gazoz bzw. Alvarino Garcio verloren. Mit Platz sieben und acht rundeten sie das tolle Ergebnis ab.
Compound: Lüpkemann sichert Startplatz für European Games
Vier deutsche Medaillen im Recurve-Bereich sind sicher, dagegen werden die deutschen Compounder bei der „EM dahoam“ leer ausgehen. Als letzter Teilnehmer schied Henning Lüpkemann im Viertelfinale mit 144:148 gegen Yakup Yildiz (TUR) aus und wurde Achter. Damit sicherte er zumindest einen Startplatz für die European Games 2023 in Breslau. Zuvor hatte er u.a. Weltmeister Nico Wiener (AUT) 147:146 bezwungen und war dementsprechend zufrieden mit seinem Abschneiden: „Als Holger (Hertkorn, Disziplinverantwortlicher Compound, Anm. d. Red.) mir sagte, dass ich einen European Games-Platz gewonnen hatte, war ich zufrieden. Unter den Top Acht im Einzel unter so vielen Profis ist total in Ordnung.“ Leon Hollas und Julia Böhnke mussten sich im 1/16-Finale aus dem Wettbewerb verabschieden.
Unter den Top Acht im Einzel unter so vielen Profis ist total in Ordnung!
Henning Lüpkemann ist zufrieden mit seinem Abschneiden
Auch in den Team-Wettbewerben, in denen sich die Athleten selbst die besten Chancen ausgerechnet hatten, lief es nicht wie gewünscht: Zunächst scheiterten Julia Böhnke, Franziska Göppel und Carolin Landesfeind im Achtelfinale mit 224:229 an den Polinnen. Dabei fiel in der dritten Passe die Vorentscheidung, als dem DSB-Team nur 53 Ringe gelangen: „Es ist schade, dass wir raus sind, es hätte besser laufen können. Die drei Ringe haben uns am Ende das Genick gebrochen“, urteilte Göppel. Und Landesfeind ergänzte: „Ich hatte mir etwas anderes erhofft und erwartet, von daher bin ich enttäuscht. Es hat uns einfach auch das Quäntchen Glück gefehlt.“
Ich habe mir mehr erhofft!
Holger Hertkorn, Disziplinverantwortlicher Compound, zum Abschneiden bei der EM
Gleiches galt kurze Zeit später für Sebastian Hamdorf, Leon Hollas und Henning Lüpkemann, die sich den Niederländern um den Weltranglisten-1. Mike Schloesser 223:226 geschlagen geben mussten. Für Holger Hertkorn, Disziplinverantwortlicher Compound, insgesamt eine Enttäuschung: „Ich habe mir mehr erhofft. Gerade von den Damen, die mit dem positiven Gefühl des Weltcupsieges aus Antalya und in der gleichen Zusammensetzung hier antraten, aber es muss viel zusammenpassen. Man muss auch sagen, dass wir maximal drei Weltcups schießen, und wir können aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht so viel trainieren. Dadurch fehlt uns die Wettkampferfahrung und Coolness. Dass die EM im eigenen Land etwas mehr Druck aufbaut, spielt vielleicht im Unterbewusstsein eine Rolle. Heute gab es zudem keine Geschenke von den Gegnern.“
Die Finalansetzungen am 11./12. Juni
11. Juni (10.00 bis 16.00 Uhr) Compound
Team Frauen: TUR – EST (Bronze) & ITA – GBR (Gold)
Team Männer: SLO – AUT (Bronze) & NED – TUR (Gold)
Mixed: BEL – TUR (Bronze) & DEN – EST (Gold)
Einzel Frauen: Elisa Roner (ITA) – Ayse Suzer (TUR, Bronze) & Isabelle Carpenter (GBR) – Sophie Dodemont (FRA, Gold)
Einzel Männer: Robin Jaatma (EST) – Jozef Bosansky (SVK, Bronze) & Mike Schloesser (NED) – Yakup Yildiz (TUR, Gold)
12. Juni (10.00 bis 16.00 Uhr) Recurve
Team Frauen: SLO – DEN (Bronze) & GER – TUR (Gold)
Team Männer: SUI – GBR (Bronze) & ESP – ITA (Gold)
Mixed: ITA – UKR (Bronze) & GER – NED (Gold)
Einzel Frauen: Katharina Bauer (GER) – Elisabeth Straka (AUT, Bronze) & Michelle Kroppen (GER) – Gulnaz Coskun (TUR, Gold)
Einzel Männer: Mete Gazoz (TUR) – Daniel Castro (ESP, Bronze) & Florian Unruh (GER) – Miguel Alvarino Garcia (GER, Gold)
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